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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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VIII. Nachdruck. §. 39. Mechanische Vervielfältigung.

Als öffentliche Aufführung eines Dramas oder Musik-
stückes ist diejenige Darstellung zu betrachten, zu welcher
nicht bestimmten Personen, sondern Jedem ohne Unterschied
der Zutritt eröffnet wird. Dabei macht es keinen Unterschied,
ob die Aufführung auf einer stehenden oder auf einer wandern-
den Bühne oder in einer besonders veranstalteten einzelnen Vor-
stellung erfolgt. Doch sind in den Preussischen Gesetzen
vom 11. Juni 1837 §. 34 und vom 20. Februar 1854 die Strafen
für den Fall der Aufführung eines dramatischen Werkes auf
einer stehenden Bühne höher bemessen, als für jede son-
stige Aufführung. Diese Unterscheidung ist den übrigen Rech-
ten fremd. Es gehört nicht zum Thatbestande des Vergehens,
dass ein Eintrittsgeld erhoben wird. Als öffentliche Aufführung
eines Musikstückes ist also auch die Production desselben an
einem öffentlichen Orte, zu welchem der Zutritt Jedermann
freisteht, anzusehen 1).

Der Begriff der Aufführung schliesst bei musikalischen
Compositionen jede öffentliche Reproduction des Musikstückes
ein. Bei dramatischen Werken wird dagegen unter der Auf-
führung nur die auf der Bühne mit vertheilten Rollen und mit
scenischer Handlung veranstalte Darstellung verstanden. Daher
fällt die öffentliche Vorlesung eines Dramas, auch wenn sie
gegen Eintrittsgeld erfolgt, nicht unter den Thatbestand der
öffentlichen Aufführung 2), während die öffentliche Aufführung
eines Oratoriums oder einer Messe in einer Bearbeitung für
das Orchester oder im Klavierauszuge nach §. 20 des Gesetzes

-- Französ. Gesetze v. 13.--19. Januar 1791 und v. 19. Juli bis 6. Au-
gust 1791. -- Engl. Statut v. 10. Juni 1833 (3 & 4 William IV cap. 15).
1) Wächter. Das Verlagsrecht Th. I S. 634. -- Renouard, Traite
des droits d'auteurs p. 63 sq.
2) Vergl. Wächter, Das Verlagsrecht Th. II S. 634. -- Mandry,
Die Bayerische Gesetzgebung S. 123 Note 37. -- Wenn Harum, Oester-
reich. Pressgesetzgebung S. 214 die öffentliche Vorlesung eines Dramas
für verboten erachtet, während er a. a. O. S. 212 die öffentliche Pro-
duction eines Musikstücks durch sogenannte Bettelmusikanten freigeben
will, weil die eine Art der Reproduction das vermögensrechtliche Interesse
des Dichters schädigen könne, während von der andern der Componist
keinen Nachtheil befürchten könne, so verwechselt er den Grund des
Gesetzes mit der dispositiven Bestimmung, welche aus der blossen Ab-
sicht des Gesetzgebers weder erweitert noch eingeschränkt werden darf.
VIII. Nachdruck. §. 39. Mechanische Vervielfältigung.

Als öffentliche Aufführung eines Dramas oder Musik-
stückes ist diejenige Darstellung zu betrachten, zu welcher
nicht bestimmten Personen, sondern Jedem ohne Unterschied
der Zutritt eröffnet wird. Dabei macht es keinen Unterschied,
ob die Aufführung auf einer stehenden oder auf einer wandern-
den Bühne oder in einer besonders veranstalteten einzelnen Vor-
stellung erfolgt. Doch sind in den Preussischen Gesetzen
vom 11. Juni 1837 §. 34 und vom 20. Februar 1854 die Strafen
für den Fall der Aufführung eines dramatischen Werkes auf
einer stehenden Bühne höher bemessen, als für jede son-
stige Aufführung. Diese Unterscheidung ist den übrigen Rech-
ten fremd. Es gehört nicht zum Thatbestande des Vergehens,
dass ein Eintrittsgeld erhoben wird. Als öffentliche Aufführung
eines Musikstückes ist also auch die Production desselben an
einem öffentlichen Orte, zu welchem der Zutritt Jedermann
freisteht, anzusehen 1).

Der Begriff der Aufführung schliesst bei musikalischen
Compositionen jede öffentliche Reproduction des Musikstückes
ein. Bei dramatischen Werken wird dagegen unter der Auf-
führung nur die auf der Bühne mit vertheilten Rollen und mit
scenischer Handlung veranstalte Darstellung verstanden. Daher
fällt die öffentliche Vorlesung eines Dramas, auch wenn sie
gegen Eintrittsgeld erfolgt, nicht unter den Thatbestand der
öffentlichen Aufführung 2), während die öffentliche Aufführung
eines Oratoriums oder einer Messe in einer Bearbeitung für
das Orchester oder im Klavierauszuge nach §. 20 des Gesetzes

— Französ. Gesetze v. 13.—19. Januar 1791 und v. 19. Juli bis 6. Au-
gust 1791. — Engl. Statut v. 10. Juni 1833 (3 & 4 William IV cap. 15).
1) Wächter. Das Verlagsrecht Th. I S. 634. — Renouard, Traité
des droits d’auteurs p. 63 sq.
2) Vergl. Wächter, Das Verlagsrecht Th. II S. 634. — Mandry,
Die Bayerische Gesetzgebung S. 123 Note 37. — Wenn Harum, Oester-
reich. Pressgesetzgebung S. 214 die öffentliche Vorlesung eines Dramas
für verboten erachtet, während er a. a. O. S. 212 die öffentliche Pro-
duction eines Musikstücks durch sogenannte Bettelmusikanten freigeben
will, weil die eine Art der Reproduction das vermögensrechtliche Interesse
des Dichters schädigen könne, während von der andern der Componist
keinen Nachtheil befürchten könne, so verwechselt er den Grund des
Gesetzes mit der dispositiven Bestimmung, welche aus der blossen Ab-
sicht des Gesetzgebers weder erweitert noch eingeschränkt werden darf.
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[404/0420] VIII. Nachdruck. §. 39. Mechanische Vervielfältigung. Als öffentliche Aufführung eines Dramas oder Musik- stückes ist diejenige Darstellung zu betrachten, zu welcher nicht bestimmten Personen, sondern Jedem ohne Unterschied der Zutritt eröffnet wird. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Aufführung auf einer stehenden oder auf einer wandern- den Bühne oder in einer besonders veranstalteten einzelnen Vor- stellung erfolgt. Doch sind in den Preussischen Gesetzen vom 11. Juni 1837 §. 34 und vom 20. Februar 1854 die Strafen für den Fall der Aufführung eines dramatischen Werkes auf einer stehenden Bühne höher bemessen, als für jede son- stige Aufführung. Diese Unterscheidung ist den übrigen Rech- ten fremd. Es gehört nicht zum Thatbestande des Vergehens, dass ein Eintrittsgeld erhoben wird. Als öffentliche Aufführung eines Musikstückes ist also auch die Production desselben an einem öffentlichen Orte, zu welchem der Zutritt Jedermann freisteht, anzusehen 1). Der Begriff der Aufführung schliesst bei musikalischen Compositionen jede öffentliche Reproduction des Musikstückes ein. Bei dramatischen Werken wird dagegen unter der Auf- führung nur die auf der Bühne mit vertheilten Rollen und mit scenischer Handlung veranstalte Darstellung verstanden. Daher fällt die öffentliche Vorlesung eines Dramas, auch wenn sie gegen Eintrittsgeld erfolgt, nicht unter den Thatbestand der öffentlichen Aufführung 2), während die öffentliche Aufführung eines Oratoriums oder einer Messe in einer Bearbeitung für das Orchester oder im Klavierauszuge nach §. 20 des Gesetzes 1) 1) Wächter. Das Verlagsrecht Th. I S. 634. — Renouard, Traité des droits d’auteurs p. 63 sq. 2) Vergl. Wächter, Das Verlagsrecht Th. II S. 634. — Mandry, Die Bayerische Gesetzgebung S. 123 Note 37. — Wenn Harum, Oester- reich. Pressgesetzgebung S. 214 die öffentliche Vorlesung eines Dramas für verboten erachtet, während er a. a. O. S. 212 die öffentliche Pro- duction eines Musikstücks durch sogenannte Bettelmusikanten freigeben will, weil die eine Art der Reproduction das vermögensrechtliche Interesse des Dichters schädigen könne, während von der andern der Componist keinen Nachtheil befürchten könne, so verwechselt er den Grund des Gesetzes mit der dispositiven Bestimmung, welche aus der blossen Ab- sicht des Gesetzgebers weder erweitert noch eingeschränkt werden darf. 1) — Französ. Gesetze v. 13.—19. Januar 1791 und v. 19. Juli bis 6. Au- gust 1791. — Engl. Statut v. 10. Juni 1833 (3 & 4 William IV cap. 15).

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/420>, abgerufen am 18.04.2024.