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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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VII. Der Verlagsvertrag. §. 30. Subjecte: 1. Der Autor.

Nach dieser Auffassung, an welcher der Cassationshof auch
in einer neueren Entscheidung vom 5. Juni 1855 (Devilleneuve
et Carette LV. 2. 431) festgehalten hat, bestände das geistige
Eigenthum als ein selbständiges Recht unabhängig von dem Sach-
eigenthume an dem Kunstwerke erst von dem Momente der Ver-
vielfältigung durch den Stich an. Diese Ansicht steht allerdings
mit dem Wortlaute des Gesetzes vom 19. Juli 1793 Art. 1 nicht
im Widerspruch. Sie lässt sich jedoch schwer vereinigen mit
der sehr viel weiter gehenden Ausdehnung und mit der selb-
ständigen Geltung, welche der Cassationshof in dem oben S. 211
mitgetheilten Erkenntnisse vom 2. August 1854 dem künstle-
rischen Eigenthume gibt.

Allein wenn auch das Reproductionsrecht thatsächlich bei
der Mehrzahl der Kunstwerke nur eine nebensächliche Bedeu-
tung hat (oben S. 327), so ist man doch nicht berechtigt, das-
selbe im juristischen Sinne als eine Accession des Originalkunst-
werkes zu bezeichnen, da das Gesetz das Reproductionsrecht
ausdrücklich als ein selbständiges Recht anerkennt, welches für
sich veräussert und übertragen werden kann. Auch würde sich
in vielen Fällen nicht unterscheiden lassen, zu welchem Exem-
plare des Originalkunstwerkes das geistige Eigenthum als Ne-
bensache gehört, ob zu dem Carton oder zu dem Freskoge-
mälde, zu dem Gypsmodell oder zu dem Bronzegusse, oder im
Falle der doppelten Aufführung, ob zu dem zuerst ausgeführten
oder zu dem zuerst veräusserten Kunstwerke.

Die Mehrzahl der deutschen und der französischen Schrift-
steller hat sich daher für die Ansicht entschieden, dass das
Reproductionsrecht nicht dem Eigenthume des Originalkunst-
werkes folgt, sondern unabhängig von demselben besessen und
übertragen wird, dass es also eines besonderen Vorbehaltes in
Bezug auf das Vervielfältigungsrecht bei der Veräusserung von
Kunstwerken nicht bedarf und die gleichzeitige Uebertragung
nur da angenommen werden darf, wo sie nach der Interpre-
tation des Vertrages in der Absicht der Contrahenten gele-
gen hat 1).

1) Jolly, Die Lehre vom Nachdruck S. 206.
Wächter, Das Verlagsrecht S. 227 f.
Gambastide, Traite des contrefacons p. 312.
Dalloz, Dictionnaire general s. v. Propriete litteraire et arti-
stique no. 182.
VII. Der Verlagsvertrag. §. 30. Subjecte: 1. Der Autor.

Nach dieser Auffassung, an welcher der Cassationshof auch
in einer neueren Entscheidung vom 5. Juni 1855 (Devilleneuve
et Carette LV. 2. 431) festgehalten hat, bestände das geistige
Eigenthum als ein selbständiges Recht unabhängig von dem Sach-
eigenthume an dem Kunstwerke erst von dem Momente der Ver-
vielfältigung durch den Stich an. Diese Ansicht steht allerdings
mit dem Wortlaute des Gesetzes vom 19. Juli 1793 Art. 1 nicht
im Widerspruch. Sie lässt sich jedoch schwer vereinigen mit
der sehr viel weiter gehenden Ausdehnung und mit der selb-
ständigen Geltung, welche der Cassationshof in dem oben S. 211
mitgetheilten Erkenntnisse vom 2. August 1854 dem künstle-
rischen Eigenthume gibt.

Allein wenn auch das Reproductionsrecht thatsächlich bei
der Mehrzahl der Kunstwerke nur eine nebensächliche Bedeu-
tung hat (oben S. 327), so ist man doch nicht berechtigt, das-
selbe im juristischen Sinne als eine Accession des Originalkunst-
werkes zu bezeichnen, da das Gesetz das Reproductionsrecht
ausdrücklich als ein selbständiges Recht anerkennt, welches für
sich veräussert und übertragen werden kann. Auch würde sich
in vielen Fällen nicht unterscheiden lassen, zu welchem Exem-
plare des Originalkunstwerkes das geistige Eigenthum als Ne-
bensache gehört, ob zu dem Carton oder zu dem Freskoge-
mälde, zu dem Gypsmodell oder zu dem Bronzegusse, oder im
Falle der doppelten Aufführung, ob zu dem zuerst ausgeführten
oder zu dem zuerst veräusserten Kunstwerke.

Die Mehrzahl der deutschen und der französischen Schrift-
steller hat sich daher für die Ansicht entschieden, dass das
Reproductionsrecht nicht dem Eigenthume des Originalkunst-
werkes folgt, sondern unabhängig von demselben besessen und
übertragen wird, dass es also eines besonderen Vorbehaltes in
Bezug auf das Vervielfältigungsrecht bei der Veräusserung von
Kunstwerken nicht bedarf und die gleichzeitige Uebertragung
nur da angenommen werden darf, wo sie nach der Interpre-
tation des Vertrages in der Absicht der Contrahenten gele-
gen hat 1).

1) Jolly, Die Lehre vom Nachdruck S. 206.
Wächter, Das Verlagsrecht S. 227 f.
Gambastide, Traité des contrefaçons p. 312.
Dalloz, Dictionnaire général s. v. Propriété litteraire et arti-
stique no. 182.
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[332/0348] VII. Der Verlagsvertrag. §. 30. Subjecte: 1. Der Autor. Nach dieser Auffassung, an welcher der Cassationshof auch in einer neueren Entscheidung vom 5. Juni 1855 (Devilleneuve et Carette LV. 2. 431) festgehalten hat, bestände das geistige Eigenthum als ein selbständiges Recht unabhängig von dem Sach- eigenthume an dem Kunstwerke erst von dem Momente der Ver- vielfältigung durch den Stich an. Diese Ansicht steht allerdings mit dem Wortlaute des Gesetzes vom 19. Juli 1793 Art. 1 nicht im Widerspruch. Sie lässt sich jedoch schwer vereinigen mit der sehr viel weiter gehenden Ausdehnung und mit der selb- ständigen Geltung, welche der Cassationshof in dem oben S. 211 mitgetheilten Erkenntnisse vom 2. August 1854 dem künstle- rischen Eigenthume gibt. Allein wenn auch das Reproductionsrecht thatsächlich bei der Mehrzahl der Kunstwerke nur eine nebensächliche Bedeu- tung hat (oben S. 327), so ist man doch nicht berechtigt, das- selbe im juristischen Sinne als eine Accession des Originalkunst- werkes zu bezeichnen, da das Gesetz das Reproductionsrecht ausdrücklich als ein selbständiges Recht anerkennt, welches für sich veräussert und übertragen werden kann. Auch würde sich in vielen Fällen nicht unterscheiden lassen, zu welchem Exem- plare des Originalkunstwerkes das geistige Eigenthum als Ne- bensache gehört, ob zu dem Carton oder zu dem Freskoge- mälde, zu dem Gypsmodell oder zu dem Bronzegusse, oder im Falle der doppelten Aufführung, ob zu dem zuerst ausgeführten oder zu dem zuerst veräusserten Kunstwerke. Die Mehrzahl der deutschen und der französischen Schrift- steller hat sich daher für die Ansicht entschieden, dass das Reproductionsrecht nicht dem Eigenthume des Originalkunst- werkes folgt, sondern unabhängig von demselben besessen und übertragen wird, dass es also eines besonderen Vorbehaltes in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht bei der Veräusserung von Kunstwerken nicht bedarf und die gleichzeitige Uebertragung nur da angenommen werden darf, wo sie nach der Interpre- tation des Vertrages in der Absicht der Contrahenten gele- gen hat 1). 1) Jolly, Die Lehre vom Nachdruck S. 206. Wächter, Das Verlagsrecht S. 227 f. Gambastide, Traité des contrefaçons p. 312. Dalloz, Dictionnaire général s. v. Propriété litteraire et arti- stique no. 182.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/348>, abgerufen am 29.03.2024.