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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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VI. Entstehung und Endigung. §. 23. Ort der Entstehung.
des Kunstwerkes erwerben würde. Dasselbe gilt für den Fall
der abschriftlichen Mittheilung eines im Auslande verfassten
Manuscriptes. Auch nach Englischem und Französischem Rechte
sind also noch nicht veröffentlichte Werke gegen unbefugten
Abdruck geschützt, sofern das Werk entweder im Inlande pro-
duzirt, oder doch bis zur Einbringung in das Inland im aus-
schliesslichen Besitze des Autors verblieben ist1).

Dieser Auffassung, wie sie aus den übereinstimmenden Regeln
der verschiedenen Nachdruckgesetzgebungen hier entwickelt
ist, steht die Ansicht gegenüber, dass für den Rechtsschutz
noch nicht veröffentlichter Werke das Indigenat des Urhe-
bers massgebend sei, welche von Jolly2) vertheidigt, aber von
Wächter3) überzeugend widerlegt wird. Das Erforderniss des
Indigenates lässt sich insbesondere nicht aus den Beschlüssen
des Deutschen Bundes und den damit übereinstimmenden Lan-
desgesetzen ableiten. Keines dieser Gesetze macht das Indige-
nat oder den inländischen Wohnort des Schriftstellers zur Be-
dingung des Rechtsschutzes. Ein solches Erforderniss folgt
auch keinesweges, wie Jolly meint, daraus, dass bei erschienenen
Werken das Erscheinen im ehemaligen Bundesgebiete massge-
bend ist. Wenn die Bundesbeschlüsse bei den erschienenen
Werken einen Unterschied zwischen Inland und Ausland ma-
chen, so werden dadurch, wie Wächter richtig bemerkt, die-
jenigen Werke, welche noch im Inlande erscheinen können, kei-
nesweges ausgeschlossen. In Ansehung der noch nicht erschie-
nenen Werke entscheidet mithin über die örtliche Herrschaft der
Rechtsvorschriften allein der Ort der Entstehung des geistigen
Eigenthumes, also der Ort der Hervorbringung des Geistespro-
ductes4).

Einer besonderen Erwähnung bedarf die Sächsische Ge-

1) Renouard, Traite des droits d'auteurs tom. 2 No. 73 & 89.
Gambastide, Traite theorique et pratique des contrefacons. No. 36 &
126. Godson, l. c. p. 332.
2) Die Lehre vom Nachdruck S. 139.
3) Das Verlagsrecht Th. I S. 404.
4) Die Bedingung des Indigenates oder des inländischen Wohn-
ortes findet sich, wie oben (S. 221) bemerkt ist, in dem Nordamerika-
nischen und in dem Niederländisch-Belgischen Rechte. Die Gesetzge-
bung der Vereinigten Staaten knüpft an diese Bedingung den Rechts-
schutz sowohl der veröffentlichten als der nicht veröffentlichten Werke.
Der Autor eines Manuscriptes wird gegen den unbefugten Abdruck nur

VI. Entstehung und Endigung. §. 23. Ort der Entstehung.
des Kunstwerkes erwerben würde. Dasselbe gilt für den Fall
der abschriftlichen Mittheilung eines im Auslande verfassten
Manuscriptes. Auch nach Englischem und Französischem Rechte
sind also noch nicht veröffentlichte Werke gegen unbefugten
Abdruck geschützt, sofern das Werk entweder im Inlande pro-
duzirt, oder doch bis zur Einbringung in das Inland im aus-
schliesslichen Besitze des Autors verblieben ist1).

Dieser Auffassung, wie sie aus den übereinstimmenden Regeln
der verschiedenen Nachdruckgesetzgebungen hier entwickelt
ist, steht die Ansicht gegenüber, dass für den Rechtsschutz
noch nicht veröffentlichter Werke das Indigenat des Urhe-
bers massgebend sei, welche von Jolly2) vertheidigt, aber von
Wächter3) überzeugend widerlegt wird. Das Erforderniss des
Indigenates lässt sich insbesondere nicht aus den Beschlüssen
des Deutschen Bundes und den damit übereinstimmenden Lan-
desgesetzen ableiten. Keines dieser Gesetze macht das Indige-
nat oder den inländischen Wohnort des Schriftstellers zur Be-
dingung des Rechtsschutzes. Ein solches Erforderniss folgt
auch keinesweges, wie Jolly meint, daraus, dass bei erschienenen
Werken das Erscheinen im ehemaligen Bundesgebiete massge-
bend ist. Wenn die Bundesbeschlüsse bei den erschienenen
Werken einen Unterschied zwischen Inland und Ausland ma-
chen, so werden dadurch, wie Wächter richtig bemerkt, die-
jenigen Werke, welche noch im Inlande erscheinen können, kei-
nesweges ausgeschlossen. In Ansehung der noch nicht erschie-
nenen Werke entscheidet mithin über die örtliche Herrschaft der
Rechtsvorschriften allein der Ort der Entstehung des geistigen
Eigenthumes, also der Ort der Hervorbringung des Geistespro-
ductes4).

Einer besonderen Erwähnung bedarf die Sächsische Ge-

1) Renouard, Traité des droits d’auteurs tom. 2 No. 73 & 89.
Gambastide, Traité théorique et pratique des contrefaçons. No. 36 &
126. Godson, l. c. p. 332.
2) Die Lehre vom Nachdruck S. 139.
3) Das Verlagsrecht Th. I S. 404.
4) Die Bedingung des Indigenates oder des inländischen Wohn-
ortes findet sich, wie oben (S. 221) bemerkt ist, in dem Nordamerika-
nischen und in dem Niederländisch-Belgischen Rechte. Die Gesetzge-
bung der Vereinigten Staaten knüpft an diese Bedingung den Rechts-
schutz sowohl der veröffentlichten als der nicht veröffentlichten Werke.
Der Autor eines Manuscriptes wird gegen den unbefugten Abdruck nur
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[246/0262] VI. Entstehung und Endigung. §. 23. Ort der Entstehung. des Kunstwerkes erwerben würde. Dasselbe gilt für den Fall der abschriftlichen Mittheilung eines im Auslande verfassten Manuscriptes. Auch nach Englischem und Französischem Rechte sind also noch nicht veröffentlichte Werke gegen unbefugten Abdruck geschützt, sofern das Werk entweder im Inlande pro- duzirt, oder doch bis zur Einbringung in das Inland im aus- schliesslichen Besitze des Autors verblieben ist 1). Dieser Auffassung, wie sie aus den übereinstimmenden Regeln der verschiedenen Nachdruckgesetzgebungen hier entwickelt ist, steht die Ansicht gegenüber, dass für den Rechtsschutz noch nicht veröffentlichter Werke das Indigenat des Urhe- bers massgebend sei, welche von Jolly 2) vertheidigt, aber von Wächter 3) überzeugend widerlegt wird. Das Erforderniss des Indigenates lässt sich insbesondere nicht aus den Beschlüssen des Deutschen Bundes und den damit übereinstimmenden Lan- desgesetzen ableiten. Keines dieser Gesetze macht das Indige- nat oder den inländischen Wohnort des Schriftstellers zur Be- dingung des Rechtsschutzes. Ein solches Erforderniss folgt auch keinesweges, wie Jolly meint, daraus, dass bei erschienenen Werken das Erscheinen im ehemaligen Bundesgebiete massge- bend ist. Wenn die Bundesbeschlüsse bei den erschienenen Werken einen Unterschied zwischen Inland und Ausland ma- chen, so werden dadurch, wie Wächter richtig bemerkt, die- jenigen Werke, welche noch im Inlande erscheinen können, kei- nesweges ausgeschlossen. In Ansehung der noch nicht erschie- nenen Werke entscheidet mithin über die örtliche Herrschaft der Rechtsvorschriften allein der Ort der Entstehung des geistigen Eigenthumes, also der Ort der Hervorbringung des Geistespro- ductes 4). Einer besonderen Erwähnung bedarf die Sächsische Ge- 1) Renouard, Traité des droits d’auteurs tom. 2 No. 73 & 89. Gambastide, Traité théorique et pratique des contrefaçons. No. 36 & 126. Godson, l. c. p. 332. 2) Die Lehre vom Nachdruck S. 139. 3) Das Verlagsrecht Th. I S. 404. 4) Die Bedingung des Indigenates oder des inländischen Wohn- ortes findet sich, wie oben (S. 221) bemerkt ist, in dem Nordamerika- nischen und in dem Niederländisch-Belgischen Rechte. Die Gesetzge- bung der Vereinigten Staaten knüpft an diese Bedingung den Rechts- schutz sowohl der veröffentlichten als der nicht veröffentlichten Werke. Der Autor eines Manuscriptes wird gegen den unbefugten Abdruck nur

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/262>, abgerufen am 28.03.2024.