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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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VII. Der Verlagsvertrag. §. 30. Subjecte: 1. Der Autor.

Der Absender eines Briefes überträgt ohne Zweifel das
körperliche Eigenthum desselben auf den Adressaten 1). Das
geistige Eigenthum des Briefes geht dagegen der richtigen
Meinung nach auf den Adressaten nicht über. Es verbleibt
dem Absender, welcher allein befugt ist, die von ihm verfassten
Briefe zum Zwecke der vermögensrechtlichen Nutzung zu ver-
vielfältigen. Dies folgt daraus, dass das geistige Eigenthum
des Briefes ein von dem Sacheigenthume an der Schrift un-
abhängiges, selbständiges Recht ist, welches nicht ohne Wei-
teres mit dem Eigenthume des Manuscriptes übertragen wird.
Vielmehr muss die Absicht des Contrahenten erhellen, dass das
Eigenthum des körperlichen Manuscriptes zum Gebrauche der
Vervielfältigung übertragen worden ist, wenn der gleichzeitige
Uebergang des geistigen Eigenthumes angenommen werden soll.

Dies ist aber beim Briefwechsel keinesweges der Fall, da
der Absender des Briefes den Inhalt desselben nur zur eigenen
Kenntnissnahme, nicht zur Publication und zur vermögensrecht-
lichen Nutzung an den Adressaten mittheilt2).

1) Es ist unnöthig, zu untersuchen, worin beim Briefwechsel die
causa traditionis oder der rechtliche Grund der Eigenthumsübertragung
besteht. Er kann nach Verschiedenheit der Fälle als Schenkung, oder
als Begründung einer Obligation, oder als Erfüllung einer solchen (bei
der Beantwortung eines Briefes) characterisirt werden. Unzweifelhaft
ist aber in allen Fällen der rechtliche Wille der Correspondenten, nicht
den blossen Besitz, sondern das Eigenthum des Briefes auf den Adres-
saten zu übertragen, daher diese von dem Absender zwar unter Um-
ständen (z. B. bei aufgehobenen Verlöbnissen) condicirt, niemals aber
vindicirt werden können.
2) Bluntschli, Kritische Ueberschau Bd. I Heft I S. 17. -- Wäch-
ter, Das Verlagsrecht Th. I S. 239. -- Blanc, Traite de la contrefacon
p. 78. -- Godson, A Treatise on the law of patents and of copy-
right p. 328.
Allerdings kann dem Adressaten das Recht zur Veröffentli-
chung der an ihn gerichteten Briefe nicht unbedingt abgesprochen
werden. Er ist dazu befugt, wenn die Veröffentlichung zur Wahrung
seiner Rechte, zur Abwehr eines öffentlichen Angriffes u. dgl. dient
(Harum, Die Oesterreichische Pressgesetzgebung S. 97). Allein bei einer
solchen Veröffentlichung bleibt die vermögensrechtliche Nutzung, also
das geistige Eigenthum des Briefschreibers ausser Frage und es han-
delt sich nur darum, ob die Veröffentlichung ohne Zustimmung des
Absenders das Recht der Persönlichkeit des Briefschreibers verletzt.
VII. Der Verlagsvertrag. §. 30. Subjecte: 1. Der Autor.

Der Absender eines Briefes überträgt ohne Zweifel das
körperliche Eigenthum desselben auf den Adressaten 1). Das
geistige Eigenthum des Briefes geht dagegen der richtigen
Meinung nach auf den Adressaten nicht über. Es verbleibt
dem Absender, welcher allein befugt ist, die von ihm verfassten
Briefe zum Zwecke der vermögensrechtlichen Nutzung zu ver-
vielfältigen. Dies folgt daraus, dass das geistige Eigenthum
des Briefes ein von dem Sacheigenthume an der Schrift un-
abhängiges, selbständiges Recht ist, welches nicht ohne Wei-
teres mit dem Eigenthume des Manuscriptes übertragen wird.
Vielmehr muss die Absicht des Contrahenten erhellen, dass das
Eigenthum des körperlichen Manuscriptes zum Gebrauche der
Vervielfältigung übertragen worden ist, wenn der gleichzeitige
Uebergang des geistigen Eigenthumes angenommen werden soll.

Dies ist aber beim Briefwechsel keinesweges der Fall, da
der Absender des Briefes den Inhalt desselben nur zur eigenen
Kenntnissnahme, nicht zur Publication und zur vermögensrecht-
lichen Nutzung an den Adressaten mittheilt2).

1) Es ist unnöthig, zu untersuchen, worin beim Briefwechsel die
causa traditionis oder der rechtliche Grund der Eigenthumsübertragung
besteht. Er kann nach Verschiedenheit der Fälle als Schenkung, oder
als Begründung einer Obligation, oder als Erfüllung einer solchen (bei
der Beantwortung eines Briefes) characterisirt werden. Unzweifelhaft
ist aber in allen Fällen der rechtliche Wille der Correspondenten, nicht
den blossen Besitz, sondern das Eigenthum des Briefes auf den Adres-
saten zu übertragen, daher diese von dem Absender zwar unter Um-
ständen (z. B. bei aufgehobenen Verlöbnissen) condicirt, niemals aber
vindicirt werden können.
2) Bluntschli, Kritische Ueberschau Bd. I Heft I S. 17. — Wäch-
ter, Das Verlagsrecht Th. I S. 239. — Blanc, Traité de la contrefaçon
p. 78. — Godson, A Treatise on the law of patents and of copy-
right p. 328.
Allerdings kann dem Adressaten das Recht zur Veröffentli-
chung der an ihn gerichteten Briefe nicht unbedingt abgesprochen
werden. Er ist dazu befugt, wenn die Veröffentlichung zur Wahrung
seiner Rechte, zur Abwehr eines öffentlichen Angriffes u. dgl. dient
(Harum, Die Oesterreichische Pressgesetzgebung S. 97). Allein bei einer
solchen Veröffentlichung bleibt die vermögensrechtliche Nutzung, also
das geistige Eigenthum des Briefschreibers ausser Frage und es han-
delt sich nur darum, ob die Veröffentlichung ohne Zustimmung des
Absenders das Recht der Persönlichkeit des Briefschreibers verletzt.
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[322/0338] VII. Der Verlagsvertrag. §. 30. Subjecte: 1. Der Autor. Der Absender eines Briefes überträgt ohne Zweifel das körperliche Eigenthum desselben auf den Adressaten 1). Das geistige Eigenthum des Briefes geht dagegen der richtigen Meinung nach auf den Adressaten nicht über. Es verbleibt dem Absender, welcher allein befugt ist, die von ihm verfassten Briefe zum Zwecke der vermögensrechtlichen Nutzung zu ver- vielfältigen. Dies folgt daraus, dass das geistige Eigenthum des Briefes ein von dem Sacheigenthume an der Schrift un- abhängiges, selbständiges Recht ist, welches nicht ohne Wei- teres mit dem Eigenthume des Manuscriptes übertragen wird. Vielmehr muss die Absicht des Contrahenten erhellen, dass das Eigenthum des körperlichen Manuscriptes zum Gebrauche der Vervielfältigung übertragen worden ist, wenn der gleichzeitige Uebergang des geistigen Eigenthumes angenommen werden soll. Dies ist aber beim Briefwechsel keinesweges der Fall, da der Absender des Briefes den Inhalt desselben nur zur eigenen Kenntnissnahme, nicht zur Publication und zur vermögensrecht- lichen Nutzung an den Adressaten mittheilt 2). 1) Es ist unnöthig, zu untersuchen, worin beim Briefwechsel die causa traditionis oder der rechtliche Grund der Eigenthumsübertragung besteht. Er kann nach Verschiedenheit der Fälle als Schenkung, oder als Begründung einer Obligation, oder als Erfüllung einer solchen (bei der Beantwortung eines Briefes) characterisirt werden. Unzweifelhaft ist aber in allen Fällen der rechtliche Wille der Correspondenten, nicht den blossen Besitz, sondern das Eigenthum des Briefes auf den Adres- saten zu übertragen, daher diese von dem Absender zwar unter Um- ständen (z. B. bei aufgehobenen Verlöbnissen) condicirt, niemals aber vindicirt werden können. 2) Bluntschli, Kritische Ueberschau Bd. I Heft I S. 17. — Wäch- ter, Das Verlagsrecht Th. I S. 239. — Blanc, Traité de la contrefaçon p. 78. — Godson, A Treatise on the law of patents and of copy- right p. 328. Allerdings kann dem Adressaten das Recht zur Veröffentli- chung der an ihn gerichteten Briefe nicht unbedingt abgesprochen werden. Er ist dazu befugt, wenn die Veröffentlichung zur Wahrung seiner Rechte, zur Abwehr eines öffentlichen Angriffes u. dgl. dient (Harum, Die Oesterreichische Pressgesetzgebung S. 97). Allein bei einer solchen Veröffentlichung bleibt die vermögensrechtliche Nutzung, also das geistige Eigenthum des Briefschreibers ausser Frage und es han- delt sich nur darum, ob die Veröffentlichung ohne Zustimmung des Absenders das Recht der Persönlichkeit des Briefschreibers verletzt.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/338>, abgerufen am 25.04.2024.