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Korn, Philipp Anton: Die erste deutsche Frauen-Conferenz in Leipzig. Leipzig, 1865.

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Beruf zu entziehen; wir hoffen im Gegentheil, daß, sofern Gott unser Werk segnet, die deutschen Frauen die edelsten Trägerinnen wahrer Sitte und Weiblichkeit immerdar bleiben werden. Je mehr wir es dem weiblichen Geschlecht erleichtern, selbstständig durch die eigne Arbeit zu existieren, desto reiner und schöner wird sich das Familienleben gestalten. Aber das Recht der Frau, auf dem großen Arbeitsmarkt des Lebens hinauszutreten, um die ihr inne wohnende Kraft zu verwerthen, ist keine Hyppothese mehr, deren Für und Wider in langathmigen Streitigkeiten erwogen werden könnte. Die Lebenslage vieler tausend Frauen ist derartig, daß das Leben ihnen Arbeit bieten muß, sollen sie nicht geistig und körperlich zu Grunde gehen. Das Gefühl der Billigkeit muß jedem Gegner der weiblichen Bestrebungen sagen, daß jedes Wesen doch wenigstens das Recht der Arbeit hat! Und dieses Recht der Arbeit nehmen wir für die Frauen in Anspruch.

Werfen wir einen Blick auf die ganze Schöpfung, so sehen wir, daß das kleinste Geschöpf seine Aufgabe, seine Bestimmung hat; der weise, gütige und gerechte Schöpfer des Weltalls wollte nimmermehr, daß eine große Anzahl von Wesen, die mit Vernunft, mit reicher, vielseitiger Kraft begabt sind, müßig und unnütz der großen Menschenarbeit zuschauen. Der Frau ist die hohe, geistige Begabung, die sie ebenfalls besitzt, die Fähigkeit, mit Hand und Kopf zu arbeiten, gegeben worden, damit auch sie eine Lebensaufgabe erfülle. In früheren Zeiten, in denen unsre Sitten und Gebräuche entstanden, und in denen deshalb unsre Anschauungen wurzeln, genügten die Pflichten des Hauses der weiblichen Arbeitskraft; jetzt ist es ganz anders geworden. Die Zahl der Frauen ist zu groß - es ist unmöglich, dass das Haus Allen die nothwendige Arbeit, den ausreichenden Unterhalt gewährt. Aus diesem materiellen, dem praktischen Leben entspringenden Grunde muß sich das Gebiet der Arbeit von nun an der Frau weiter, unbeschränkter eröffnen; derjenige, welcher das Frauenleben in allen Sphären beobachtet, wird es ebenso sehr wünschen, damit das geistige Leben des weiblichen Geschlechtes gestärkt und geklärt werde. Unsre Berathungen werden auf die Arbeitszweige, die den Frauen eröffnet werden können, mehr hinweisen; ich wollte heute Ihren Blick nur auf diese brennende Frage der weiblichen Arbeit hinlenken, in der die Hauptbedeutung, die höchste Aufgabe unsres zu gründenden Vereines concentrirt ist. Freilich harrt unser manch' schwerer Kampf, nicht sowohl durch den Widerstand der Männer, sondern durch die Vorurtheile derjenigen Frauen, die in unsern Bemühungen den Versuch einer neuen Emancipation sehen werden. Die Männer beschäftigen sich gründlicher mit allen Fragen des öffentlichen Lebens; sie werden sobald sie gerecht und billig denken, einsehen, daß es keine andere Lösung

Beruf zu entziehen; wir hoffen im Gegentheil, daß, sofern Gott unser Werk segnet, die deutschen Frauen die edelsten Trägerinnen wahrer Sitte und Weiblichkeit immerdar bleiben werden. Je mehr wir es dem weiblichen Geschlecht erleichtern, selbstständig durch die eigne Arbeit zu existieren, desto reiner und schöner wird sich das Familienleben gestalten. Aber das Recht der Frau, auf dem großen Arbeitsmarkt des Lebens hinauszutreten, um die ihr inne wohnende Kraft zu verwerthen, ist keine Hyppothese mehr, deren Für und Wider in langathmigen Streitigkeiten erwogen werden könnte. Die Lebenslage vieler tausend Frauen ist derartig, daß das Leben ihnen Arbeit bieten muß, sollen sie nicht geistig und körperlich zu Grunde gehen. Das Gefühl der Billigkeit muß jedem Gegner der weiblichen Bestrebungen sagen, daß jedes Wesen doch wenigstens das Recht der Arbeit hat! Und dieses Recht der Arbeit nehmen wir für die Frauen in Anspruch.

Werfen wir einen Blick auf die ganze Schöpfung, so sehen wir, daß das kleinste Geschöpf seine Aufgabe, seine Bestimmung hat; der weise, gütige und gerechte Schöpfer des Weltalls wollte nimmermehr, daß eine große Anzahl von Wesen, die mit Vernunft, mit reicher, vielseitiger Kraft begabt sind, müßig und unnütz der großen Menschenarbeit zuschauen. Der Frau ist die hohe, geistige Begabung, die sie ebenfalls besitzt, die Fähigkeit, mit Hand und Kopf zu arbeiten, gegeben worden, damit auch sie eine Lebensaufgabe erfülle. In früheren Zeiten, in denen unsre Sitten und Gebräuche entstanden, und in denen deshalb unsre Anschauungen wurzeln, genügten die Pflichten des Hauses der weiblichen Arbeitskraft; jetzt ist es ganz anders geworden. Die Zahl der Frauen ist zu groß – es ist unmöglich, dass das Haus Allen die nothwendige Arbeit, den ausreichenden Unterhalt gewährt. Aus diesem materiellen, dem praktischen Leben entspringenden Grunde muß sich das Gebiet der Arbeit von nun an der Frau weiter, unbeschränkter eröffnen; derjenige, welcher das Frauenleben in allen Sphären beobachtet, wird es ebenso sehr wünschen, damit das geistige Leben des weiblichen Geschlechtes gestärkt und geklärt werde. Unsre Berathungen werden auf die Arbeitszweige, die den Frauen eröffnet werden können, mehr hinweisen; ich wollte heute Ihren Blick nur auf diese brennende Frage der weiblichen Arbeit hinlenken, in der die Hauptbedeutung, die höchste Aufgabe unsres zu gründenden Vereines concentrirt ist. Freilich harrt unser manch’ schwerer Kampf, nicht sowohl durch den Widerstand der Männer, sondern durch die Vorurtheile derjenigen Frauen, die in unsern Bemühungen den Versuch einer neuen Emancipation sehen werden. Die Männer beschäftigen sich gründlicher mit allen Fragen des öffentlichen Lebens; sie werden sobald sie gerecht und billig denken, einsehen, daß es keine andere Lösung

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Beruf zu entziehen; wir hoffen im Gegentheil, daß, sofern Gott unser Werk segnet, die deutschen Frauen die edelsten Trägerinnen wahrer Sitte und Weiblichkeit immerdar bleiben werden. Je mehr wir es dem weiblichen Geschlecht erleichtern, selbstständig durch die eigne Arbeit zu existieren, desto reiner und schöner wird sich das Familienleben gestalten. Aber das Recht der Frau, auf dem großen Arbeitsmarkt des Lebens hinauszutreten, um die ihr inne wohnende Kraft zu verwerthen, ist keine Hyppothese mehr, deren <hi rendition="#aq">Für</hi> und <hi rendition="#aq">Wider</hi> in langathmigen Streitigkeiten erwogen werden könnte. Die Lebenslage vieler tausend Frauen ist derartig, daß das Leben ihnen Arbeit bieten muß, sollen sie nicht geistig und körperlich zu Grunde gehen. Das Gefühl der Billigkeit muß jedem Gegner der weiblichen Bestrebungen sagen, daß jedes Wesen doch wenigstens das Recht der Arbeit hat! Und dieses Recht der Arbeit nehmen wir für die Frauen in Anspruch.</p>
          <p>Werfen wir einen Blick auf die ganze Schöpfung, so sehen wir, daß das kleinste Geschöpf seine Aufgabe, seine Bestimmung hat; der weise, gütige und gerechte Schöpfer des Weltalls wollte nimmermehr, daß eine große Anzahl von Wesen, die mit Vernunft, mit reicher, vielseitiger Kraft begabt sind, müßig und unnütz der großen Menschenarbeit zuschauen. Der Frau ist die hohe, geistige Begabung, die sie ebenfalls besitzt, die Fähigkeit, mit Hand und Kopf zu arbeiten, gegeben worden, damit auch sie eine Lebensaufgabe erfülle. In früheren Zeiten, in denen unsre Sitten und Gebräuche entstanden, und in denen deshalb unsre Anschauungen wurzeln, genügten die Pflichten des Hauses der weiblichen Arbeitskraft; jetzt ist es ganz anders geworden. Die Zahl der Frauen ist zu groß &#x2013; es ist unmöglich, dass das Haus Allen die nothwendige Arbeit, den ausreichenden Unterhalt gewährt. Aus diesem materiellen, dem praktischen Leben entspringenden Grunde muß sich das Gebiet der Arbeit von nun an der Frau weiter, unbeschränkter eröffnen; derjenige, welcher das Frauenleben in allen Sphären beobachtet, wird es ebenso sehr wünschen, damit das geistige Leben des weiblichen Geschlechtes gestärkt und geklärt werde. Unsre Berathungen werden auf die Arbeitszweige, die den Frauen eröffnet werden können, mehr hinweisen; ich wollte heute Ihren Blick nur auf diese brennende Frage der weiblichen Arbeit hinlenken, in der die Hauptbedeutung, die höchste Aufgabe unsres zu gründenden Vereines concentrirt ist. Freilich harrt unser manch&#x2019; schwerer Kampf, nicht sowohl durch den Widerstand der Männer, sondern durch die Vorurtheile derjenigen Frauen, die in unsern Bemühungen den Versuch einer neuen Emancipation sehen werden. Die Männer beschäftigen sich gründlicher mit allen Fragen des öffentlichen Lebens; sie werden sobald sie gerecht und billig denken, einsehen, daß es keine andere Lösung
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[9/0009] Beruf zu entziehen; wir hoffen im Gegentheil, daß, sofern Gott unser Werk segnet, die deutschen Frauen die edelsten Trägerinnen wahrer Sitte und Weiblichkeit immerdar bleiben werden. Je mehr wir es dem weiblichen Geschlecht erleichtern, selbstständig durch die eigne Arbeit zu existieren, desto reiner und schöner wird sich das Familienleben gestalten. Aber das Recht der Frau, auf dem großen Arbeitsmarkt des Lebens hinauszutreten, um die ihr inne wohnende Kraft zu verwerthen, ist keine Hyppothese mehr, deren Für und Wider in langathmigen Streitigkeiten erwogen werden könnte. Die Lebenslage vieler tausend Frauen ist derartig, daß das Leben ihnen Arbeit bieten muß, sollen sie nicht geistig und körperlich zu Grunde gehen. Das Gefühl der Billigkeit muß jedem Gegner der weiblichen Bestrebungen sagen, daß jedes Wesen doch wenigstens das Recht der Arbeit hat! Und dieses Recht der Arbeit nehmen wir für die Frauen in Anspruch. Werfen wir einen Blick auf die ganze Schöpfung, so sehen wir, daß das kleinste Geschöpf seine Aufgabe, seine Bestimmung hat; der weise, gütige und gerechte Schöpfer des Weltalls wollte nimmermehr, daß eine große Anzahl von Wesen, die mit Vernunft, mit reicher, vielseitiger Kraft begabt sind, müßig und unnütz der großen Menschenarbeit zuschauen. Der Frau ist die hohe, geistige Begabung, die sie ebenfalls besitzt, die Fähigkeit, mit Hand und Kopf zu arbeiten, gegeben worden, damit auch sie eine Lebensaufgabe erfülle. In früheren Zeiten, in denen unsre Sitten und Gebräuche entstanden, und in denen deshalb unsre Anschauungen wurzeln, genügten die Pflichten des Hauses der weiblichen Arbeitskraft; jetzt ist es ganz anders geworden. Die Zahl der Frauen ist zu groß – es ist unmöglich, dass das Haus Allen die nothwendige Arbeit, den ausreichenden Unterhalt gewährt. Aus diesem materiellen, dem praktischen Leben entspringenden Grunde muß sich das Gebiet der Arbeit von nun an der Frau weiter, unbeschränkter eröffnen; derjenige, welcher das Frauenleben in allen Sphären beobachtet, wird es ebenso sehr wünschen, damit das geistige Leben des weiblichen Geschlechtes gestärkt und geklärt werde. Unsre Berathungen werden auf die Arbeitszweige, die den Frauen eröffnet werden können, mehr hinweisen; ich wollte heute Ihren Blick nur auf diese brennende Frage der weiblichen Arbeit hinlenken, in der die Hauptbedeutung, die höchste Aufgabe unsres zu gründenden Vereines concentrirt ist. Freilich harrt unser manch’ schwerer Kampf, nicht sowohl durch den Widerstand der Männer, sondern durch die Vorurtheile derjenigen Frauen, die in unsern Bemühungen den Versuch einer neuen Emancipation sehen werden. Die Männer beschäftigen sich gründlicher mit allen Fragen des öffentlichen Lebens; sie werden sobald sie gerecht und billig denken, einsehen, daß es keine andere Lösung

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Zitationshilfe: Korn, Philipp Anton: Die erste deutsche Frauen-Conferenz in Leipzig. Leipzig, 1865, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/korn_frauenconferenz_1865/9>, abgerufen am 29.03.2024.