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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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IX. Verfolgung des Nachdrucks. §. 41. Confiscation.

Für das Preussische Recht lässt sich dieses Eigenthums-
recht des Autors oder des rechtmässigen Verlegers nur aus der
Natur des geistigen Eigenthumes folgern. Es ist aber nicht
zweifelhaft, dass diese Folgerung, soweit sie den einfachen und
unveränderten Nachdruck betrifft, eine durchaus berechtigte ist.

Dies ist für den Fall einer Vervielfältigung von Kunstwer-
ken durch das Erkenntniss des Obertribunals vom 18. Juni 1856
in folgendem Rechtsfalle anerkannt1):

Der Bildhauer Drake trug dem Erzgiesser W. in Berlin
im Jahre 1853 auf, nach einem von Drake angefertigten Mo-
delle eine Vase mit Reliefdarstellungen für den Preis von 3040
Thlr. in Bronze zu giessen und mit sämmtlichen Ciselirarbeiten
bis zum 1. Januar 1855 zu vollenden, auch die dazu erfor-
derlichen Materialien herzugeben. Nachdem W. den Guss der
Vase besorgt und die Ciselirung begonnen hatte, wurde sie auf
Antrag der Gläubiger des W. im Wege der Execution in Be-
schlag genommen. Drake erhob gegen W. und dessen Gläu-
biger Z. und Genossen die Interventionsklage, indem er die
Vase als sein Eigenthum in Anspruch nahm und beantragte,
die Gläubiger des W. für nicht befugt zu erachten, wegen
ihrer Forderungen an W. den Verkauf der Vase zu verlangen.

Der Richter erster Instanz wies den Kläger ab. Das Kam-
mergericht verurtheilte in zweiter Instanz die Verklagten nach
dem Klageantrag. Dieses Urtheil wurde auf die Revisionsbe-
schwerde der Verklagten durch das angeführte Erkenntniss des
Obertribunals bestätigt. In den Gründen dieses Erkenntnisses
wird ausgeführt:

"Das zu schaffende Werk bestand in einer Vase aus Erz. Um
sie hervorzubringen, war ihre vorgängige plastische Darstellung in
einem Modelle erforderlich, nach welchem die Form zum Gusse
gearbeitet werden musste. Inhaltlich des Contractes hatte Kläger
das Modell zu liefern, Verklagter nach demselben den Guss und
die Ciselirung vorzunehmen. Solchergestalt haben beide durch ihre
Thätigkeit zu dem Werke mitgewirkt. Die Arbeit des Klägers
war eine für das Werk nothwendige und wesentliche, weil in dem
Modell die ganze äussere Form und Gestalt der Vase ausgedrückt
war und in ihr mit den darauf angebrachten Reliefs die artistische
Eigenthümlichkeit des Werkes hauptsächlich beruht.

1) Striethorsts Archiv Bd. 22 S. 37 f.
IX. Verfolgung des Nachdrucks. §. 41. Confiscation.

Für das Preussische Recht lässt sich dieses Eigenthums-
recht des Autors oder des rechtmässigen Verlegers nur aus der
Natur des geistigen Eigenthumes folgern. Es ist aber nicht
zweifelhaft, dass diese Folgerung, soweit sie den einfachen und
unveränderten Nachdruck betrifft, eine durchaus berechtigte ist.

Dies ist für den Fall einer Vervielfältigung von Kunstwer-
ken durch das Erkenntniss des Obertribunals vom 18. Juni 1856
in folgendem Rechtsfalle anerkannt1):

Der Bildhauer Drake trug dem Erzgiesser W. in Berlin
im Jahre 1853 auf, nach einem von Drake angefertigten Mo-
delle eine Vase mit Reliefdarstellungen für den Preis von 3040
Thlr. in Bronze zu giessen und mit sämmtlichen Ciselirarbeiten
bis zum 1. Januar 1855 zu vollenden, auch die dazu erfor-
derlichen Materialien herzugeben. Nachdem W. den Guss der
Vase besorgt und die Ciselirung begonnen hatte, wurde sie auf
Antrag der Gläubiger des W. im Wege der Execution in Be-
schlag genommen. Drake erhob gegen W. und dessen Gläu-
biger Z. und Genossen die Interventionsklage, indem er die
Vase als sein Eigenthum in Anspruch nahm und beantragte,
die Gläubiger des W. für nicht befugt zu erachten, wegen
ihrer Forderungen an W. den Verkauf der Vase zu verlangen.

Der Richter erster Instanz wies den Kläger ab. Das Kam-
mergericht verurtheilte in zweiter Instanz die Verklagten nach
dem Klageantrag. Dieses Urtheil wurde auf die Revisionsbe-
schwerde der Verklagten durch das angeführte Erkenntniss des
Obertribunals bestätigt. In den Gründen dieses Erkenntnisses
wird ausgeführt:

»Das zu schaffende Werk bestand in einer Vase aus Erz. Um
sie hervorzubringen, war ihre vorgängige plastische Darstellung in
einem Modelle erforderlich, nach welchem die Form zum Gusse
gearbeitet werden musste. Inhaltlich des Contractes hatte Kläger
das Modell zu liefern, Verklagter nach demselben den Guss und
die Ciselirung vorzunehmen. Solchergestalt haben beide durch ihre
Thätigkeit zu dem Werke mitgewirkt. Die Arbeit des Klägers
war eine für das Werk nothwendige und wesentliche, weil in dem
Modell die ganze äussere Form und Gestalt der Vase ausgedrückt
war und in ihr mit den darauf angebrachten Reliefs die artistische
Eigenthümlichkeit des Werkes hauptsächlich beruht.

1) Striethorsts Archiv Bd. 22 S. 37 f.
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[416/0432] IX. Verfolgung des Nachdrucks. §. 41. Confiscation. Für das Preussische Recht lässt sich dieses Eigenthums- recht des Autors oder des rechtmässigen Verlegers nur aus der Natur des geistigen Eigenthumes folgern. Es ist aber nicht zweifelhaft, dass diese Folgerung, soweit sie den einfachen und unveränderten Nachdruck betrifft, eine durchaus berechtigte ist. Dies ist für den Fall einer Vervielfältigung von Kunstwer- ken durch das Erkenntniss des Obertribunals vom 18. Juni 1856 in folgendem Rechtsfalle anerkannt 1): Der Bildhauer Drake trug dem Erzgiesser W. in Berlin im Jahre 1853 auf, nach einem von Drake angefertigten Mo- delle eine Vase mit Reliefdarstellungen für den Preis von 3040 Thlr. in Bronze zu giessen und mit sämmtlichen Ciselirarbeiten bis zum 1. Januar 1855 zu vollenden, auch die dazu erfor- derlichen Materialien herzugeben. Nachdem W. den Guss der Vase besorgt und die Ciselirung begonnen hatte, wurde sie auf Antrag der Gläubiger des W. im Wege der Execution in Be- schlag genommen. Drake erhob gegen W. und dessen Gläu- biger Z. und Genossen die Interventionsklage, indem er die Vase als sein Eigenthum in Anspruch nahm und beantragte, die Gläubiger des W. für nicht befugt zu erachten, wegen ihrer Forderungen an W. den Verkauf der Vase zu verlangen. Der Richter erster Instanz wies den Kläger ab. Das Kam- mergericht verurtheilte in zweiter Instanz die Verklagten nach dem Klageantrag. Dieses Urtheil wurde auf die Revisionsbe- schwerde der Verklagten durch das angeführte Erkenntniss des Obertribunals bestätigt. In den Gründen dieses Erkenntnisses wird ausgeführt: »Das zu schaffende Werk bestand in einer Vase aus Erz. Um sie hervorzubringen, war ihre vorgängige plastische Darstellung in einem Modelle erforderlich, nach welchem die Form zum Gusse gearbeitet werden musste. Inhaltlich des Contractes hatte Kläger das Modell zu liefern, Verklagter nach demselben den Guss und die Ciselirung vorzunehmen. Solchergestalt haben beide durch ihre Thätigkeit zu dem Werke mitgewirkt. Die Arbeit des Klägers war eine für das Werk nothwendige und wesentliche, weil in dem Modell die ganze äussere Form und Gestalt der Vase ausgedrückt war und in ihr mit den darauf angebrachten Reliefs die artistische Eigenthümlichkeit des Werkes hauptsächlich beruht. 1) Striethorsts Archiv Bd. 22 S. 37 f.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/432>, abgerufen am 25.04.2024.