Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

VI. Entstehung und Endigung. §. 23. Ort der Entstehung.
Manuscript in so eminentem Sinne eine Aeusserung seiner Per-
sönlichkeit darstellt, dass er dasselbe mit Recht als eine Pro-
duction bezeichnen kann, die erst in dem Augenblicke ihrer
Mittheilung für den Rechtsverkehr entsteht, die also, wie seine
jenseit der Grenze erworbenen nicht niedergeschriebenen Er-
fahrungen und Kenntnisse als in Preussen entstanden gelten
muss, wenn das Product nicht früher mitgetheilt wurde. Mit
andern Worten: ein blosses Manuscript, das der Autor jederzeit
ändern oder unterdrücken kann, muss in jedem Augenblicke
bis zu seiner Veröffentlichung als der neue Ausdruck seiner
Gedanken gelten. In diesem Sinne darf man also sagen, dass
der Autor den unbefugten Abdruck seines nicht mitgetheilten
Werkes an jedem Orte, an dem er sich aufhält, auf Grund
der dort geltenden Gesetze, deren Rechtsschutz er geniesst,
untersagen kann.

Anders verhält es sich jedoch, wenn vor der Veröffentlichung
eine Mittheilung stattgefunden hat, wenn mithin der Urheber
nicht im Besitze oder doch nicht im ausschliesslichen Besitze des
im Auslande entstandenen Geistesproductes geblieben ist. Wenn
ein Künstler ein in Frankreich verfertigtes Kunstwerk dort vor
seiner Uebersiedelung nach Oesterreich verkauft, so kann er
gegen die unbefugte Nachbildung dieses Werkes den Schutz
der Oesterreichischen Gesetze nicht anrufen, weil das Werk
weder in Oesterreich hervorgebracht, noch auch in Oesterreich
oder in einem durch gegenseitigen Rechtsschutz mit Oesterreich
verbundenen Staate erschienen1) ist, folglich nicht zu den nach
§§. 36 bis 39 des Gesetzes vom 19. October 1846 gegen Nach-
druck geschützten Werken gehört.

Dieselbe Regel gilt nach dem Preussischen Rechte und nach
den übrigen Deutschen Nachdruckgesetzgebungen, welche im
Anschluss an den Bundesbeschluss vom 9. November 1837 aus-
drücklich auch die noch nicht veröffentlichten Schriften und
Kunstwerke gegen unbefugte Vervielfältigung schützen, und für

1) "Unter dem hier massgebenden Erscheinen des Werkes
ist natürlich nur die rechtmässige Publication, nicht das Erscheinen
der Nachdruckausgabe verstanden; denn in letzterem Falle müsste
jeder Nachdruck ausländischer Verlagsartikel, welcher in Deutsch-
land erfolgt, als verboten gelten, was der Intention unserer dermaligen
positiven Gesetze widerspricht" (Wächter, Das Verlagsrecht Th. I S. 399.)

VI. Entstehung und Endigung. §. 23. Ort der Entstehung.
Manuscript in so eminentem Sinne eine Aeusserung seiner Per-
sönlichkeit darstellt, dass er dasselbe mit Recht als eine Pro-
duction bezeichnen kann, die erst in dem Augenblicke ihrer
Mittheilung für den Rechtsverkehr entsteht, die also, wie seine
jenseit der Grenze erworbenen nicht niedergeschriebenen Er-
fahrungen und Kenntnisse als in Preussen entstanden gelten
muss, wenn das Product nicht früher mitgetheilt wurde. Mit
andern Worten: ein blosses Manuscript, das der Autor jederzeit
ändern oder unterdrücken kann, muss in jedem Augenblicke
bis zu seiner Veröffentlichung als der neue Ausdruck seiner
Gedanken gelten. In diesem Sinne darf man also sagen, dass
der Autor den unbefugten Abdruck seines nicht mitgetheilten
Werkes an jedem Orte, an dem er sich aufhält, auf Grund
der dort geltenden Gesetze, deren Rechtsschutz er geniesst,
untersagen kann.

Anders verhält es sich jedoch, wenn vor der Veröffentlichung
eine Mittheilung stattgefunden hat, wenn mithin der Urheber
nicht im Besitze oder doch nicht im ausschliesslichen Besitze des
im Auslande entstandenen Geistesproductes geblieben ist. Wenn
ein Künstler ein in Frankreich verfertigtes Kunstwerk dort vor
seiner Uebersiedelung nach Oesterreich verkauft, so kann er
gegen die unbefugte Nachbildung dieses Werkes den Schutz
der Oesterreichischen Gesetze nicht anrufen, weil das Werk
weder in Oesterreich hervorgebracht, noch auch in Oesterreich
oder in einem durch gegenseitigen Rechtsschutz mit Oesterreich
verbundenen Staate erschienen1) ist, folglich nicht zu den nach
§§. 36 bis 39 des Gesetzes vom 19. October 1846 gegen Nach-
druck geschützten Werken gehört.

Dieselbe Regel gilt nach dem Preussischen Rechte und nach
den übrigen Deutschen Nachdruckgesetzgebungen, welche im
Anschluss an den Bundesbeschluss vom 9. November 1837 aus-
drücklich auch die noch nicht veröffentlichten Schriften und
Kunstwerke gegen unbefugte Vervielfältigung schützen, und für

1) »Unter dem hier massgebenden Erscheinen des Werkes
ist natürlich nur die rechtmässige Publication, nicht das Erscheinen
der Nachdruckausgabe verstanden; denn in letzterem Falle müsste
jeder Nachdruck ausländischer Verlagsartikel, welcher in Deutsch-
land erfolgt, als verboten gelten, was der Intention unserer dermaligen
positiven Gesetze widerspricht« (Wächter, Das Verlagsrecht Th. I S. 399.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0260" n="244"/><fw place="top" type="header">VI. Entstehung und Endigung. §. 23. Ort der Entstehung.</fw><lb/>
Manuscript in so eminentem Sinne eine Aeusserung seiner Per-<lb/>
sönlichkeit darstellt, dass er dasselbe mit Recht als eine Pro-<lb/>
duction bezeichnen kann, die erst in dem Augenblicke ihrer<lb/>
Mittheilung für den Rechtsverkehr entsteht, die also, wie seine<lb/>
jenseit der Grenze erworbenen nicht niedergeschriebenen Er-<lb/>
fahrungen und Kenntnisse als in Preussen entstanden gelten<lb/>
muss, wenn das Product nicht früher mitgetheilt wurde. Mit<lb/>
andern Worten: ein blosses Manuscript, das der Autor jederzeit<lb/>
ändern oder unterdrücken kann, muss in jedem Augenblicke<lb/>
bis zu seiner Veröffentlichung als der neue Ausdruck seiner<lb/>
Gedanken gelten. In diesem Sinne darf man also sagen, dass<lb/>
der Autor den unbefugten Abdruck seines nicht mitgetheilten<lb/>
Werkes an jedem Orte, an dem er sich aufhält, auf Grund<lb/>
der dort geltenden Gesetze, deren Rechtsschutz er geniesst,<lb/>
untersagen kann.</p><lb/>
            <p>Anders verhält es sich jedoch, wenn vor der Veröffentlichung<lb/>
eine Mittheilung stattgefunden hat, wenn mithin der Urheber<lb/>
nicht im Besitze oder doch nicht im ausschliesslichen Besitze des<lb/>
im Auslande entstandenen Geistesproductes geblieben ist. Wenn<lb/>
ein Künstler ein in Frankreich verfertigtes Kunstwerk dort vor<lb/>
seiner Uebersiedelung nach Oesterreich verkauft, so kann er<lb/>
gegen die unbefugte Nachbildung dieses Werkes den Schutz<lb/>
der Oesterreichischen Gesetze nicht anrufen, weil das Werk<lb/>
weder in Oesterreich hervorgebracht, noch auch in Oesterreich<lb/>
oder in einem durch gegenseitigen Rechtsschutz mit Oesterreich<lb/>
verbundenen Staate erschienen<note place="foot" n="1)">»Unter dem hier massgebenden <hi rendition="#g">Erscheinen</hi> des Werkes<lb/>
ist natürlich nur die rechtmässige Publication, nicht das Erscheinen<lb/>
der Nachdruckausgabe verstanden; denn in letzterem Falle müsste<lb/>
jeder Nachdruck ausländischer Verlagsartikel, welcher in Deutsch-<lb/>
land erfolgt, als verboten gelten, was der Intention unserer dermaligen<lb/>
positiven Gesetze widerspricht« (Wächter, Das Verlagsrecht Th. I S. 399.)</note> ist, folglich nicht zu den nach<lb/>
§§. 36 bis 39 des Gesetzes vom 19. October 1846 gegen Nach-<lb/>
druck geschützten Werken gehört.</p><lb/>
            <p>Dieselbe Regel gilt nach dem Preussischen Rechte und nach<lb/>
den übrigen Deutschen Nachdruckgesetzgebungen, welche im<lb/>
Anschluss an den Bundesbeschluss vom 9. November 1837 aus-<lb/>
drücklich auch die noch nicht veröffentlichten Schriften und<lb/>
Kunstwerke gegen unbefugte Vervielfältigung schützen, und für<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[244/0260] VI. Entstehung und Endigung. §. 23. Ort der Entstehung. Manuscript in so eminentem Sinne eine Aeusserung seiner Per- sönlichkeit darstellt, dass er dasselbe mit Recht als eine Pro- duction bezeichnen kann, die erst in dem Augenblicke ihrer Mittheilung für den Rechtsverkehr entsteht, die also, wie seine jenseit der Grenze erworbenen nicht niedergeschriebenen Er- fahrungen und Kenntnisse als in Preussen entstanden gelten muss, wenn das Product nicht früher mitgetheilt wurde. Mit andern Worten: ein blosses Manuscript, das der Autor jederzeit ändern oder unterdrücken kann, muss in jedem Augenblicke bis zu seiner Veröffentlichung als der neue Ausdruck seiner Gedanken gelten. In diesem Sinne darf man also sagen, dass der Autor den unbefugten Abdruck seines nicht mitgetheilten Werkes an jedem Orte, an dem er sich aufhält, auf Grund der dort geltenden Gesetze, deren Rechtsschutz er geniesst, untersagen kann. Anders verhält es sich jedoch, wenn vor der Veröffentlichung eine Mittheilung stattgefunden hat, wenn mithin der Urheber nicht im Besitze oder doch nicht im ausschliesslichen Besitze des im Auslande entstandenen Geistesproductes geblieben ist. Wenn ein Künstler ein in Frankreich verfertigtes Kunstwerk dort vor seiner Uebersiedelung nach Oesterreich verkauft, so kann er gegen die unbefugte Nachbildung dieses Werkes den Schutz der Oesterreichischen Gesetze nicht anrufen, weil das Werk weder in Oesterreich hervorgebracht, noch auch in Oesterreich oder in einem durch gegenseitigen Rechtsschutz mit Oesterreich verbundenen Staate erschienen 1) ist, folglich nicht zu den nach §§. 36 bis 39 des Gesetzes vom 19. October 1846 gegen Nach- druck geschützten Werken gehört. Dieselbe Regel gilt nach dem Preussischen Rechte und nach den übrigen Deutschen Nachdruckgesetzgebungen, welche im Anschluss an den Bundesbeschluss vom 9. November 1837 aus- drücklich auch die noch nicht veröffentlichten Schriften und Kunstwerke gegen unbefugte Vervielfältigung schützen, und für 1) »Unter dem hier massgebenden Erscheinen des Werkes ist natürlich nur die rechtmässige Publication, nicht das Erscheinen der Nachdruckausgabe verstanden; denn in letzterem Falle müsste jeder Nachdruck ausländischer Verlagsartikel, welcher in Deutsch- land erfolgt, als verboten gelten, was der Intention unserer dermaligen positiven Gesetze widerspricht« (Wächter, Das Verlagsrecht Th. I S. 399.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/260
Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/260>, abgerufen am 19.04.2024.