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Korn, Philipp Anton: Die erste deutsche Frauen-Conferenz in Leipzig. Leipzig, 1865.

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sich bisher alle versuchten Hülfsmittel, wie Lebensversicherung, Wittwen- und Waisenkassen u. d. m. als unzureichend bewiesen. Hier sehen wir Fälle, wo das eheliche Leben ein beglückendes für beide Theile war; die Frau hat einen Mann gefunden, der mit ihr sympathisirte, alle ihre Wünsche befriedigte; sie suchte wieder seine Gedanken zu errathen, um seine Wünsche zu befriedigen, noch bevor er sie ausgesprochen, und so trugen sie gegenseitig dazu bei, einander Liebesdienste zu erweisen und zu beglücken. Doch mit des Geschickes ewigen Mächten ist kein sicherer Bund zu flechten. Das grause Geschick riß ihr den geliebten Gatten von ihrer Seite; er starb eines frühen Todes und mit ihm wurde ihr Lebensglück begraben.

Die erste Zeit des Wittwenstandes, wo ihr Herz mit Trauer erfüllt ist über den herben Verlust, sind die Gedanken der Frau nur mit der Vergangenheit beschäftigt, ihre Seele lebt nur in der Erinnerung an die wonnigen Tage des glücklichen Zusammenlebens, und in dieser Zeit verbraucht sie gewöhnlich die Ersparnisse ihres Mannes, verkauft, was zu verkaufen ist, um den Haushalt fortzuführen. Aber wo nichts zufließt, ist die Quelle bald versiegt! Der Ernst des Lebens tritt an sie heran und rüttelt sie auf von ihrem träumerischen Leben; sie hat jetzt Vater- und Mutterpflichten zu erfüllen, ihre Kinder zu ernähren und zu erziehen und den guten Namen ihres Mannes in Ehren zu erhalten. Da erwacht sie aus ihrem schwärmerischen Dahinbrüten, es wird hell in ihrem Kopfe und sie sagt sich: "Du mußt etwas thun, was Du noch nie gethan hast,

Du mußt für Brot arbeiten!

Der Entschluß, schnell gereift durch die edlen Triebe der Mutterliebe, steht bei ihr fest und sie geht daran um zu arbeiten. Aber, meine geehrten Freundinnen, arbeiten wollen und arbeiten können ist zweierlei! Die Frau hat keine Arbeit gelernt, wovon man einen ordentlichen Hausstand erhalten kann, und die Arbeiten der Hauswirthschaft werden in die Cathegorie der Taglöhnerarbeit gezählt, die, ebenso wie die Nadelarbeit, den geringsten Lohn abwirft. Kann aber, selbst bei dem Arbeiten für geringen Lohn, eine anständige Bürgersfrau, nach unseren deutschen Begriffen von Schicklichkeit, Verrichtungen einer Dienstmagd versehen, zumal wenn sie Kinder zu erziehen und sittlich zu halten hat? Verzweiflung bemächtigt sich jetzt des Gemüthes der Wittwe, sie will arbeiten und kann nicht, sie muß ihre Kinder ernähren und weiß nicht von was!

Die Zahl dieser verzweifelnden Wittwen in Deutschland ist groß und ihr Jammergeschrei dringt in das Innere unserer Herzen. Hier gebietet es besonders die Macht der Verhältnisse, daß etwas Entschiedenes vorgenommen werde, um die Thränen der Wittwen zu trocknen und die Noth der Waisen abzuhelfen. Das einzige und

sich bisher alle versuchten Hülfsmittel, wie Lebensversicherung, Wittwen- und Waisenkassen u. d. m. als unzureichend bewiesen. Hier sehen wir Fälle, wo das eheliche Leben ein beglückendes für beide Theile war; die Frau hat einen Mann gefunden, der mit ihr sympathisirte, alle ihre Wünsche befriedigte; sie suchte wieder seine Gedanken zu errathen, um seine Wünsche zu befriedigen, noch bevor er sie ausgesprochen, und so trugen sie gegenseitig dazu bei, einander Liebesdienste zu erweisen und zu beglücken. Doch mit des Geschickes ewigen Mächten ist kein sicherer Bund zu flechten. Das grause Geschick riß ihr den geliebten Gatten von ihrer Seite; er starb eines frühen Todes und mit ihm wurde ihr Lebensglück begraben.

Die erste Zeit des Wittwenstandes, wo ihr Herz mit Trauer erfüllt ist über den herben Verlust, sind die Gedanken der Frau nur mit der Vergangenheit beschäftigt, ihre Seele lebt nur in der Erinnerung an die wonnigen Tage des glücklichen Zusammenlebens, und in dieser Zeit verbraucht sie gewöhnlich die Ersparnisse ihres Mannes, verkauft, was zu verkaufen ist, um den Haushalt fortzuführen. Aber wo nichts zufließt, ist die Quelle bald versiegt! Der Ernst des Lebens tritt an sie heran und rüttelt sie auf von ihrem träumerischen Leben; sie hat jetzt Vater- und Mutterpflichten zu erfüllen, ihre Kinder zu ernähren und zu erziehen und den guten Namen ihres Mannes in Ehren zu erhalten. Da erwacht sie aus ihrem schwärmerischen Dahinbrüten, es wird hell in ihrem Kopfe und sie sagt sich: „Du mußt etwas thun, was Du noch nie gethan hast,

Du mußt für Brot arbeiten!

Der Entschluß, schnell gereift durch die edlen Triebe der Mutterliebe, steht bei ihr fest und sie geht daran um zu arbeiten. Aber, meine geehrten Freundinnen, arbeiten wollen und arbeiten können ist zweierlei! Die Frau hat keine Arbeit gelernt, wovon man einen ordentlichen Hausstand erhalten kann, und die Arbeiten der Hauswirthschaft werden in die Cathegorie der Taglöhnerarbeit gezählt, die, ebenso wie die Nadelarbeit, den geringsten Lohn abwirft. Kann aber, selbst bei dem Arbeiten für geringen Lohn, eine anständige Bürgersfrau, nach unseren deutschen Begriffen von Schicklichkeit, Verrichtungen einer Dienstmagd versehen, zumal wenn sie Kinder zu erziehen und sittlich zu halten hat? Verzweiflung bemächtigt sich jetzt des Gemüthes der Wittwe, sie will arbeiten und kann nicht, sie muß ihre Kinder ernähren und weiß nicht von was!

Die Zahl dieser verzweifelnden Wittwen in Deutschland ist groß und ihr Jammergeschrei dringt in das Innere unserer Herzen. Hier gebietet es besonders die Macht der Verhältnisse, daß etwas Entschiedenes vorgenommen werde, um die Thränen der Wittwen zu trocknen und die Noth der Waisen abzuhelfen. Das einzige und

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[16/0016] sich bisher alle versuchten Hülfsmittel, wie Lebensversicherung, Wittwen- und Waisenkassen u. d. m. als unzureichend bewiesen. Hier sehen wir Fälle, wo das eheliche Leben ein beglückendes für beide Theile war; die Frau hat einen Mann gefunden, der mit ihr sympathisirte, alle ihre Wünsche befriedigte; sie suchte wieder seine Gedanken zu errathen, um seine Wünsche zu befriedigen, noch bevor er sie ausgesprochen, und so trugen sie gegenseitig dazu bei, einander Liebesdienste zu erweisen und zu beglücken. Doch mit des Geschickes ewigen Mächten ist kein sicherer Bund zu flechten. Das grause Geschick riß ihr den geliebten Gatten von ihrer Seite; er starb eines frühen Todes und mit ihm wurde ihr Lebensglück begraben. Die erste Zeit des Wittwenstandes, wo ihr Herz mit Trauer erfüllt ist über den herben Verlust, sind die Gedanken der Frau nur mit der Vergangenheit beschäftigt, ihre Seele lebt nur in der Erinnerung an die wonnigen Tage des glücklichen Zusammenlebens, und in dieser Zeit verbraucht sie gewöhnlich die Ersparnisse ihres Mannes, verkauft, was zu verkaufen ist, um den Haushalt fortzuführen. Aber wo nichts zufließt, ist die Quelle bald versiegt! Der Ernst des Lebens tritt an sie heran und rüttelt sie auf von ihrem träumerischen Leben; sie hat jetzt Vater- und Mutterpflichten zu erfüllen, ihre Kinder zu ernähren und zu erziehen und den guten Namen ihres Mannes in Ehren zu erhalten. Da erwacht sie aus ihrem schwärmerischen Dahinbrüten, es wird hell in ihrem Kopfe und sie sagt sich: „Du mußt etwas thun, was Du noch nie gethan hast, Du mußt für Brot arbeiten! Der Entschluß, schnell gereift durch die edlen Triebe der Mutterliebe, steht bei ihr fest und sie geht daran um zu arbeiten. Aber, meine geehrten Freundinnen, arbeiten wollen und arbeiten können ist zweierlei! Die Frau hat keine Arbeit gelernt, wovon man einen ordentlichen Hausstand erhalten kann, und die Arbeiten der Hauswirthschaft werden in die Cathegorie der Taglöhnerarbeit gezählt, die, ebenso wie die Nadelarbeit, den geringsten Lohn abwirft. Kann aber, selbst bei dem Arbeiten für geringen Lohn, eine anständige Bürgersfrau, nach unseren deutschen Begriffen von Schicklichkeit, Verrichtungen einer Dienstmagd versehen, zumal wenn sie Kinder zu erziehen und sittlich zu halten hat? Verzweiflung bemächtigt sich jetzt des Gemüthes der Wittwe, sie will arbeiten und kann nicht, sie muß ihre Kinder ernähren und weiß nicht von was! Die Zahl dieser verzweifelnden Wittwen in Deutschland ist groß und ihr Jammergeschrei dringt in das Innere unserer Herzen. Hier gebietet es besonders die Macht der Verhältnisse, daß etwas Entschiedenes vorgenommen werde, um die Thränen der Wittwen zu trocknen und die Noth der Waisen abzuhelfen. Das einzige und

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Zitationshilfe: Korn, Philipp Anton: Die erste deutsche Frauen-Conferenz in Leipzig. Leipzig, 1865, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/korn_frauenconferenz_1865/16>, abgerufen am 28.03.2024.