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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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I. Einleitung. §. 5. Angriffe auf das geistige Eigenthum.
dargestellt werden, gelten Owen und Locke als Schöpfer neuer
fruchtbarer Ideen. Dickens, der jedenfalls nicht aus Büchern
compilirte, sondern nach Careys Ansicht "ein sehr gründ-
licher Beobachter von Menschen und Dingen war und dadurch
in den Stand gesetzt wurde, eine grosse Zahl von Thatsachen
zu sammeln," findet gleichwohl nicht mehr Gnade vor den
Augen des amerikanischen Verlegers, als alle übrigen noch
lebenden, und von ihrem Verlagsrechte lebenden Schriftsteller.
Fox und Pitt und Peel, "die nur Ideen, welche Gemeingut
waren, zu Zwecken des Augenblicks wiedergaben, ohne dass
die Welt dadurch weiser geworden," würden jedenfalls gegen
ihre Verurtheilung einwenden dürfen, dass sie niemals ein Ver-
lagsrecht an ihren Reden in Anspruch genommen haben. An
den Werken der grossen Todten, von Baco von Verulam und
Descartes bis auf Davy und Cuvier endlich würde auch nach
den heutigen Gesetzen jedes Verlagsrecht längst erloschen sein,
so dass sie und ihre Erben unmöglich ein pecuniäres Interesse
daran haben könnten, ob ihre Werke heute noch gekauft und
gelesen werden oder nicht, und ob ein Verlagsrecht und für wel-
che schriftstellerischen Leistungen gewährt werden soll. Von
den Zeitgenossen führt Carey (S. 27) auf der Seite der ver-
dienstvollen und unbelohnten Schriftsteller nur den einzigen,
Alexander v. Humboldt an und zwar im Gewande eines nur
für amerikanische Leser geniessbaren Mährchens, wonach Hum-
boldt (der Freund und tägliche Genosse seines Königs) von
einer Gnadenpension von kaum 500 Dollar per Jahr sein Leben
fristete und zu arm war, um selbst Exemplare seiner eigenen
Werke zu besitzen.

Allein wenn die gewählten Beispiele ebenso richtig und
treffend wären, als sie grösstentheils ungenau und verfehlt
zu nennen sind, so würden sie doch nichts Anderes beweisen,
als dass das Verlagsrecht kein Aequivalent für die höchsten
Leistungen der geistigen Thätigkeit zu geben vermag und dass
durch eine gewandte Verarbeitung fremder Gedanken mitunter
ein grosser buchhändlerischer Ertrag erlangt werden kann.
Berechtigt aber diese Thatsache, fremde Werke ohne Erlaubniss
des Autors abzudrucken? oder wird der Nachdruck von 125000
Exemplaren des Macaulayschen Werkes dadurch entschuldigt,
dass Macaulay fremde Forschungen und Ideen benutzt und wie
Carey meint, nur die Früchte seiner Belesenheit wiedergegeben

I. Einleitung. §. 5. Angriffe auf das geistige Eigenthum.
dargestellt werden, gelten Owen und Locke als Schöpfer neuer
fruchtbarer Ideen. Dickens, der jedenfalls nicht aus Büchern
compilirte, sondern nach Careys Ansicht „ein sehr gründ-
licher Beobachter von Menschen und Dingen war und dadurch
in den Stand gesetzt wurde, eine grosse Zahl von Thatsachen
zu sammeln,“ findet gleichwohl nicht mehr Gnade vor den
Augen des amerikanischen Verlegers, als alle übrigen noch
lebenden, und von ihrem Verlagsrechte lebenden Schriftsteller.
Fox und Pitt und Peel, „die nur Ideen, welche Gemeingut
waren, zu Zwecken des Augenblicks wiedergaben, ohne dass
die Welt dadurch weiser geworden,“ würden jedenfalls gegen
ihre Verurtheilung einwenden dürfen, dass sie niemals ein Ver-
lagsrecht an ihren Reden in Anspruch genommen haben. An
den Werken der grossen Todten, von Baco von Verulam und
Descartes bis auf Davy und Cuvier endlich würde auch nach
den heutigen Gesetzen jedes Verlagsrecht längst erloschen sein,
so dass sie und ihre Erben unmöglich ein pecuniäres Interesse
daran haben könnten, ob ihre Werke heute noch gekauft und
gelesen werden oder nicht, und ob ein Verlagsrecht und für wel-
che schriftstellerischen Leistungen gewährt werden soll. Von
den Zeitgenossen führt Carey (S. 27) auf der Seite der ver-
dienstvollen und unbelohnten Schriftsteller nur den einzigen,
Alexander v. Humboldt an und zwar im Gewande eines nur
für amerikanische Leser geniessbaren Mährchens, wonach Hum-
boldt (der Freund und tägliche Genosse seines Königs) von
einer Gnadenpension von kaum 500 Dollar per Jahr sein Leben
fristete und zu arm war, um selbst Exemplare seiner eigenen
Werke zu besitzen.

Allein wenn die gewählten Beispiele ebenso richtig und
treffend wären, als sie grösstentheils ungenau und verfehlt
zu nennen sind, so würden sie doch nichts Anderes beweisen,
als dass das Verlagsrecht kein Aequivalent für die höchsten
Leistungen der geistigen Thätigkeit zu geben vermag und dass
durch eine gewandte Verarbeitung fremder Gedanken mitunter
ein grosser buchhändlerischer Ertrag erlangt werden kann.
Berechtigt aber diese Thatsache, fremde Werke ohne Erlaubniss
des Autors abzudrucken? oder wird der Nachdruck von 125000
Exemplaren des Macaulayschen Werkes dadurch entschuldigt,
dass Macaulay fremde Forschungen und Ideen benutzt und wie
Carey meint, nur die Früchte seiner Belesenheit wiedergegeben

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[28/0044] I. Einleitung. §. 5. Angriffe auf das geistige Eigenthum. dargestellt werden, gelten Owen und Locke als Schöpfer neuer fruchtbarer Ideen. Dickens, der jedenfalls nicht aus Büchern compilirte, sondern nach Careys Ansicht „ein sehr gründ- licher Beobachter von Menschen und Dingen war und dadurch in den Stand gesetzt wurde, eine grosse Zahl von Thatsachen zu sammeln,“ findet gleichwohl nicht mehr Gnade vor den Augen des amerikanischen Verlegers, als alle übrigen noch lebenden, und von ihrem Verlagsrechte lebenden Schriftsteller. Fox und Pitt und Peel, „die nur Ideen, welche Gemeingut waren, zu Zwecken des Augenblicks wiedergaben, ohne dass die Welt dadurch weiser geworden,“ würden jedenfalls gegen ihre Verurtheilung einwenden dürfen, dass sie niemals ein Ver- lagsrecht an ihren Reden in Anspruch genommen haben. An den Werken der grossen Todten, von Baco von Verulam und Descartes bis auf Davy und Cuvier endlich würde auch nach den heutigen Gesetzen jedes Verlagsrecht längst erloschen sein, so dass sie und ihre Erben unmöglich ein pecuniäres Interesse daran haben könnten, ob ihre Werke heute noch gekauft und gelesen werden oder nicht, und ob ein Verlagsrecht und für wel- che schriftstellerischen Leistungen gewährt werden soll. Von den Zeitgenossen führt Carey (S. 27) auf der Seite der ver- dienstvollen und unbelohnten Schriftsteller nur den einzigen, Alexander v. Humboldt an und zwar im Gewande eines nur für amerikanische Leser geniessbaren Mährchens, wonach Hum- boldt (der Freund und tägliche Genosse seines Königs) von einer Gnadenpension von kaum 500 Dollar per Jahr sein Leben fristete und zu arm war, um selbst Exemplare seiner eigenen Werke zu besitzen. Allein wenn die gewählten Beispiele ebenso richtig und treffend wären, als sie grösstentheils ungenau und verfehlt zu nennen sind, so würden sie doch nichts Anderes beweisen, als dass das Verlagsrecht kein Aequivalent für die höchsten Leistungen der geistigen Thätigkeit zu geben vermag und dass durch eine gewandte Verarbeitung fremder Gedanken mitunter ein grosser buchhändlerischer Ertrag erlangt werden kann. Berechtigt aber diese Thatsache, fremde Werke ohne Erlaubniss des Autors abzudrucken? oder wird der Nachdruck von 125000 Exemplaren des Macaulayschen Werkes dadurch entschuldigt, dass Macaulay fremde Forschungen und Ideen benutzt und wie Carey meint, nur die Früchte seiner Belesenheit wiedergegeben

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/44>, abgerufen am 29.03.2024.