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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Französische Fabrikreglements.
zum Verrath von Fabrikgeheimnissen, in denen oft das Ver-
mögen des Fabrikanten besteht, zum Eindringen in die Ge-
schäftslage, deren Blossstellung den Credit desselben erschüttert.
Ich sah an einem einzigen Morgen 80, 90, 100 Stücke Tuch
zerschneiden und sah diese Scene von Woche zu Woche viele
Jahre hindurch sich wiederholen. Ich sah, wie an den Markt-
tagen Waaren öffentlich verbrannt oder mit dem Namen des
Fabrikanten an den Schandpfahl geschlagen wurden mit der
Drohung, dass im Rückfalle der Fabrikant selbst dort ausge-
stellt werde -- und das Alles warum? Allein wegen eines
gemischten Stoffes, wegen eines ungleichen Gewebes, wegen
eines Fadens, der in der Kette zu wenig war, wegen eines nur
aus Unachtsamkeit gebrauchten Namens oder gar wegen einer
nicht ganz echten, doch für echt ausgegebenen Farbe!"

Es ist bereits erwähnt, dass Turgot den vergeblichen Ver-
such zur Aufhebung der Zünfte durch das Edict vom 12. März
1776 machte, welches schon am 28. August desselben Jahres
wieder aufgehoben wurde. Erfolgreicher war das Unternehmen
Neckers, welcher im Jahre 1778 die Aufhebung der Fabriken-
reglements in Vorschlag brachte. Zwar scheiterte die voll-
ständige Aufhebung an dem egoistischen und verblendeten Wi-
derstande vieler Fabrikanten, welche nicht auf das durch die
Reglements begründete Monopol verzichten wollten. Allein es
geschah ein bedeutender Schritt in der Richtung der freien
Bewegung durch das Patent vom 5. Mai 1779, welches neben
der reglementirten Fabrication die nicht reglementirte Fabri-
cation für alle neuen Waaren und Stoffe gestattete.

Es war natürlich, dass durch diese Neuerung die alten
Fabricationsmonopole in kurzer Zeit zu Grabe getragen wurden.
Die französische Industrie war aber durch ihre Erziehung unter
dem Zwange der Reglements an einen Schutz gegen Nachah-
mung gewöhnt; und dieser Schutz hatte für die wichtigsten,
dem Dienste der Mode und des Luxus gewidmeten Zweige der
französischen Industrie eine vorwiegende Bedeutung. Daher
folgte dem Edicte von 1779 schon nach acht Jahren der Staats-
rathsbeschluss vom 14. Juli 1787, welcher den Fabricanten das
Recht gab, sich die von ihnen oder für ihre Rechnung erfun-
denen Muster durch Hinterlegung derselben zum ausschliess-
lichen Gebrauche für 15 Jahre zu sichern. An die Stelle des
Beschlusses von 1787 trat dann das Decret vom 18. März 1806,

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Französische Fabrikreglements.
zum Verrath von Fabrikgeheimnissen, in denen oft das Ver-
mögen des Fabrikanten besteht, zum Eindringen in die Ge-
schäftslage, deren Blossstellung den Credit desselben erschüttert.
Ich sah an einem einzigen Morgen 80, 90, 100 Stücke Tuch
zerschneiden und sah diese Scene von Woche zu Woche viele
Jahre hindurch sich wiederholen. Ich sah, wie an den Markt-
tagen Waaren öffentlich verbrannt oder mit dem Namen des
Fabrikanten an den Schandpfahl geschlagen wurden mit der
Drohung, dass im Rückfalle der Fabrikant selbst dort ausge-
stellt werde — und das Alles warum? Allein wegen eines
gemischten Stoffes, wegen eines ungleichen Gewebes, wegen
eines Fadens, der in der Kette zu wenig war, wegen eines nur
aus Unachtsamkeit gebrauchten Namens oder gar wegen einer
nicht ganz echten, doch für echt ausgegebenen Farbe!«

Es ist bereits erwähnt, dass Turgot den vergeblichen Ver-
such zur Aufhebung der Zünfte durch das Edict vom 12. März
1776 machte, welches schon am 28. August desselben Jahres
wieder aufgehoben wurde. Erfolgreicher war das Unternehmen
Neckers, welcher im Jahre 1778 die Aufhebung der Fabriken-
reglements in Vorschlag brachte. Zwar scheiterte die voll-
ständige Aufhebung an dem egoistischen und verblendeten Wi-
derstande vieler Fabrikanten, welche nicht auf das durch die
Reglements begründete Monopol verzichten wollten. Allein es
geschah ein bedeutender Schritt in der Richtung der freien
Bewegung durch das Patent vom 5. Mai 1779, welches neben
der reglementirten Fabrication die nicht reglementirte Fabri-
cation für alle neuen Waaren und Stoffe gestattete.

Es war natürlich, dass durch diese Neuerung die alten
Fabricationsmonopole in kurzer Zeit zu Grabe getragen wurden.
Die französische Industrie war aber durch ihre Erziehung unter
dem Zwange der Reglements an einen Schutz gegen Nachah-
mung gewöhnt; und dieser Schutz hatte für die wichtigsten,
dem Dienste der Mode und des Luxus gewidmeten Zweige der
französischen Industrie eine vorwiegende Bedeutung. Daher
folgte dem Edicte von 1779 schon nach acht Jahren der Staats-
rathsbeschluss vom 14. Juli 1787, welcher den Fabricanten das
Recht gab, sich die von ihnen oder für ihre Rechnung erfun-
denen Muster durch Hinterlegung derselben zum ausschliess-
lichen Gebrauche für 15 Jahre zu sichern. An die Stelle des
Beschlusses von 1787 trat dann das Decret vom 18. März 1806,

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[65/0081] Französische Fabrikreglements. zum Verrath von Fabrikgeheimnissen, in denen oft das Ver- mögen des Fabrikanten besteht, zum Eindringen in die Ge- schäftslage, deren Blossstellung den Credit desselben erschüttert. Ich sah an einem einzigen Morgen 80, 90, 100 Stücke Tuch zerschneiden und sah diese Scene von Woche zu Woche viele Jahre hindurch sich wiederholen. Ich sah, wie an den Markt- tagen Waaren öffentlich verbrannt oder mit dem Namen des Fabrikanten an den Schandpfahl geschlagen wurden mit der Drohung, dass im Rückfalle der Fabrikant selbst dort ausge- stellt werde — und das Alles warum? Allein wegen eines gemischten Stoffes, wegen eines ungleichen Gewebes, wegen eines Fadens, der in der Kette zu wenig war, wegen eines nur aus Unachtsamkeit gebrauchten Namens oder gar wegen einer nicht ganz echten, doch für echt ausgegebenen Farbe!« Es ist bereits erwähnt, dass Turgot den vergeblichen Ver- such zur Aufhebung der Zünfte durch das Edict vom 12. März 1776 machte, welches schon am 28. August desselben Jahres wieder aufgehoben wurde. Erfolgreicher war das Unternehmen Neckers, welcher im Jahre 1778 die Aufhebung der Fabriken- reglements in Vorschlag brachte. Zwar scheiterte die voll- ständige Aufhebung an dem egoistischen und verblendeten Wi- derstande vieler Fabrikanten, welche nicht auf das durch die Reglements begründete Monopol verzichten wollten. Allein es geschah ein bedeutender Schritt in der Richtung der freien Bewegung durch das Patent vom 5. Mai 1779, welches neben der reglementirten Fabrication die nicht reglementirte Fabri- cation für alle neuen Waaren und Stoffe gestattete. Es war natürlich, dass durch diese Neuerung die alten Fabricationsmonopole in kurzer Zeit zu Grabe getragen wurden. Die französische Industrie war aber durch ihre Erziehung unter dem Zwange der Reglements an einen Schutz gegen Nachah- mung gewöhnt; und dieser Schutz hatte für die wichtigsten, dem Dienste der Mode und des Luxus gewidmeten Zweige der französischen Industrie eine vorwiegende Bedeutung. Daher folgte dem Edicte von 1779 schon nach acht Jahren der Staats- rathsbeschluss vom 14. Juli 1787, welcher den Fabricanten das Recht gab, sich die von ihnen oder für ihre Rechnung erfun- denen Muster durch Hinterlegung derselben zum ausschliess- lichen Gebrauche für 15 Jahre zu sichern. An die Stelle des Beschlusses von 1787 trat dann das Decret vom 18. März 1806, 5

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/81>, abgerufen am 20.04.2024.