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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Nachahmung ohne Reproduction (Rechtsfall).
travellers manual of conversation etc. durch ein von Müller in
Coblenz unter demselben Titel verlegtes Handbuch. Nach der
thatsächlichen Feststellung war das Müller'sche Buch seinem
Inhalte nach nicht als ein Nachdruck des Bädeker'schen Hand-
buches anzusehen. Dagegen war dasselbe im Aeussern dem
Letzteren vollständig nachgeahmt, so dass nicht bloss die Titel
mit Ausnahme der Verlagsfirma wörtlich übereinstimmten, son-
dern auch im Format, im Papier, in der Druckeinrichtung, im
Einbande, selbst in der Farbe der Titelschilder die genaueste
Uebereinstimmung stattfand. Dies war, wie das Gutachten
ausführt, in der Absicht geschehen, um eine Verwechselung
mit dem sehr verbreiteten und schon in fünfter Auflage er-
schienenen Bädeker'schen Handbuche herbeizuführen und da-
durch den Absatz, welchen dieses Handbuch genoss, der Mül-
ler'schen Nachahmung zuzuführen.

Der Literarische Sachverständigenverein erachtete diese
Nachahmung für einen Nachdruck, "wenn auch nicht in der
gewöhnlichen Bedeutung des Wortes" und führte zur Begrün-
dung dieses Gutachtens aus (S. 314 f.):

"Bei Büchern dieser Art ist, wie bei Zeitschriften, der Titel
ein sehr wesentlicher Bestandtheil, gleichsam die Firma, unter wel-
cher ein solches literarisches Unternehmen beim Publicum Eingang
gefunden und Ruf gewonnen hat und auf welcher der Credit des-
selben beruht. Wahrscheinlich würde Müller durch einen vollstän-
digen Nachdruck des Bädeker'schen Buches unter verschiedenem
Titel diesem weniger Abbruch gethan haben; als durch eine Usur-
pirung des Titels bei abweichendem Inhalte des Buches, denn eben
durch die Uebereinstimmung des Titels als des wesentlichsten Er-
kennungszeichens eines Buches wird das Publicum zu dem Miss-
griffe verleitet, das neue Buch statt des alten unter jenem Titel
bereits bekannt und beliebt gewordenen zu kaufen. Dass aber eine
solche Täuschung im vorliegenden Falle beabsichtigt war, leuchtet
vollkommen ein, wenn man das bis zur Verwechselung ähnliche
Aeussere beider Bücher vergleicht.

Hiernach kann es keinem gegründeten Bedenken unterliegen, dass
der Angeschuldigte fremdes Eigenthum benutzt hat, um den dem
rechtmässigen Eigenthümer gebührenden Gewinn sich unredlicher
Weise anzueignen. Allein eine andere Frage ist es, ob dieses unred-
liche Verfahren auch unter die Bestimmungen des Nachdruckgesetzes
vom 11. Juni 1837 falle? Dieses Gesetz scheint zunächst auf blosse

Nachahmung ohne Reproduction (Rechtsfall).
travellers manual of conversation etc. durch ein von Müller in
Coblenz unter demselben Titel verlegtes Handbuch. Nach der
thatsächlichen Feststellung war das Müller’sche Buch seinem
Inhalte nach nicht als ein Nachdruck des Bädeker’schen Hand-
buches anzusehen. Dagegen war dasselbe im Aeussern dem
Letzteren vollständig nachgeahmt, so dass nicht bloss die Titel
mit Ausnahme der Verlagsfirma wörtlich übereinstimmten, son-
dern auch im Format, im Papier, in der Druckeinrichtung, im
Einbande, selbst in der Farbe der Titelschilder die genaueste
Uebereinstimmung stattfand. Dies war, wie das Gutachten
ausführt, in der Absicht geschehen, um eine Verwechselung
mit dem sehr verbreiteten und schon in fünfter Auflage er-
schienenen Bädeker’schen Handbuche herbeizuführen und da-
durch den Absatz, welchen dieses Handbuch genoss, der Mül-
ler’schen Nachahmung zuzuführen.

Der Literarische Sachverständigenverein erachtete diese
Nachahmung für einen Nachdruck, »wenn auch nicht in der
gewöhnlichen Bedeutung des Wortes« und führte zur Begrün-
dung dieses Gutachtens aus (S. 314 f.):

»Bei Büchern dieser Art ist, wie bei Zeitschriften, der Titel
ein sehr wesentlicher Bestandtheil, gleichsam die Firma, unter wel-
cher ein solches literarisches Unternehmen beim Publicum Eingang
gefunden und Ruf gewonnen hat und auf welcher der Credit des-
selben beruht. Wahrscheinlich würde Müller durch einen vollstän-
digen Nachdruck des Bädeker’schen Buches unter verschiedenem
Titel diesem weniger Abbruch gethan haben; als durch eine Usur-
pirung des Titels bei abweichendem Inhalte des Buches, denn eben
durch die Uebereinstimmung des Titels als des wesentlichsten Er-
kennungszeichens eines Buches wird das Publicum zu dem Miss-
griffe verleitet, das neue Buch statt des alten unter jenem Titel
bereits bekannt und beliebt gewordenen zu kaufen. Dass aber eine
solche Täuschung im vorliegenden Falle beabsichtigt war, leuchtet
vollkommen ein, wenn man das bis zur Verwechselung ähnliche
Aeussere beider Bücher vergleicht.

Hiernach kann es keinem gegründeten Bedenken unterliegen, dass
der Angeschuldigte fremdes Eigenthum benutzt hat, um den dem
rechtmässigen Eigenthümer gebührenden Gewinn sich unredlicher
Weise anzueignen. Allein eine andere Frage ist es, ob dieses unred-
liche Verfahren auch unter die Bestimmungen des Nachdruckgesetzes
vom 11. Juni 1837 falle? Dieses Gesetz scheint zunächst auf blosse

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[377/0393] Nachahmung ohne Reproduction (Rechtsfall). travellers manual of conversation etc. durch ein von Müller in Coblenz unter demselben Titel verlegtes Handbuch. Nach der thatsächlichen Feststellung war das Müller’sche Buch seinem Inhalte nach nicht als ein Nachdruck des Bädeker’schen Hand- buches anzusehen. Dagegen war dasselbe im Aeussern dem Letzteren vollständig nachgeahmt, so dass nicht bloss die Titel mit Ausnahme der Verlagsfirma wörtlich übereinstimmten, son- dern auch im Format, im Papier, in der Druckeinrichtung, im Einbande, selbst in der Farbe der Titelschilder die genaueste Uebereinstimmung stattfand. Dies war, wie das Gutachten ausführt, in der Absicht geschehen, um eine Verwechselung mit dem sehr verbreiteten und schon in fünfter Auflage er- schienenen Bädeker’schen Handbuche herbeizuführen und da- durch den Absatz, welchen dieses Handbuch genoss, der Mül- ler’schen Nachahmung zuzuführen. Der Literarische Sachverständigenverein erachtete diese Nachahmung für einen Nachdruck, »wenn auch nicht in der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes« und führte zur Begrün- dung dieses Gutachtens aus (S. 314 f.): »Bei Büchern dieser Art ist, wie bei Zeitschriften, der Titel ein sehr wesentlicher Bestandtheil, gleichsam die Firma, unter wel- cher ein solches literarisches Unternehmen beim Publicum Eingang gefunden und Ruf gewonnen hat und auf welcher der Credit des- selben beruht. Wahrscheinlich würde Müller durch einen vollstän- digen Nachdruck des Bädeker’schen Buches unter verschiedenem Titel diesem weniger Abbruch gethan haben; als durch eine Usur- pirung des Titels bei abweichendem Inhalte des Buches, denn eben durch die Uebereinstimmung des Titels als des wesentlichsten Er- kennungszeichens eines Buches wird das Publicum zu dem Miss- griffe verleitet, das neue Buch statt des alten unter jenem Titel bereits bekannt und beliebt gewordenen zu kaufen. Dass aber eine solche Täuschung im vorliegenden Falle beabsichtigt war, leuchtet vollkommen ein, wenn man das bis zur Verwechselung ähnliche Aeussere beider Bücher vergleicht. Hiernach kann es keinem gegründeten Bedenken unterliegen, dass der Angeschuldigte fremdes Eigenthum benutzt hat, um den dem rechtmässigen Eigenthümer gebührenden Gewinn sich unredlicher Weise anzueignen. Allein eine andere Frage ist es, ob dieses unred- liche Verfahren auch unter die Bestimmungen des Nachdruckgesetzes vom 11. Juni 1837 falle? Dieses Gesetz scheint zunächst auf blosse

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/393>, abgerufen am 25.04.2024.