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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Fünfte Vorlesung.

Der weisse Dotter, der, wie Sie sehen (Fig. 2), eine Art Höhle
im Gelben einnimmt, besteht aus Flüssigkeit, aus kugeligen kleineren
Gebilden, die offenbar Fetttröpfchen sind, und aus Bläschen, die durch
ihre geringere Grösse (von 0,008--0,01''' im Mittel), eine sehr deut-
lich hervortretende zarte Hülle und durch die besondere Beschaffen-
heit des Inhaltes sich auszeichnen. Die meisten derselben nämlich
enthalten nichts als helle Flüssigkeit und einen grösseren Fetttropfen,
doch kommen ausser diesen auch solche vor, die eine gewisse Zahl
grösserer und kleinerer Fetttröpfchen führen oder mit solchen ganz
erfüllt sind, und finden sich diese Formen namentlich an der Grenze
zwischen weissem und gelbem Dotter in einer Mannigfaltigkeit, dass
man deutlich erkennt, dass die Elemente beider Dotterarten nicht
wesentlich verschieden sind.

Die Keimscheibe, der Discus proligerus, besteht aus grös-
seren und kleineren Fetttröpfchen und was das Keimbläschen
anlangt, so ist dasselbe ein grosses zartes Bläschen, das im Innern
Flüssigkeit und einige Körner, die Keimflecken, enthält, deren
spätere Schicksale noch nicht mit hinreichender Genauigkeit ver-
folgt sind. Die epithelartige Zellenschicht an der Innen-
fläche der Dotterhaut jüngerer Eierstockseier endlich besteht aus
Zellen, die von denen eines gewöhnlichen kleineren Pflasterepithels
in Nichts verschieden sind.

Vergleichung des
Eies des Huhnes
mit dem Säuge-
thierei.
Vergleichen Sie nun, nachdem Sie das Ei der Säugethiere und
der Vögel kennen, dieselben mit einander, so wird Ihnen eine solche
Verschiedenheit derselben entgegentreten, dass von selbst die Frage
sich aufdrängt, ob denn beiderlei Eier die nämliche Bedeutung
haben. Schon v. Baer, dem Entdecker des Säugethiereies, ist diese
Verschiedenheit aufgefallen und hat ihn zu dem eigenthümlichen
Ausspruche verleitet, dass das Säugethierei dem Keimbläschen des
Vogeleies und der Graaf'sche Follikel des Eierstocks dem gesamm-
ten Hühnerei entspreche. Später hat H. Meckel an der Hand der
neueren Erfahrungen diese Angelegenheit wieder aufgenommen
(Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. III), wobei er zu der Behauptung ge-
langte, dass der Discus proligerus und das Keimbläschen sammt
dem weissen Dotter des Hühnereies dem Säugethierei entspreche,
dagegen der gelbe Dotter, das Dotterepithel und die Dotterhaut dem
Corpus luteum gleichkomme. Dieser Vergleich von Meckel ist inso-
fern glücklicher als der von v. Baer, als derselbe nicht blos das
Keimbläschen, sondern auch einen Theil des Dotters dem Säuge-

Fünfte Vorlesung.

Der weisse Dotter, der, wie Sie sehen (Fig. 2), eine Art Höhle
im Gelben einnimmt, besteht aus Flüssigkeit, aus kugeligen kleineren
Gebilden, die offenbar Fetttröpfchen sind, und aus Bläschen, die durch
ihre geringere Grösse (von 0,008—0,01‴ im Mittel), eine sehr deut-
lich hervortretende zarte Hülle und durch die besondere Beschaffen-
heit des Inhaltes sich auszeichnen. Die meisten derselben nämlich
enthalten nichts als helle Flüssigkeit und einen grösseren Fetttropfen,
doch kommen ausser diesen auch solche vor, die eine gewisse Zahl
grösserer und kleinerer Fetttröpfchen führen oder mit solchen ganz
erfüllt sind, und finden sich diese Formen namentlich an der Grenze
zwischen weissem und gelbem Dotter in einer Mannigfaltigkeit, dass
man deutlich erkennt, dass die Elemente beider Dotterarten nicht
wesentlich verschieden sind.

Die Keimscheibe, der Discus proligerus, besteht aus grös-
seren und kleineren Fetttröpfchen und was das Keimbläschen
anlangt, so ist dasselbe ein grosses zartes Bläschen, das im Innern
Flüssigkeit und einige Körner, die Keimflecken, enthält, deren
spätere Schicksale noch nicht mit hinreichender Genauigkeit ver-
folgt sind. Die epithelartige Zellenschicht an der Innen-
fläche der Dotterhaut jüngerer Eierstockseier endlich besteht aus
Zellen, die von denen eines gewöhnlichen kleineren Pflasterepithels
in Nichts verschieden sind.

Vergleichung des
Eies des Huhnes
mit dem Säuge-
thierei.
Vergleichen Sie nun, nachdem Sie das Ei der Säugethiere und
der Vögel kennen, dieselben mit einander, so wird Ihnen eine solche
Verschiedenheit derselben entgegentreten, dass von selbst die Frage
sich aufdrängt, ob denn beiderlei Eier die nämliche Bedeutung
haben. Schon v. Baer, dem Entdecker des Säugethiereies, ist diese
Verschiedenheit aufgefallen und hat ihn zu dem eigenthümlichen
Ausspruche verleitet, dass das Säugethierei dem Keimbläschen des
Vogeleies und der Graaf’sche Follikel des Eierstocks dem gesamm-
ten Hühnerei entspreche. Später hat H. Meckel an der Hand der
neueren Erfahrungen diese Angelegenheit wieder aufgenommen
(Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. III), wobei er zu der Behauptung ge-
langte, dass der Discus proligerus und das Keimbläschen sammt
dem weissen Dotter des Hühnereies dem Säugethierei entspreche,
dagegen der gelbe Dotter, das Dotterepithel und die Dotterhaut dem
Corpus luteum gleichkomme. Dieser Vergleich von Meckel ist inso-
fern glücklicher als der von v. Baer, als derselbe nicht blos das
Keimbläschen, sondern auch einen Theil des Dotters dem Säuge-

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[26/0042] Fünfte Vorlesung. Der weisse Dotter, der, wie Sie sehen (Fig. 2), eine Art Höhle im Gelben einnimmt, besteht aus Flüssigkeit, aus kugeligen kleineren Gebilden, die offenbar Fetttröpfchen sind, und aus Bläschen, die durch ihre geringere Grösse (von 0,008—0,01‴ im Mittel), eine sehr deut- lich hervortretende zarte Hülle und durch die besondere Beschaffen- heit des Inhaltes sich auszeichnen. Die meisten derselben nämlich enthalten nichts als helle Flüssigkeit und einen grösseren Fetttropfen, doch kommen ausser diesen auch solche vor, die eine gewisse Zahl grösserer und kleinerer Fetttröpfchen führen oder mit solchen ganz erfüllt sind, und finden sich diese Formen namentlich an der Grenze zwischen weissem und gelbem Dotter in einer Mannigfaltigkeit, dass man deutlich erkennt, dass die Elemente beider Dotterarten nicht wesentlich verschieden sind. Die Keimscheibe, der Discus proligerus, besteht aus grös- seren und kleineren Fetttröpfchen und was das Keimbläschen anlangt, so ist dasselbe ein grosses zartes Bläschen, das im Innern Flüssigkeit und einige Körner, die Keimflecken, enthält, deren spätere Schicksale noch nicht mit hinreichender Genauigkeit ver- folgt sind. Die epithelartige Zellenschicht an der Innen- fläche der Dotterhaut jüngerer Eierstockseier endlich besteht aus Zellen, die von denen eines gewöhnlichen kleineren Pflasterepithels in Nichts verschieden sind. Vergleichen Sie nun, nachdem Sie das Ei der Säugethiere und der Vögel kennen, dieselben mit einander, so wird Ihnen eine solche Verschiedenheit derselben entgegentreten, dass von selbst die Frage sich aufdrängt, ob denn beiderlei Eier die nämliche Bedeutung haben. Schon v. Baer, dem Entdecker des Säugethiereies, ist diese Verschiedenheit aufgefallen und hat ihn zu dem eigenthümlichen Ausspruche verleitet, dass das Säugethierei dem Keimbläschen des Vogeleies und der Graaf’sche Follikel des Eierstocks dem gesamm- ten Hühnerei entspreche. Später hat H. Meckel an der Hand der neueren Erfahrungen diese Angelegenheit wieder aufgenommen (Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. III), wobei er zu der Behauptung ge- langte, dass der Discus proligerus und das Keimbläschen sammt dem weissen Dotter des Hühnereies dem Säugethierei entspreche, dagegen der gelbe Dotter, das Dotterepithel und die Dotterhaut dem Corpus luteum gleichkomme. Dieser Vergleich von Meckel ist inso- fern glücklicher als der von v. Baer, als derselbe nicht blos das Keimbläschen, sondern auch einen Theil des Dotters dem Säuge- Vergleichung des Eies des Huhnes mit dem Säuge- thierei.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/42>, abgerufen am 29.03.2024.