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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Verzicht und Verwirkung.

Ausser diesem vereinzelten Falle und ausser den Fällen
der ungeschützten Veröffentlichung kann das geistige Eigen-
thum in keinem Falle, weder vor noch nach der Veröffentli-
chung des Werkes durch eine Handlung des Betheiligten ver-
loren gehen. Es findet weder eine Verzichtleistung auf das
geistige Eigenthum, noch eine Verwirkung desselben statt.
Die Verzichtleistung insbesondere kann weder in der Form der
Dereliction stattfinden wie beim Sacheigenthume, da an dem
Geistesproducte kein körperlicher Besitz besteht, welcher auf-
gegeben werden könnte, noch auch in der Gestalt der blossen
Willenserklärung (Renuntiation), da dem Berechtigten nicht ein
bestimmter Verpflichteter gegenübersteht, welchem gegenüber
der Verzicht mit rechtlicher Wirkung erklärt werden könnte.
Wenn daher auch der Urheber das erworbene geistige Eigen-
thum thatsächlich unbenutzt lassen und diese Absicht allenfalls
in einer öffentlichen Erklärung aussprechen kann, so schliesst
eine solche Erklärung zwar die Strafe des Nachdrucks aus;
sie kann indess zu jeder Zeit zurückgenommen werden und hat
nicht den Verlust des geistigen Eigenthumes zur Folge.

Der Fall der Verwirkung des geistigen Eigenthumes ist
in keiner Gesetzgebung vorgesehen. Allerdings enthalten sämmt-
liche Patentgesetzgebungen die Bestimmung. dass das Patent
erlischt. wenn die Erfindung nicht binnen einer bestimmten
Frist (in Preussen binnen sechs Monaten) im Inlande ausgeführt
wird. Allein der Verlust des geistigen Eigenthumes wird in
diesem Falle lediglich durch den Ablauf der Zeit, nicht durch
eine Handlung des Berechtigten herbeigeführt. Es handelt sich
also im Grunde nur um eine kürzer bemessene Schutzfrist für
die unausgeführte Erfindung.

Das Englische Gesetz vom 1. Juli 1842 (5 & 6 Victoria
cap. 45) sect. 5 ermächtigt die Regierung, die Veröffentlichung
eines noch im geistigen Eigenthume befindlichen Buches nach

nuar 1839 §. 28; ferner das Braunschw. Gesetz v. 10. Februar 1842
§. 10 und die Kurhessische Verordnung v. 8. Februar 1855 §. 4.
Nach dem Oesterreichischen Gesetze vom 19. October 1846 §. 11
und dem Bundesbeschlusse vom 9. November 1837 geht bei der Ver-
äusserung des Originales ohne Vorbehalt das geistige Eigenthum
auf den Erwerber über, während nach den übrigen Deutschen Landes-
gesetzgebungen, sowie nach Englischem und Französischem Rechte das
geistige Eigenthum besonders übertragen werden muss.
Verzicht und Verwirkung.

Ausser diesem vereinzelten Falle und ausser den Fällen
der ungeschützten Veröffentlichung kann das geistige Eigen-
thum in keinem Falle, weder vor noch nach der Veröffentli-
chung des Werkes durch eine Handlung des Betheiligten ver-
loren gehen. Es findet weder eine Verzichtleistung auf das
geistige Eigenthum, noch eine Verwirkung desselben statt.
Die Verzichtleistung insbesondere kann weder in der Form der
Dereliction stattfinden wie beim Sacheigenthume, da an dem
Geistesproducte kein körperlicher Besitz besteht, welcher auf-
gegeben werden könnte, noch auch in der Gestalt der blossen
Willenserklärung (Renuntiation), da dem Berechtigten nicht ein
bestimmter Verpflichteter gegenübersteht, welchem gegenüber
der Verzicht mit rechtlicher Wirkung erklärt werden könnte.
Wenn daher auch der Urheber das erworbene geistige Eigen-
thum thatsächlich unbenutzt lassen und diese Absicht allenfalls
in einer öffentlichen Erklärung aussprechen kann, so schliesst
eine solche Erklärung zwar die Strafe des Nachdrucks aus;
sie kann indess zu jeder Zeit zurückgenommen werden und hat
nicht den Verlust des geistigen Eigenthumes zur Folge.

Der Fall der Verwirkung des geistigen Eigenthumes ist
in keiner Gesetzgebung vorgesehen. Allerdings enthalten sämmt-
liche Patentgesetzgebungen die Bestimmung. dass das Patent
erlischt. wenn die Erfindung nicht binnen einer bestimmten
Frist (in Preussen binnen sechs Monaten) im Inlande ausgeführt
wird. Allein der Verlust des geistigen Eigenthumes wird in
diesem Falle lediglich durch den Ablauf der Zeit, nicht durch
eine Handlung des Berechtigten herbeigeführt. Es handelt sich
also im Grunde nur um eine kürzer bemessene Schutzfrist für
die unausgeführte Erfindung.

Das Englische Gesetz vom 1. Juli 1842 (5 & 6 Victoria
cap. 45) sect. 5 ermächtigt die Regierung, die Veröffentlichung
eines noch im geistigen Eigenthume befindlichen Buches nach

nuar 1839 §. 28; ferner das Braunschw. Gesetz v. 10. Februar 1842
§. 10 und die Kurhessische Verordnung v. 8. Februar 1855 §. 4.
Nach dem Oesterreichischen Gesetze vom 19. October 1846 §. 11
und dem Bundesbeschlusse vom 9. November 1837 geht bei der Ver-
äusserung des Originales ohne Vorbehalt das geistige Eigenthum
auf den Erwerber über, während nach den übrigen Deutschen Landes-
gesetzgebungen, sowie nach Englischem und Französischem Rechte das
geistige Eigenthum besonders übertragen werden muss.
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[265/0281] Verzicht und Verwirkung. Ausser diesem vereinzelten Falle und ausser den Fällen der ungeschützten Veröffentlichung kann das geistige Eigen- thum in keinem Falle, weder vor noch nach der Veröffentli- chung des Werkes durch eine Handlung des Betheiligten ver- loren gehen. Es findet weder eine Verzichtleistung auf das geistige Eigenthum, noch eine Verwirkung desselben statt. Die Verzichtleistung insbesondere kann weder in der Form der Dereliction stattfinden wie beim Sacheigenthume, da an dem Geistesproducte kein körperlicher Besitz besteht, welcher auf- gegeben werden könnte, noch auch in der Gestalt der blossen Willenserklärung (Renuntiation), da dem Berechtigten nicht ein bestimmter Verpflichteter gegenübersteht, welchem gegenüber der Verzicht mit rechtlicher Wirkung erklärt werden könnte. Wenn daher auch der Urheber das erworbene geistige Eigen- thum thatsächlich unbenutzt lassen und diese Absicht allenfalls in einer öffentlichen Erklärung aussprechen kann, so schliesst eine solche Erklärung zwar die Strafe des Nachdrucks aus; sie kann indess zu jeder Zeit zurückgenommen werden und hat nicht den Verlust des geistigen Eigenthumes zur Folge. Der Fall der Verwirkung des geistigen Eigenthumes ist in keiner Gesetzgebung vorgesehen. Allerdings enthalten sämmt- liche Patentgesetzgebungen die Bestimmung. dass das Patent erlischt. wenn die Erfindung nicht binnen einer bestimmten Frist (in Preussen binnen sechs Monaten) im Inlande ausgeführt wird. Allein der Verlust des geistigen Eigenthumes wird in diesem Falle lediglich durch den Ablauf der Zeit, nicht durch eine Handlung des Berechtigten herbeigeführt. Es handelt sich also im Grunde nur um eine kürzer bemessene Schutzfrist für die unausgeführte Erfindung. Das Englische Gesetz vom 1. Juli 1842 (5 & 6 Victoria cap. 45) sect. 5 ermächtigt die Regierung, die Veröffentlichung eines noch im geistigen Eigenthume befindlichen Buches nach 1) 1) nuar 1839 §. 28; ferner das Braunschw. Gesetz v. 10. Februar 1842 §. 10 und die Kurhessische Verordnung v. 8. Februar 1855 §. 4. Nach dem Oesterreichischen Gesetze vom 19. October 1846 §. 11 und dem Bundesbeschlusse vom 9. November 1837 geht bei der Ver- äusserung des Originales ohne Vorbehalt das geistige Eigenthum auf den Erwerber über, während nach den übrigen Deutschen Landes- gesetzgebungen, sowie nach Englischem und Französischem Rechte das geistige Eigenthum besonders übertragen werden muss.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/281>, abgerufen am 16.04.2024.