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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Patentgesetzgebung im Auslande.
beseitigt worden. In Belgien, wo nach dem niederländischen
Gesetze vom 25. Januar 1817 das blosse Anmeldungsverfahren
hergebracht war, wurde im Jahre 1850 von der zur Ausar-
beitung eines neuen Patentgesetzes eingesetzten Commission
vorgeschlagen, das Vorprüfungsverfahren in Verbindung mit
dem Aufgebotsverfahren einzuführen. Dieser Vorschlag wurde
indess verworfen und in dem neuen Patentgesetze vom 24. Mai
1854 das blosse Anmeldeverfahren ohne vorgängige Publication
der Gesuche beibehalten. Auch in Frankreich wurden diesel-
ben Grundsätze durch das neue Patentgesetz vom 5. Juni 1844
beibehalten. Dieses Gesetz bildete die fast unveränderte Grund-
lage des italienischen Gesetzes vom 12. März 1855, und auch
in dem neueren Patentgesetze für das Königreich Italien vom
30. October 1859 sind die Principien des Anmeldungsverfah-
rens unverändert beibehalten. In Grossbritannien wurde die
Reform des durch unerschwingliche Kosten und durch miss-
bräuchliche Praxis verderbten Patentwesens aus Anlass der
ersten allgemeinen Weltausstellung von 1851 angeregt und
durch die Acte vom 1. Juli 1852 (15. 16 Victoria cap. 83) zur
Ausführung gebracht. Das alte System der Caveats, d. h. der
zum voraus angemeldeten Einsprüche, wurde durch ein Ver-
fahren des öffentlichen Aufgebotes ersetzt und dem Erfinder
bis zur Erledigung seines Patentgesuches ein vorläufiger Schutz
gewährt. Endlich wurden die besondern Patentämter für die
drei Königreiche zu einem einzigen vereinigt. Auch die übrigen
europäischen Staaten haben zu verschiedenen Zeiten die Erthei-
lung von Erfindungspatenten gesetzlich geregelt, indem sie sich
bald dem einen, bald dem andern der herrschenden Systeme
anschlossen. (Vergl. §. 10.)

Die internationalen Beziehungen einer Gemein-
samkeit und Gegenseitigkeit des Patentschutzes blieben dage-
gen bisher auf die Grenzen des Zollvereines beschränkt. Nur
in dem Handelsvertrage zwischen dem Zollvereine und Oester-
reich vom 11. April 1865 wurden weitere Verhandlungen über
die Herbeiführung einer gemeinsamen Gesetzgebung vorbehalten.

Die Fortschritte, welche die Patentgesetzgebung im lau-
fenden Jahrhunderte gemacht hat, sind also auf dem Ge-
biete des internationalen Rechtes sehr gering und stehen in
keinem Verhältnisse zu der Entwickelung des internationalen
Verkehrs und der alle Staaten Europas immer enger umfas-

Patentgesetzgebung im Auslande.
beseitigt worden. In Belgien, wo nach dem niederländischen
Gesetze vom 25. Januar 1817 das blosse Anmeldungsverfahren
hergebracht war, wurde im Jahre 1850 von der zur Ausar-
beitung eines neuen Patentgesetzes eingesetzten Commission
vorgeschlagen, das Vorprüfungsverfahren in Verbindung mit
dem Aufgebotsverfahren einzuführen. Dieser Vorschlag wurde
indess verworfen und in dem neuen Patentgesetze vom 24. Mai
1854 das blosse Anmeldeverfahren ohne vorgängige Publication
der Gesuche beibehalten. Auch in Frankreich wurden diesel-
ben Grundsätze durch das neue Patentgesetz vom 5. Juni 1844
beibehalten. Dieses Gesetz bildete die fast unveränderte Grund-
lage des italienischen Gesetzes vom 12. März 1855, und auch
in dem neueren Patentgesetze für das Königreich Italien vom
30. October 1859 sind die Principien des Anmeldungsverfah-
rens unverändert beibehalten. In Grossbritannien wurde die
Reform des durch unerschwingliche Kosten und durch miss-
bräuchliche Praxis verderbten Patentwesens aus Anlass der
ersten allgemeinen Weltausstellung von 1851 angeregt und
durch die Acte vom 1. Juli 1852 (15. 16 Victoria cap. 83) zur
Ausführung gebracht. Das alte System der Caveats, d. h. der
zum voraus angemeldeten Einsprüche, wurde durch ein Ver-
fahren des öffentlichen Aufgebotes ersetzt und dem Erfinder
bis zur Erledigung seines Patentgesuches ein vorläufiger Schutz
gewährt. Endlich wurden die besondern Patentämter für die
drei Königreiche zu einem einzigen vereinigt. Auch die übrigen
europäischen Staaten haben zu verschiedenen Zeiten die Erthei-
lung von Erfindungspatenten gesetzlich geregelt, indem sie sich
bald dem einen, bald dem andern der herrschenden Systeme
anschlossen. (Vergl. §. 10.)

Die internationalen Beziehungen einer Gemein-
samkeit und Gegenseitigkeit des Patentschutzes blieben dage-
gen bisher auf die Grenzen des Zollvereines beschränkt. Nur
in dem Handelsvertrage zwischen dem Zollvereine und Oester-
reich vom 11. April 1865 wurden weitere Verhandlungen über
die Herbeiführung einer gemeinsamen Gesetzgebung vorbehalten.

Die Fortschritte, welche die Patentgesetzgebung im lau-
fenden Jahrhunderte gemacht hat, sind also auf dem Ge-
biete des internationalen Rechtes sehr gering und stehen in
keinem Verhältnisse zu der Entwickelung des internationalen
Verkehrs und der alle Staaten Europas immer enger umfas-

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[71/0087] Patentgesetzgebung im Auslande. beseitigt worden. In Belgien, wo nach dem niederländischen Gesetze vom 25. Januar 1817 das blosse Anmeldungsverfahren hergebracht war, wurde im Jahre 1850 von der zur Ausar- beitung eines neuen Patentgesetzes eingesetzten Commission vorgeschlagen, das Vorprüfungsverfahren in Verbindung mit dem Aufgebotsverfahren einzuführen. Dieser Vorschlag wurde indess verworfen und in dem neuen Patentgesetze vom 24. Mai 1854 das blosse Anmeldeverfahren ohne vorgängige Publication der Gesuche beibehalten. Auch in Frankreich wurden diesel- ben Grundsätze durch das neue Patentgesetz vom 5. Juni 1844 beibehalten. Dieses Gesetz bildete die fast unveränderte Grund- lage des italienischen Gesetzes vom 12. März 1855, und auch in dem neueren Patentgesetze für das Königreich Italien vom 30. October 1859 sind die Principien des Anmeldungsverfah- rens unverändert beibehalten. In Grossbritannien wurde die Reform des durch unerschwingliche Kosten und durch miss- bräuchliche Praxis verderbten Patentwesens aus Anlass der ersten allgemeinen Weltausstellung von 1851 angeregt und durch die Acte vom 1. Juli 1852 (15. 16 Victoria cap. 83) zur Ausführung gebracht. Das alte System der Caveats, d. h. der zum voraus angemeldeten Einsprüche, wurde durch ein Ver- fahren des öffentlichen Aufgebotes ersetzt und dem Erfinder bis zur Erledigung seines Patentgesuches ein vorläufiger Schutz gewährt. Endlich wurden die besondern Patentämter für die drei Königreiche zu einem einzigen vereinigt. Auch die übrigen europäischen Staaten haben zu verschiedenen Zeiten die Erthei- lung von Erfindungspatenten gesetzlich geregelt, indem sie sich bald dem einen, bald dem andern der herrschenden Systeme anschlossen. (Vergl. §. 10.) Die internationalen Beziehungen einer Gemein- samkeit und Gegenseitigkeit des Patentschutzes blieben dage- gen bisher auf die Grenzen des Zollvereines beschränkt. Nur in dem Handelsvertrage zwischen dem Zollvereine und Oester- reich vom 11. April 1865 wurden weitere Verhandlungen über die Herbeiführung einer gemeinsamen Gesetzgebung vorbehalten. Die Fortschritte, welche die Patentgesetzgebung im lau- fenden Jahrhunderte gemacht hat, sind also auf dem Ge- biete des internationalen Rechtes sehr gering und stehen in keinem Verhältnisse zu der Entwickelung des internationalen Verkehrs und der alle Staaten Europas immer enger umfas-

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/87>, abgerufen am 19.04.2024.