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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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I. Einleitung. §. 3. Werth des geistigen Eigenthumes.
zigen Steinkohlengrube (Chace Water) bei drei Maschinen auf
48000 Thlr. jährlich. Und dennoch, wie verschwindend klein sind
auch die verhältnissmässig reichen Gewinnste dieses einen Erfinders
gegen den unberechenbaren Gewinn, welcher aus seiner Erfindung
der Industrie und dem Gesammtreichthume zugeflossen ist! Und
wie glücklich wäre das Loos der Erfinder, wenn jedem von
ihnen nur derselbe bescheidene Antheil an den Früchten seiner
geistigen Arbeit zu Theil würde! Aber nicht bloss das Loos
der Erfinder würde durch Erfüllung dieser Forderung der Ge-
rechtigkeit verbessert werden, sondern die Industrie selbst, in
deren Dienste sie arbeiten, wird durch die Zahlung dieses
Preises sich selbst bereichern. Und diese Regel gilt nicht bloss
für den Erfinder und seine Arbeitgeberin, die Industrie, son-
dern von der geistigen Arbeit überhaupt. Das Angebot der
geistigen Arbeit hängt allerdings nicht, wie dasjenige der Hand-
arbeit, lediglich von dem Stande des marktgängigen Arbeits-
lohnes ab. Man ist vielmehr geneigt und in gewissem Grade
berechtigt, die Arbeit des Denkers und des Dichters als die
Frucht einer glücklichen Musse zu betrachten, welche von der
Sorge um die blosse körperliche Existenz befreit, freie höhere
Ziele verfolgt. Es ist auch gewiss, dass der Werth der geistigen
Arbeit nicht allein nach dem materiellen Gewinne zu schätzen
ist, der aus ihren Früchten gezogen werden kann, und dass
deshalb der Lohn der geistigen Arbeit nicht nach diesem ma-
teriellen Gewinne bemessen werden kann. Ein grosser und
werthvoller Theil des geistigen Kapitales, welches wir als die
Frucht der geistigen Arbeit aller Zeiten besitzen, ist in Gelde
nicht schätzbar. Aus diesem unbestrittenen Satze ist dann der
Trugschluss abgeleitet, dass die Dichter und Denker überhaupt
des materiellen Soldes nicht bedürfen und sich an dem rein
geistigen Lohne für ihre Arbeit genügen lassen müssten. Nach
Theocrit hielt man schon vor zweitausend Jahren den Dich-
tern, die eine Belohnung verlangten, den Homer entgegen,
welcher als der Grösste aller Dichter doch von dem Leser
keinen Zoll nehme.1) Und so ist zu allen Zeiten aus dem
Grundsatze, dass der Dichter und der Denker für höhere Ziele

1) ....... Theoi timosin aoidos
....... alis pantessin Omeros
outos aoidon lostos, os ex emeu o[i]setai ouden.

I. Einleitung. §. 3. Werth des geistigen Eigenthumes.
zigen Steinkohlengrube (Chace Water) bei drei Maschinen auf
48000 Thlr. jährlich. Und dennoch, wie verschwindend klein sind
auch die verhältnissmässig reichen Gewinnste dieses einen Erfinders
gegen den unberechenbaren Gewinn, welcher aus seiner Erfindung
der Industrie und dem Gesammtreichthume zugeflossen ist! Und
wie glücklich wäre das Loos der Erfinder, wenn jedem von
ihnen nur derselbe bescheidene Antheil an den Früchten seiner
geistigen Arbeit zu Theil würde! Aber nicht bloss das Loos
der Erfinder würde durch Erfüllung dieser Forderung der Ge-
rechtigkeit verbessert werden, sondern die Industrie selbst, in
deren Dienste sie arbeiten, wird durch die Zahlung dieses
Preises sich selbst bereichern. Und diese Regel gilt nicht bloss
für den Erfinder und seine Arbeitgeberin, die Industrie, son-
dern von der geistigen Arbeit überhaupt. Das Angebot der
geistigen Arbeit hängt allerdings nicht, wie dasjenige der Hand-
arbeit, lediglich von dem Stande des marktgängigen Arbeits-
lohnes ab. Man ist vielmehr geneigt und in gewissem Grade
berechtigt, die Arbeit des Denkers und des Dichters als die
Frucht einer glücklichen Musse zu betrachten, welche von der
Sorge um die blosse körperliche Existenz befreit, freie höhere
Ziele verfolgt. Es ist auch gewiss, dass der Werth der geistigen
Arbeit nicht allein nach dem materiellen Gewinne zu schätzen
ist, der aus ihren Früchten gezogen werden kann, und dass
deshalb der Lohn der geistigen Arbeit nicht nach diesem ma-
teriellen Gewinne bemessen werden kann. Ein grosser und
werthvoller Theil des geistigen Kapitales, welches wir als die
Frucht der geistigen Arbeit aller Zeiten besitzen, ist in Gelde
nicht schätzbar. Aus diesem unbestrittenen Satze ist dann der
Trugschluss abgeleitet, dass die Dichter und Denker überhaupt
des materiellen Soldes nicht bedürfen und sich an dem rein
geistigen Lohne für ihre Arbeit genügen lassen müssten. Nach
Theocrit hielt man schon vor zweitausend Jahren den Dich-
tern, die eine Belohnung verlangten, den Homer entgegen,
welcher als der Grösste aller Dichter doch von dem Leser
keinen Zoll nehme.1) Und so ist zu allen Zeiten aus dem
Grundsatze, dass der Dichter und der Denker für höhere Ziele

1) ....... Θεοὶ τιμῶσιν ἀοιδώς
....... ἅλις πάντεσσιν Ὅμηϱος
οὗτος ἀοιδῶν λῷστος, ὃς ἐξ ἐμεῦ ο[ἴ]σεται οὐδέν.
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[14/0030] I. Einleitung. §. 3. Werth des geistigen Eigenthumes. zigen Steinkohlengrube (Chace Water) bei drei Maschinen auf 48000 Thlr. jährlich. Und dennoch, wie verschwindend klein sind auch die verhältnissmässig reichen Gewinnste dieses einen Erfinders gegen den unberechenbaren Gewinn, welcher aus seiner Erfindung der Industrie und dem Gesammtreichthume zugeflossen ist! Und wie glücklich wäre das Loos der Erfinder, wenn jedem von ihnen nur derselbe bescheidene Antheil an den Früchten seiner geistigen Arbeit zu Theil würde! Aber nicht bloss das Loos der Erfinder würde durch Erfüllung dieser Forderung der Ge- rechtigkeit verbessert werden, sondern die Industrie selbst, in deren Dienste sie arbeiten, wird durch die Zahlung dieses Preises sich selbst bereichern. Und diese Regel gilt nicht bloss für den Erfinder und seine Arbeitgeberin, die Industrie, son- dern von der geistigen Arbeit überhaupt. Das Angebot der geistigen Arbeit hängt allerdings nicht, wie dasjenige der Hand- arbeit, lediglich von dem Stande des marktgängigen Arbeits- lohnes ab. Man ist vielmehr geneigt und in gewissem Grade berechtigt, die Arbeit des Denkers und des Dichters als die Frucht einer glücklichen Musse zu betrachten, welche von der Sorge um die blosse körperliche Existenz befreit, freie höhere Ziele verfolgt. Es ist auch gewiss, dass der Werth der geistigen Arbeit nicht allein nach dem materiellen Gewinne zu schätzen ist, der aus ihren Früchten gezogen werden kann, und dass deshalb der Lohn der geistigen Arbeit nicht nach diesem ma- teriellen Gewinne bemessen werden kann. Ein grosser und werthvoller Theil des geistigen Kapitales, welches wir als die Frucht der geistigen Arbeit aller Zeiten besitzen, ist in Gelde nicht schätzbar. Aus diesem unbestrittenen Satze ist dann der Trugschluss abgeleitet, dass die Dichter und Denker überhaupt des materiellen Soldes nicht bedürfen und sich an dem rein geistigen Lohne für ihre Arbeit genügen lassen müssten. Nach Theocrit hielt man schon vor zweitausend Jahren den Dich- tern, die eine Belohnung verlangten, den Homer entgegen, welcher als der Grösste aller Dichter doch von dem Leser keinen Zoll nehme. 1) Und so ist zu allen Zeiten aus dem Grundsatze, dass der Dichter und der Denker für höhere Ziele 1) ....... Θεοὶ τιμῶσιν ἀοιδώς ....... ἅλις πάντεσσιν Ὅμηϱος οὗτος ἀοιδῶν λῷστος, ὃς ἐξ ἐμεῦ οἴσεται οὐδέν.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/30>, abgerufen am 16.04.2024.