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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Vertheuerung der Literatur.
hat? Es ist offenbar mehr als ein Trugschluss, wenn Carey
(S. 11 u. 22) behauptet, dass Schriftsteller dieser Art Ideen,
die Gemeingut geworden, sich aneigneten, um daraus, wie aus
fremdem Flachse Linnen und aus fremdem Baumateriale Häuser
zu fertigen und demnächst für das verwandte fremde Material
Bezahlung zu fordern. Er selbst muss (S. 80) zugeben, dass
ja auch andere Personen sich desselben Ideenstoffes bemäch-
tigen und ihn mit gleicher Belesenheit und Gewandtheit ver-
arbeiten können. Der Vorwurf des Diebstahls trifft also nicht
die, welche benutzen, was jedem zu benutzen frei steht, und
keinem durch die Benutzung entzogen wird, sondern diejenigen,
welche, statt selbst zu verarbeiten, fremde Arbeit zu Markte
bringen.

Die einzige Antwort, welche dem Vertheidiger des Nach-
drucks übrig bleibt, ist die, dass durch die Anerkennung des
Verlagsrechtes ein Monopol geschaffen wird, welches die Lite-
ratur vertheuert, dass die Bezahlung des literarischen Eigen-
thumes an den in Amerika verbrauchten englischen Büchern
jährlich den Betrag von 7 Millionen Dollar erfordern würde
(S. 77) und mit diesem Resultate sowie mit einer Lobrede
auf amerikanische Massenbildung schliesst die Schrift, an deren
Spitze der Satz gestellt ist (S. 6):

"Wenn man nichts Besseres sagen kann als dieses: dass
wenn wir die Ansprüche der fremden Schriftsteller zugestan-
den, der Preis der Bücher steigen und das Volk seines ge-
wohnten Bezugs an billiger Literatur beraubt würde -- so
können wir uns ebenso gut ohne weiteres des Raubes schul-
dig bekennen und ein neues ehrlicheres Verfahren einschla-
gen. Man darf nichts Uebles thun, damit Gutes daraus
entstehe und ebensowenig dürfen wir die Gedanken eines
Schriftstellers stehlen, damit unser Volk billig unterrichtet
werde."

Worte, die am Schlusse dieser Schutzschrift für den amerika-
nischen Nachdruck wiederholt, die strengste Verurtheilung des-
selben aussprechen würden.1)

1) Neuerdings sind amerikanische Buchhändler mehrfach bemüht
gewesen, die Ungerechtigkeit ihrer einheimischen Gesetzgebung gegen
ausländische Schriftsteller durch Gewährung freiwilliger Honorare aus-
zugleichen. So erhielt Charles Dickens von zwei amerikanischen Ver-
lagsfirmen für den Nachdruck seiner Werke ein Honorar von 60000 Dollars.

Vertheuerung der Literatur.
hat? Es ist offenbar mehr als ein Trugschluss, wenn Carey
(S. 11 u. 22) behauptet, dass Schriftsteller dieser Art Ideen,
die Gemeingut geworden, sich aneigneten, um daraus, wie aus
fremdem Flachse Linnen und aus fremdem Baumateriale Häuser
zu fertigen und demnächst für das verwandte fremde Material
Bezahlung zu fordern. Er selbst muss (S. 80) zugeben, dass
ja auch andere Personen sich desselben Ideenstoffes bemäch-
tigen und ihn mit gleicher Belesenheit und Gewandtheit ver-
arbeiten können. Der Vorwurf des Diebstahls trifft also nicht
die, welche benutzen, was jedem zu benutzen frei steht, und
keinem durch die Benutzung entzogen wird, sondern diejenigen,
welche, statt selbst zu verarbeiten, fremde Arbeit zu Markte
bringen.

Die einzige Antwort, welche dem Vertheidiger des Nach-
drucks übrig bleibt, ist die, dass durch die Anerkennung des
Verlagsrechtes ein Monopol geschaffen wird, welches die Lite-
ratur vertheuert, dass die Bezahlung des literarischen Eigen-
thumes an den in Amerika verbrauchten englischen Büchern
jährlich den Betrag von 7 Millionen Dollar erfordern würde
(S. 77) und mit diesem Resultate sowie mit einer Lobrede
auf amerikanische Massenbildung schliesst die Schrift, an deren
Spitze der Satz gestellt ist (S. 6):

„Wenn man nichts Besseres sagen kann als dieses: dass
wenn wir die Ansprüche der fremden Schriftsteller zugestan-
den, der Preis der Bücher steigen und das Volk seines ge-
wohnten Bezugs an billiger Literatur beraubt würde — so
können wir uns ebenso gut ohne weiteres des Raubes schul-
dig bekennen und ein neues ehrlicheres Verfahren einschla-
gen. Man darf nichts Uebles thun, damit Gutes daraus
entstehe und ebensowenig dürfen wir die Gedanken eines
Schriftstellers stehlen, damit unser Volk billig unterrichtet
werde.“

Worte, die am Schlusse dieser Schutzschrift für den amerika-
nischen Nachdruck wiederholt, die strengste Verurtheilung des-
selben aussprechen würden.1)

1) Neuerdings sind amerikanische Buchhändler mehrfach bemüht
gewesen, die Ungerechtigkeit ihrer einheimischen Gesetzgebung gegen
ausländische Schriftsteller durch Gewährung freiwilliger Honorare aus-
zugleichen. So erhielt Charles Dickens von zwei amerikanischen Ver-
lagsfirmen für den Nachdruck seiner Werke ein Honorar von 60000 Dollars.
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[29/0045] Vertheuerung der Literatur. hat? Es ist offenbar mehr als ein Trugschluss, wenn Carey (S. 11 u. 22) behauptet, dass Schriftsteller dieser Art Ideen, die Gemeingut geworden, sich aneigneten, um daraus, wie aus fremdem Flachse Linnen und aus fremdem Baumateriale Häuser zu fertigen und demnächst für das verwandte fremde Material Bezahlung zu fordern. Er selbst muss (S. 80) zugeben, dass ja auch andere Personen sich desselben Ideenstoffes bemäch- tigen und ihn mit gleicher Belesenheit und Gewandtheit ver- arbeiten können. Der Vorwurf des Diebstahls trifft also nicht die, welche benutzen, was jedem zu benutzen frei steht, und keinem durch die Benutzung entzogen wird, sondern diejenigen, welche, statt selbst zu verarbeiten, fremde Arbeit zu Markte bringen. Die einzige Antwort, welche dem Vertheidiger des Nach- drucks übrig bleibt, ist die, dass durch die Anerkennung des Verlagsrechtes ein Monopol geschaffen wird, welches die Lite- ratur vertheuert, dass die Bezahlung des literarischen Eigen- thumes an den in Amerika verbrauchten englischen Büchern jährlich den Betrag von 7 Millionen Dollar erfordern würde (S. 77) und mit diesem Resultate sowie mit einer Lobrede auf amerikanische Massenbildung schliesst die Schrift, an deren Spitze der Satz gestellt ist (S. 6): „Wenn man nichts Besseres sagen kann als dieses: dass wenn wir die Ansprüche der fremden Schriftsteller zugestan- den, der Preis der Bücher steigen und das Volk seines ge- wohnten Bezugs an billiger Literatur beraubt würde — so können wir uns ebenso gut ohne weiteres des Raubes schul- dig bekennen und ein neues ehrlicheres Verfahren einschla- gen. Man darf nichts Uebles thun, damit Gutes daraus entstehe und ebensowenig dürfen wir die Gedanken eines Schriftstellers stehlen, damit unser Volk billig unterrichtet werde.“ Worte, die am Schlusse dieser Schutzschrift für den amerika- nischen Nachdruck wiederholt, die strengste Verurtheilung des- selben aussprechen würden. 1) 1) Neuerdings sind amerikanische Buchhändler mehrfach bemüht gewesen, die Ungerechtigkeit ihrer einheimischen Gesetzgebung gegen ausländische Schriftsteller durch Gewährung freiwilliger Honorare aus- zugleichen. So erhielt Charles Dickens von zwei amerikanischen Ver- lagsfirmen für den Nachdruck seiner Werke ein Honorar von 60000 Dollars.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/45>, abgerufen am 28.03.2024.