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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Execution und Expropriation.

Nach Englischem Rechte bedarf es zur Uebertragung des
Vervielfältigungsrechtes einer schriftlichen Cession seitens des
Urhebers des Kunstwerkes, so dass hier die Annahme einer
stillschweigenden Uebertragung bei der Veräusserung des Ori-
ginales ganz ausgeschlossen bleibt 1).

Die zwangsweise Veräusserung des geistigen Eigenthumes
kann im Wege der Execution oder der Expropriation erfolgen.
Der Execution unterliegt das literarische und artistische Ei-
genthum wie jedes andere Vermögensrecht, jedoch gilt für die
Schriften die Einschränkung, dass die Veröffentlichung nicht wi-
der den Willen des Verfassers erzwungen werden kann. War da-
her die abgepfändete Schrift nicht gedruckt oder wenigstens zum
Zwecke des Druckes veräussert, so hat der Gläubiger nicht das
Recht, dieselbe ohne Einwilligung des Verfassers behufs seiner
Befriedigung in Verlag zu geben, da die öffentliche Mittheilung
der Gedanken ein höchst persönliches Recht ist, welches dem
Zwange der gerichtlichen Hülfsvollstreckung nicht unterliegt 2).

Die Expropriation von Schriften und Kunstwerken im öf-
fentlichen Interesse kann nur da stattfinden, wo dieselbe durch
das Gesetz ausdrücklich zugelassen ist. Dies ist nach den
deutschen Gesetzgebungen nicht der Fall. In England fin-
det nach dem Gesetze vom 1. Juli 1842 (5 & 6 Victoria cap. 45
sect. 5) die Expropriation in Bezug auf Schriften statt, deren
Wiederherausgabe nach dem Tode des Verfassers von dem Ver-
lagsberechtigten verweigert wird. Die Expropriation wird auf
Antrag desjenigen, der die neue Auflage veranstalten will, von

1) 8 George II cap. 13 sect. 1. 38 George III cap. 71 sect. 2.
Dass in diesen Gesetzen in den Worten "the consent of the proprie-
tor
thereof obtained in writing" nicht die Erlaubniss des Besitzers des
Originales, sondern des Urhebers des Kunstwerkes verstanden wird
ergibt sich aus der Bezeichnung des zuerst angeführten Gesetzes: An
Act for the encourragement of the arts of designing, engraving and
etching historical and other prints by vesting the properties
thereof in the inventors and engravers
. Unter property of
print
wird daher in den angeführten Gesetzen das geistige Eigenthum
(the sole right of printing and reprinting) verstanden.
2) Vergl. Harum, Oesterreich. Pressgesetzgebung S. 166. -- God-
son, A Treatise etc. p. 430. -- Wächter, Das Verlagsrecht Th. I S. 218
Note 4, erachtet dagegen nur den Zwang der Production als der per-
sönlichen Freiheit zuwiderlaufend, nicht die zwangsweise Veröffent-
lichung.
Execution und Expropriation.

Nach Englischem Rechte bedarf es zur Uebertragung des
Vervielfältigungsrechtes einer schriftlichen Cession seitens des
Urhebers des Kunstwerkes, so dass hier die Annahme einer
stillschweigenden Uebertragung bei der Veräusserung des Ori-
ginales ganz ausgeschlossen bleibt 1).

Die zwangsweise Veräusserung des geistigen Eigenthumes
kann im Wege der Execution oder der Expropriation erfolgen.
Der Execution unterliegt das literarische und artistische Ei-
genthum wie jedes andere Vermögensrecht, jedoch gilt für die
Schriften die Einschränkung, dass die Veröffentlichung nicht wi-
der den Willen des Verfassers erzwungen werden kann. War da-
her die abgepfändete Schrift nicht gedruckt oder wenigstens zum
Zwecke des Druckes veräussert, so hat der Gläubiger nicht das
Recht, dieselbe ohne Einwilligung des Verfassers behufs seiner
Befriedigung in Verlag zu geben, da die öffentliche Mittheilung
der Gedanken ein höchst persönliches Recht ist, welches dem
Zwange der gerichtlichen Hülfsvollstreckung nicht unterliegt 2).

Die Expropriation von Schriften und Kunstwerken im öf-
fentlichen Interesse kann nur da stattfinden, wo dieselbe durch
das Gesetz ausdrücklich zugelassen ist. Dies ist nach den
deutschen Gesetzgebungen nicht der Fall. In England fin-
det nach dem Gesetze vom 1. Juli 1842 (5 & 6 Victoria cap. 45
sect. 5) die Expropriation in Bezug auf Schriften statt, deren
Wiederherausgabe nach dem Tode des Verfassers von dem Ver-
lagsberechtigten verweigert wird. Die Expropriation wird auf
Antrag desjenigen, der die neue Auflage veranstalten will, von

1) 8 George II cap. 13 sect. 1. 38 George III cap. 71 sect. 2.
Dass in diesen Gesetzen in den Worten »the consent of the proprie-
tor
thereof obtained in writing« nicht die Erlaubniss des Besitzers des
Originales, sondern des Urhebers des Kunstwerkes verstanden wird
ergibt sich aus der Bezeichnung des zuerst angeführten Gesetzes: An
Act for the encourragement of the arts of designing, engraving and
etching historical and other prints by vesting the properties
thereof in the inventors and engravers
. Unter property of
print
wird daher in den angeführten Gesetzen das geistige Eigenthum
(the sole right of printing and reprinting) verstanden.
2) Vergl. Harum, Oesterreich. Pressgesetzgebung S. 166. — God-
son, A Treatise etc. p. 430. — Wächter, Das Verlagsrecht Th. I S. 218
Note 4, erachtet dagegen nur den Zwang der Production als der per-
sönlichen Freiheit zuwiderlaufend, nicht die zwangsweise Veröffent-
lichung.
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[333/0349] Execution und Expropriation. Nach Englischem Rechte bedarf es zur Uebertragung des Vervielfältigungsrechtes einer schriftlichen Cession seitens des Urhebers des Kunstwerkes, so dass hier die Annahme einer stillschweigenden Uebertragung bei der Veräusserung des Ori- ginales ganz ausgeschlossen bleibt 1). Die zwangsweise Veräusserung des geistigen Eigenthumes kann im Wege der Execution oder der Expropriation erfolgen. Der Execution unterliegt das literarische und artistische Ei- genthum wie jedes andere Vermögensrecht, jedoch gilt für die Schriften die Einschränkung, dass die Veröffentlichung nicht wi- der den Willen des Verfassers erzwungen werden kann. War da- her die abgepfändete Schrift nicht gedruckt oder wenigstens zum Zwecke des Druckes veräussert, so hat der Gläubiger nicht das Recht, dieselbe ohne Einwilligung des Verfassers behufs seiner Befriedigung in Verlag zu geben, da die öffentliche Mittheilung der Gedanken ein höchst persönliches Recht ist, welches dem Zwange der gerichtlichen Hülfsvollstreckung nicht unterliegt 2). Die Expropriation von Schriften und Kunstwerken im öf- fentlichen Interesse kann nur da stattfinden, wo dieselbe durch das Gesetz ausdrücklich zugelassen ist. Dies ist nach den deutschen Gesetzgebungen nicht der Fall. In England fin- det nach dem Gesetze vom 1. Juli 1842 (5 & 6 Victoria cap. 45 sect. 5) die Expropriation in Bezug auf Schriften statt, deren Wiederherausgabe nach dem Tode des Verfassers von dem Ver- lagsberechtigten verweigert wird. Die Expropriation wird auf Antrag desjenigen, der die neue Auflage veranstalten will, von 1) 8 George II cap. 13 sect. 1. 38 George III cap. 71 sect. 2. Dass in diesen Gesetzen in den Worten »the consent of the proprie- tor thereof obtained in writing« nicht die Erlaubniss des Besitzers des Originales, sondern des Urhebers des Kunstwerkes verstanden wird ergibt sich aus der Bezeichnung des zuerst angeführten Gesetzes: An Act for the encourragement of the arts of designing, engraving and etching historical and other prints by vesting the properties thereof in the inventors and engravers. Unter property of print wird daher in den angeführten Gesetzen das geistige Eigenthum (the sole right of printing and reprinting) verstanden. 2) Vergl. Harum, Oesterreich. Pressgesetzgebung S. 166. — God- son, A Treatise etc. p. 430. — Wächter, Das Verlagsrecht Th. I S. 218 Note 4, erachtet dagegen nur den Zwang der Production als der per- sönlichen Freiheit zuwiderlaufend, nicht die zwangsweise Veröffent- lichung.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/349>, abgerufen am 23.04.2024.