vielleicht auch dem Vaterlande, wichtig sind, von seiner häuslichen Lage, von dem Wohl¬ stande der Provinz, in welcher er lebt; Er redet mit Wärme, Redlichkeit athmet alles, was er sagt -- aber bald sieht er, wie sehr er sich in seiner Hofnung getäuscht hat; das Männchen hört ihm mit halbem Ohre zu, er¬ wiedert irgend ein Paar unbedeutende Sylben zur Antwort, und lässt dann den braven Haus¬ vater da stehn. Nun nähert er sich einem Cirkel von Leuten, die mit Interesse und Leb¬ haftigkeit zu reden scheinen; An diesem Gesprä¬ che wünscht er Theil zu nehmen; aber alles was er hört, Gegenstand, Sprache, Ausdruck, Wendung, alles ist ihm fremd. In halb teut¬ schen, halb französischen Wörtern wird hier eine Sache abgehandelt, auf welche er nie seine Aufmerksamkeit geschärft, von welcher er nie geglaubt hat, daß es möglich wäre, teutsche Männer könnten sich damit beschäftigen. Seine Verlegenheit, seine Ungeduld steigt mit jedem Augenblicke, bis er endlich das verwünschte Schloß weit hinter sich sieht.
Und nun, den Fall umgekehrt, lasse man einen sonst edeln Hofmann einmal hinaus auf
das
vielleicht auch dem Vaterlande, wichtig ſind, von ſeiner haͤuslichen Lage, von dem Wohl¬ ſtande der Provinz, in welcher er lebt; Er redet mit Waͤrme, Redlichkeit athmet alles, was er ſagt — aber bald ſieht er, wie ſehr er ſich in ſeiner Hofnung getaͤuſcht hat; das Maͤnnchen hoͤrt ihm mit halbem Ohre zu, er¬ wiedert irgend ein Paar unbedeutende Sylben zur Antwort, und laͤſſt dann den braven Haus¬ vater da ſtehn. Nun naͤhert er ſich einem Cirkel von Leuten, die mit Intereſſe und Leb¬ haftigkeit zu reden ſcheinen; An dieſem Geſpraͤ¬ che wuͤnſcht er Theil zu nehmen; aber alles was er hoͤrt, Gegenſtand, Sprache, Ausdruck, Wendung, alles iſt ihm fremd. In halb teut¬ ſchen, halb franzoͤſiſchen Woͤrtern wird hier eine Sache abgehandelt, auf welche er nie ſeine Aufmerkſamkeit geſchaͤrft, von welcher er nie geglaubt hat, daß es moͤglich waͤre, teutſche Maͤnner koͤnnten ſich damit beſchaͤftigen. Seine Verlegenheit, ſeine Ungeduld ſteigt mit jedem Augenblicke, bis er endlich das verwuͤnſchte Schloß weit hinter ſich ſieht.
Und nun, den Fall umgekehrt, laſſe man einen ſonſt edeln Hofmann einmal hinaus auf
das
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vielleicht auch dem Vaterlande, wichtig ſind,
von ſeiner haͤuslichen Lage, von dem Wohl¬
ſtande der Provinz, in welcher er lebt; Er
redet mit Waͤrme, Redlichkeit athmet alles,
was er ſagt — aber bald ſieht er, wie ſehr
er ſich in ſeiner Hofnung getaͤuſcht hat; das
Maͤnnchen hoͤrt ihm mit halbem Ohre zu, er¬
wiedert irgend ein Paar unbedeutende Sylben
zur Antwort, und laͤſſt dann den braven Haus¬
vater da ſtehn. Nun naͤhert er ſich einem
Cirkel von Leuten, die mit Intereſſe und Leb¬
haftigkeit zu reden ſcheinen; An dieſem Geſpraͤ¬
che wuͤnſcht er Theil zu nehmen; aber alles
was er hoͤrt, Gegenſtand, Sprache, Ausdruck,
Wendung, alles iſt ihm fremd. In halb teut¬
ſchen, halb franzoͤſiſchen Woͤrtern wird hier eine
Sache abgehandelt, auf welche er nie ſeine
Aufmerkſamkeit geſchaͤrft, von welcher er nie
geglaubt hat, daß es moͤglich waͤre, teutſche
Maͤnner koͤnnten ſich damit beſchaͤftigen. Seine
Verlegenheit, ſeine Ungeduld ſteigt mit jedem
Augenblicke, bis er endlich das verwuͤnſchte
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/50>, abgerufen am 25.04.2024.
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