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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Veräusserung von Kunstwerken.
fentlichung von der Bemerkung begleitet war: "Der Wieder-
abdruck ist nicht gestattet", so lag dabei die irrige Auffassung
zu Grunde, dass das Eigenthum, welches der Finder an den
herrenlosen Manuscripten erworben hatte, auch ein ausschliess-
liches Recht der Veröffentlichung begründe. Es bedarf jedoch
nicht der Ausführung, dass dieses Recht dem Verfasser der
Briefe und seinen Erben verblieben war und dass, wenn die
Letzteren etwa kein ausschliessliches Recht der Veröffentlichung
für sich geltend machen wollten, wenn man also auch den In-
halt wie den Körper der Briefe als derelinquirt ansehen wollte,
doch Niemand an dem Inhalte durch Occupation ein ausschliess-
liches Recht der Veröffentlichung erwerben kann.

Während bei den Schriften im gegebenen Falle leicht zu
beurtheilen ist, ob die Veräusserung des Manuscriptes zum
Zwecke der Veröffentlichung erfolgte, oder ob der Verfasser
das geistige Eigenthum zurückbehielt, hat diese Unterscheidung
bei den Kunstwerken häufig nicht geringe Schwierigkeiten. Diese
Schwierigkeiten beruhen darin, dass das Originalkunstwerk als
solches, auch abgesehen von der möglichen Vervielfältigung,
einen Vermögenswerth besitzt, was bei den Manuscripten meist
nicht der Fall ist, und dass der Werth des Originales in vielen
Fällen den aus der Reproduction zu ziehenden Nutzen über-
wiegt. Die vermögensrechtliche Nutzung aus der Reproduction
des Kunstwerkes erscheint daher in vielen Fällen als ein un-
tergeordneter Bestandtheil des durch die Arbeit des Künstlers
produzirten Vermögenswerthes. Bei vielen Kunstwerken ist es
zur Zeit ihrer ersten Veräusserung noch ganz ungewiss, ob ihre
Reproduction eine vermögensrechtliche Nutzung gewähren wird.
Erst später, wenn das Gemälde in weiteren Kreisen bekannt
und beliebt geworden ist, findet sich ein Verleger, der die Ver-
vielfältigung durch Kupferstich unternehmen will. Dazu kommt,
dass nur wenige Gemälde überhaupt zur Vervielfältigung durch
den Stich oder den Druck gelangen, so dass also bei ihrer
Entstehung und bei ihrer ersten Veräusserung die vermögens-
rechtliche Nutzung aus der Reproduction eine sehr ungewisse
ist. Man kann bei den Kunstwerken in der Regel nicht wie
bei den Schriften sagen, dass sie zur Vervielfältigung bestimmt
seien. Diese Art der Nutzung ist vielmehr meist etwas Zu-
fälliges und Nebensächliches, an das bei der ersten Veräusse-
rung des Kunstwerkes häufig gar nicht gedacht wird. In der

Veräusserung von Kunstwerken.
fentlichung von der Bemerkung begleitet war: »Der Wieder-
abdruck ist nicht gestattet«, so lag dabei die irrige Auffassung
zu Grunde, dass das Eigenthum, welches der Finder an den
herrenlosen Manuscripten erworben hatte, auch ein ausschliess-
liches Recht der Veröffentlichung begründe. Es bedarf jedoch
nicht der Ausführung, dass dieses Recht dem Verfasser der
Briefe und seinen Erben verblieben war und dass, wenn die
Letzteren etwa kein ausschliessliches Recht der Veröffentlichung
für sich geltend machen wollten, wenn man also auch den In-
halt wie den Körper der Briefe als derelinquirt ansehen wollte,
doch Niemand an dem Inhalte durch Occupation ein ausschliess-
liches Recht der Veröffentlichung erwerben kann.

Während bei den Schriften im gegebenen Falle leicht zu
beurtheilen ist, ob die Veräusserung des Manuscriptes zum
Zwecke der Veröffentlichung erfolgte, oder ob der Verfasser
das geistige Eigenthum zurückbehielt, hat diese Unterscheidung
bei den Kunstwerken häufig nicht geringe Schwierigkeiten. Diese
Schwierigkeiten beruhen darin, dass das Originalkunstwerk als
solches, auch abgesehen von der möglichen Vervielfältigung,
einen Vermögenswerth besitzt, was bei den Manuscripten meist
nicht der Fall ist, und dass der Werth des Originales in vielen
Fällen den aus der Reproduction zu ziehenden Nutzen über-
wiegt. Die vermögensrechtliche Nutzung aus der Reproduction
des Kunstwerkes erscheint daher in vielen Fällen als ein un-
tergeordneter Bestandtheil des durch die Arbeit des Künstlers
produzirten Vermögenswerthes. Bei vielen Kunstwerken ist es
zur Zeit ihrer ersten Veräusserung noch ganz ungewiss, ob ihre
Reproduction eine vermögensrechtliche Nutzung gewähren wird.
Erst später, wenn das Gemälde in weiteren Kreisen bekannt
und beliebt geworden ist, findet sich ein Verleger, der die Ver-
vielfältigung durch Kupferstich unternehmen will. Dazu kommt,
dass nur wenige Gemälde überhaupt zur Vervielfältigung durch
den Stich oder den Druck gelangen, so dass also bei ihrer
Entstehung und bei ihrer ersten Veräusserung die vermögens-
rechtliche Nutzung aus der Reproduction eine sehr ungewisse
ist. Man kann bei den Kunstwerken in der Regel nicht wie
bei den Schriften sagen, dass sie zur Vervielfältigung bestimmt
seien. Diese Art der Nutzung ist vielmehr meist etwas Zu-
fälliges und Nebensächliches, an das bei der ersten Veräusse-
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[327/0343] Veräusserung von Kunstwerken. fentlichung von der Bemerkung begleitet war: »Der Wieder- abdruck ist nicht gestattet«, so lag dabei die irrige Auffassung zu Grunde, dass das Eigenthum, welches der Finder an den herrenlosen Manuscripten erworben hatte, auch ein ausschliess- liches Recht der Veröffentlichung begründe. Es bedarf jedoch nicht der Ausführung, dass dieses Recht dem Verfasser der Briefe und seinen Erben verblieben war und dass, wenn die Letzteren etwa kein ausschliessliches Recht der Veröffentlichung für sich geltend machen wollten, wenn man also auch den In- halt wie den Körper der Briefe als derelinquirt ansehen wollte, doch Niemand an dem Inhalte durch Occupation ein ausschliess- liches Recht der Veröffentlichung erwerben kann. Während bei den Schriften im gegebenen Falle leicht zu beurtheilen ist, ob die Veräusserung des Manuscriptes zum Zwecke der Veröffentlichung erfolgte, oder ob der Verfasser das geistige Eigenthum zurückbehielt, hat diese Unterscheidung bei den Kunstwerken häufig nicht geringe Schwierigkeiten. Diese Schwierigkeiten beruhen darin, dass das Originalkunstwerk als solches, auch abgesehen von der möglichen Vervielfältigung, einen Vermögenswerth besitzt, was bei den Manuscripten meist nicht der Fall ist, und dass der Werth des Originales in vielen Fällen den aus der Reproduction zu ziehenden Nutzen über- wiegt. Die vermögensrechtliche Nutzung aus der Reproduction des Kunstwerkes erscheint daher in vielen Fällen als ein un- tergeordneter Bestandtheil des durch die Arbeit des Künstlers produzirten Vermögenswerthes. Bei vielen Kunstwerken ist es zur Zeit ihrer ersten Veräusserung noch ganz ungewiss, ob ihre Reproduction eine vermögensrechtliche Nutzung gewähren wird. Erst später, wenn das Gemälde in weiteren Kreisen bekannt und beliebt geworden ist, findet sich ein Verleger, der die Ver- vielfältigung durch Kupferstich unternehmen will. Dazu kommt, dass nur wenige Gemälde überhaupt zur Vervielfältigung durch den Stich oder den Druck gelangen, so dass also bei ihrer Entstehung und bei ihrer ersten Veräusserung die vermögens- rechtliche Nutzung aus der Reproduction eine sehr ungewisse ist. Man kann bei den Kunstwerken in der Regel nicht wie bei den Schriften sagen, dass sie zur Vervielfältigung bestimmt seien. Diese Art der Nutzung ist vielmehr meist etwas Zu- fälliges und Nebensächliches, an das bei der ersten Veräusse- rung des Kunstwerkes häufig gar nicht gedacht wird. In der

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/343>, abgerufen am 23.04.2024.