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Korn, Philipp Anton: Die erste deutsche Frauen-Conferenz in Leipzig. Leipzig, 1865.

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sicherste Mittel hierfür ist, wenn die Töchter tüchtig herangebildet würden zu Gewerben und Berufszweigen, zu welchen sie, wenn die Noth über sie hereinbricht, greifen könnten; denn wenn sie auch so glücklich verheirathet sind, daß sie in der Ehe davon keinen Gebrauch zu machen für nöthig finden, so wird es ihnen doch als Wittwen sehr zu Gute kommen, wenn sie in der Jugend etwas Tüchtiges gelernt haben.

Es würde in's Unendliche führen, wenn ich alle die Fälle aufzählen sollte, wo es die Macht der Verhältnisse gebietet, daß den Frauen ihr Recht werde, aber aus der Darlegung der drei erwähnten Lebensstellungen des Weibes dürften schon die Ursachen wahrgenommen werden, aus welchen die Frauenfrage entstanden ist. Man hat es versucht, die Lösung derselben vom politischen Standpunkte aus zu bewerkstelligen, was der Sache jedoch eine unschöne Gestaltung gab. Mit Abscheu wandte man sich daher von der Emancipationsidee, wie sie vor 15 Jahren aufgetaucht ist, ab, aber ein Gedanke ist es, welcher der Lösung der Frauenfrage unstreitig näher liegt, und dieser schneidet schon tief ein in das Fleisch unseres socialen Körpers, es ist:

Die Brotfrage des weiblichen Geschlechts.

Hier ist es zuförderst die volkswirthschaftliche Idee im weiteren Sinne, die uns diese Frage wird lösen helfen; denn wie sehr auch die Volkswirthschaft in Deutschland im letzten Decennium Verbreitung gefunden hat, so ist doch das Gebiet ihres Wirkens ein verhältnißmäßig kleines geblieben und gar nicht in Betracht zu ziehen gegen die enormen Vortheile der Mobilmachung der weiblichen Arbeitskraft. Dieser noch gänzlich verborgen liegende Schatz würde, wenn er zum Vortheile des Nationalreichthums hervorgeholt werden könnte, mehr einbringen, als die sämmtlichen Staatseinnahmen der deutschen Bundesstaaten betragen, mit dem Unterschiede noch, daß diese Summen zum großen Theile für die Erhaltung der Beamten und stehenden Heere verwendet werden, während jene Einnahmen die arbeitende Bevölkerung für sich behalten würde, wodurch ein Wohlstand bei den unteren Volksschichten herbeigeführt und dem Pauperismus entgegen gearbeitet werden könnte.

Sie erlauben mir Ihnen diese Vortheile der Volkswirthschaft der Zukunft mit Zahlen zu beweisen: Deutschland zählt 41 Mill. Einwohner, davon 21 Millionen weiblichen Geschlechts. Von diesen 21 Millionen sind 7 Millionen arbeits- und erwerbsfähig. Eine Million zählt man zu den weiblichen Dienstleuten und 1/2 Million zu den freien Arbeiterinnen, welche letztere im Durchschnitt einen Thaler pro Woche verdienen: was jährlich 26 Millionen Thaler beträgt.

Nun sind noch 51/2 Millionen arbeits- und erwerbsfähige

sicherste Mittel hierfür ist, wenn die Töchter tüchtig herangebildet würden zu Gewerben und Berufszweigen, zu welchen sie, wenn die Noth über sie hereinbricht, greifen könnten; denn wenn sie auch so glücklich verheirathet sind, daß sie in der Ehe davon keinen Gebrauch zu machen für nöthig finden, so wird es ihnen doch als Wittwen sehr zu Gute kommen, wenn sie in der Jugend etwas Tüchtiges gelernt haben.

Es würde in’s Unendliche führen, wenn ich alle die Fälle aufzählen sollte, wo es die Macht der Verhältnisse gebietet, daß den Frauen ihr Recht werde, aber aus der Darlegung der drei erwähnten Lebensstellungen des Weibes dürften schon die Ursachen wahrgenommen werden, aus welchen die Frauenfrage entstanden ist. Man hat es versucht, die Lösung derselben vom politischen Standpunkte aus zu bewerkstelligen, was der Sache jedoch eine unschöne Gestaltung gab. Mit Abscheu wandte man sich daher von der Emancipationsidee, wie sie vor 15 Jahren aufgetaucht ist, ab, aber ein Gedanke ist es, welcher der Lösung der Frauenfrage unstreitig näher liegt, und dieser schneidet schon tief ein in das Fleisch unseres socialen Körpers, es ist:

Die Brotfrage des weiblichen Geschlechts.

Hier ist es zuförderst die volkswirthschaftliche Idee im weiteren Sinne, die uns diese Frage wird lösen helfen; denn wie sehr auch die Volkswirthschaft in Deutschland im letzten Decennium Verbreitung gefunden hat, so ist doch das Gebiet ihres Wirkens ein verhältnißmäßig kleines geblieben und gar nicht in Betracht zu ziehen gegen die enormen Vortheile der Mobilmachung der weiblichen Arbeitskraft. Dieser noch gänzlich verborgen liegende Schatz würde, wenn er zum Vortheile des Nationalreichthums hervorgeholt werden könnte, mehr einbringen, als die sämmtlichen Staatseinnahmen der deutschen Bundesstaaten betragen, mit dem Unterschiede noch, daß diese Summen zum großen Theile für die Erhaltung der Beamten und stehenden Heere verwendet werden, während jene Einnahmen die arbeitende Bevölkerung für sich behalten würde, wodurch ein Wohlstand bei den unteren Volksschichten herbeigeführt und dem Pauperismus entgegen gearbeitet werden könnte.

Sie erlauben mir Ihnen diese Vortheile der Volkswirthschaft der Zukunft mit Zahlen zu beweisen: Deutschland zählt 41 Mill. Einwohner, davon 21 Millionen weiblichen Geschlechts. Von diesen 21 Millionen sind 7 Millionen arbeits- und erwerbsfähig. Eine Million zählt man zu den weiblichen Dienstleuten und ½ Million zu den freien Arbeiterinnen, welche letztere im Durchschnitt einen Thaler pro Woche verdienen: was jährlich 26 Millionen Thaler beträgt.

Nun sind noch 5½ Millionen arbeits- und erwerbsfähige

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[17/0017] sicherste Mittel hierfür ist, wenn die Töchter tüchtig herangebildet würden zu Gewerben und Berufszweigen, zu welchen sie, wenn die Noth über sie hereinbricht, greifen könnten; denn wenn sie auch so glücklich verheirathet sind, daß sie in der Ehe davon keinen Gebrauch zu machen für nöthig finden, so wird es ihnen doch als Wittwen sehr zu Gute kommen, wenn sie in der Jugend etwas Tüchtiges gelernt haben. Es würde in’s Unendliche führen, wenn ich alle die Fälle aufzählen sollte, wo es die Macht der Verhältnisse gebietet, daß den Frauen ihr Recht werde, aber aus der Darlegung der drei erwähnten Lebensstellungen des Weibes dürften schon die Ursachen wahrgenommen werden, aus welchen die Frauenfrage entstanden ist. Man hat es versucht, die Lösung derselben vom politischen Standpunkte aus zu bewerkstelligen, was der Sache jedoch eine unschöne Gestaltung gab. Mit Abscheu wandte man sich daher von der Emancipationsidee, wie sie vor 15 Jahren aufgetaucht ist, ab, aber ein Gedanke ist es, welcher der Lösung der Frauenfrage unstreitig näher liegt, und dieser schneidet schon tief ein in das Fleisch unseres socialen Körpers, es ist: Die Brotfrage des weiblichen Geschlechts. Hier ist es zuförderst die volkswirthschaftliche Idee im weiteren Sinne, die uns diese Frage wird lösen helfen; denn wie sehr auch die Volkswirthschaft in Deutschland im letzten Decennium Verbreitung gefunden hat, so ist doch das Gebiet ihres Wirkens ein verhältnißmäßig kleines geblieben und gar nicht in Betracht zu ziehen gegen die enormen Vortheile der Mobilmachung der weiblichen Arbeitskraft. Dieser noch gänzlich verborgen liegende Schatz würde, wenn er zum Vortheile des Nationalreichthums hervorgeholt werden könnte, mehr einbringen, als die sämmtlichen Staatseinnahmen der deutschen Bundesstaaten betragen, mit dem Unterschiede noch, daß diese Summen zum großen Theile für die Erhaltung der Beamten und stehenden Heere verwendet werden, während jene Einnahmen die arbeitende Bevölkerung für sich behalten würde, wodurch ein Wohlstand bei den unteren Volksschichten herbeigeführt und dem Pauperismus entgegen gearbeitet werden könnte. Sie erlauben mir Ihnen diese Vortheile der Volkswirthschaft der Zukunft mit Zahlen zu beweisen: Deutschland zählt 41 Mill. Einwohner, davon 21 Millionen weiblichen Geschlechts. Von diesen 21 Millionen sind 7 Millionen arbeits- und erwerbsfähig. Eine Million zählt man zu den weiblichen Dienstleuten und ½ Million zu den freien Arbeiterinnen, welche letztere im Durchschnitt einen Thaler pro Woche verdienen: was jährlich 26 Millionen Thaler beträgt. Nun sind noch 5½ Millionen arbeits- und erwerbsfähige

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Zitationshilfe: Korn, Philipp Anton: Die erste deutsche Frauen-Conferenz in Leipzig. Leipzig, 1865, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/korn_frauenconferenz_1865/17>, abgerufen am 25.04.2024.