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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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VII. Der Verlagsvertrag. §. 30. Subjecte: 1. Der Autor.
Kunstwerken das Recht der Vervielfältigung durch die Ver-
äusserung des Originalmanuscriptes oder des Originalkunstwer-
kes mit veräussert würde.

Die hervorgehobenen Worte des Art. 1 enthalten also nichts
als eine anticipirte Wiederholung des im Art. 2 ausgesprochenen
Satzes, dass das ausschliessende Recht der Vervielfältigung ver-
äussert oder auf einen Rechtsnachfolger übertragen werden
kann. Sie begründen dagegen nicht die Rechtsvermuthung,
dass diese Uebertragung mit der Veräusserung des Sacheigen-
thumes an dem Originale verknüpft sei.

Es muss vielmehr für das Rechtsgebiet des Bundesbe-
schlusses von 1837 -- mit Ausnahme von Preussen und Oester-
reich -- die entgegengesetzte Regel aufgestellt werden, die auch
für das Englische und Französische Recht Geltung hat, dass
das geistige Eigenthum durch die blosse Veräusserung des
Kunstwerkes nicht übertragen wird, sondern besonders übertra-
gen werden muss. Diese Regel folgt unmittelbar aus der Un-
terscheidung eines von dem Sacheigenthume unabhängigen Rech-
tes der Vervielfältigung. Da dieses Recht keinen Bestandtheil
des Sacheigenthumes an dem Kunstwerke bildet, so wird es
auch nicht mit demselben übertragen. Es muss vielmehr für
sich übertragen werden und die gleichzeitige Uebertragung des
geistigen Eigenthumes mit dem Kunstwerke darf, ebenso wie
bei den Schriften, nur dann angenommen werden, wenn der In-
halt des Vertrages oder die begleitenden Umstände ergeben,
dass die Absicht der Partheien auf die gleichzeitige Uebertra-
gung des Vervielfältigungsrechtes gerichtet war. Dies ist z. B.
der Fall, wenn der Künstler eine Zeichnung auf dem lithogra-
phischen Stein oder eine gestochene Kupferplatte verkauft, weil
ein anderer Zweck der Erwerbung als der der Vervielfältigung
nicht ersichtlich ist1).

1) Gleichwohl hat der Pariser Appelhof durch Erkenntniss vom
2. Februar 1842 in Sachen Bulla & Delarue C. Laroche (Devilleneuve et
Carette, Recueil general XLIII. 2. 70) dem Ansteigerer einer in ge-
richtlicher Auction verkauften gestochenen Kupferplatte, nach einem
Gemälde von Delaroche das Vervielfältigungsrecht abgesprochen aus
dem sehr richtigen Grunde, dass weder der abpfändende Gerichtsvoll-
zieher noch der Käufer wissen konnten, ob der Kupferstecher nicht das
Vervielfältigungsrecht an der bei ihm abgepfändeten Platte bereits ver-
äussert hatte. Es musste deshalb nach dem Inhalte des Auctionsproto-

VII. Der Verlagsvertrag. §. 30. Subjecte: 1. Der Autor.
Kunstwerken das Recht der Vervielfältigung durch die Ver-
äusserung des Originalmanuscriptes oder des Originalkunstwer-
kes mit veräussert würde.

Die hervorgehobenen Worte des Art. 1 enthalten also nichts
als eine anticipirte Wiederholung des im Art. 2 ausgesprochenen
Satzes, dass das ausschliessende Recht der Vervielfältigung ver-
äussert oder auf einen Rechtsnachfolger übertragen werden
kann. Sie begründen dagegen nicht die Rechtsvermuthung,
dass diese Uebertragung mit der Veräusserung des Sacheigen-
thumes an dem Originale verknüpft sei.

Es muss vielmehr für das Rechtsgebiet des Bundesbe-
schlusses von 1837 — mit Ausnahme von Preussen und Oester-
reich — die entgegengesetzte Regel aufgestellt werden, die auch
für das Englische und Französische Recht Geltung hat, dass
das geistige Eigenthum durch die blosse Veräusserung des
Kunstwerkes nicht übertragen wird, sondern besonders übertra-
gen werden muss. Diese Regel folgt unmittelbar aus der Un-
terscheidung eines von dem Sacheigenthume unabhängigen Rech-
tes der Vervielfältigung. Da dieses Recht keinen Bestandtheil
des Sacheigenthumes an dem Kunstwerke bildet, so wird es
auch nicht mit demselben übertragen. Es muss vielmehr für
sich übertragen werden und die gleichzeitige Uebertragung des
geistigen Eigenthumes mit dem Kunstwerke darf, ebenso wie
bei den Schriften, nur dann angenommen werden, wenn der In-
halt des Vertrages oder die begleitenden Umstände ergeben,
dass die Absicht der Partheien auf die gleichzeitige Uebertra-
gung des Vervielfältigungsrechtes gerichtet war. Dies ist z. B.
der Fall, wenn der Künstler eine Zeichnung auf dem lithogra-
phischen Stein oder eine gestochene Kupferplatte verkauft, weil
ein anderer Zweck der Erwerbung als der der Vervielfältigung
nicht ersichtlich ist1).

1) Gleichwohl hat der Pariser Appelhof durch Erkenntniss vom
2. Februar 1842 in Sachen Bulla & Delarue C. Laroche (Devilleneuve et
Carette, Recueil général XLIII. 2. 70) dem Ansteigerer einer in ge-
richtlicher Auction verkauften gestochenen Kupferplatte, nach einem
Gemälde von Delaroche das Vervielfältigungsrecht abgesprochen aus
dem sehr richtigen Grunde, dass weder der abpfändende Gerichtsvoll-
zieher noch der Käufer wissen konnten, ob der Kupferstecher nicht das
Vervielfältigungsrecht an der bei ihm abgepfändeten Platte bereits ver-
äussert hatte. Es musste deshalb nach dem Inhalte des Auctionsproto-
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[330/0346] VII. Der Verlagsvertrag. §. 30. Subjecte: 1. Der Autor. Kunstwerken das Recht der Vervielfältigung durch die Ver- äusserung des Originalmanuscriptes oder des Originalkunstwer- kes mit veräussert würde. Die hervorgehobenen Worte des Art. 1 enthalten also nichts als eine anticipirte Wiederholung des im Art. 2 ausgesprochenen Satzes, dass das ausschliessende Recht der Vervielfältigung ver- äussert oder auf einen Rechtsnachfolger übertragen werden kann. Sie begründen dagegen nicht die Rechtsvermuthung, dass diese Uebertragung mit der Veräusserung des Sacheigen- thumes an dem Originale verknüpft sei. Es muss vielmehr für das Rechtsgebiet des Bundesbe- schlusses von 1837 — mit Ausnahme von Preussen und Oester- reich — die entgegengesetzte Regel aufgestellt werden, die auch für das Englische und Französische Recht Geltung hat, dass das geistige Eigenthum durch die blosse Veräusserung des Kunstwerkes nicht übertragen wird, sondern besonders übertra- gen werden muss. Diese Regel folgt unmittelbar aus der Un- terscheidung eines von dem Sacheigenthume unabhängigen Rech- tes der Vervielfältigung. Da dieses Recht keinen Bestandtheil des Sacheigenthumes an dem Kunstwerke bildet, so wird es auch nicht mit demselben übertragen. Es muss vielmehr für sich übertragen werden und die gleichzeitige Uebertragung des geistigen Eigenthumes mit dem Kunstwerke darf, ebenso wie bei den Schriften, nur dann angenommen werden, wenn der In- halt des Vertrages oder die begleitenden Umstände ergeben, dass die Absicht der Partheien auf die gleichzeitige Uebertra- gung des Vervielfältigungsrechtes gerichtet war. Dies ist z. B. der Fall, wenn der Künstler eine Zeichnung auf dem lithogra- phischen Stein oder eine gestochene Kupferplatte verkauft, weil ein anderer Zweck der Erwerbung als der der Vervielfältigung nicht ersichtlich ist 1). 1) Gleichwohl hat der Pariser Appelhof durch Erkenntniss vom 2. Februar 1842 in Sachen Bulla & Delarue C. Laroche (Devilleneuve et Carette, Recueil général XLIII. 2. 70) dem Ansteigerer einer in ge- richtlicher Auction verkauften gestochenen Kupferplatte, nach einem Gemälde von Delaroche das Vervielfältigungsrecht abgesprochen aus dem sehr richtigen Grunde, dass weder der abpfändende Gerichtsvoll- zieher noch der Käufer wissen konnten, ob der Kupferstecher nicht das Vervielfältigungsrecht an der bei ihm abgepfändeten Platte bereits ver- äussert hatte. Es musste deshalb nach dem Inhalte des Auctionsproto-

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/346>, abgerufen am 28.03.2024.