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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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VI. Entstehung und Endigung. §. 22. Zeit der Entstehung.
den vorausgesetzten Fall würde sich als rationale Lösung eben-
falls eine Gemeinschaft des geistigen Eigenthumes ergeben,
vorausgesetzt, dass die Priorität der Erfindung entweder nicht
festgestellt werden kann, oder doch die jüngere Erfindung ge-
macht ist, ehe die ältere den Schutz des Gesetzes gegen Re-
production erlangt hatte. --

Die bestehenden Patentgesetzgebungen nehmen jedoch diese
Lösung nicht an. Auch entscheidet, nach den Regeln sämmt-
licher Patentgesetze (soweit dieselben überhaupt Regeln für die
Berechtigung zur Patentertheilung geben, was von der Preus-
sischen Gesetzgebung nicht behauptet werden kann), nicht etwa
die Priorität der Erfindung, sondern die Priorität der Anmel-
dung. Dies gilt nicht bloss in denjenigen Ländern, welche
den ersten Patentsucher als fingirten Erfinder betrachten, son-
dern auch in Grossbritannien und Nordamerika, sofern es sich
um die Concurrenz zwischen zwei "ersten und wahren Erfin-
dern handelt" (vergl. oben S. 233).

§. 22. Zeit der Entstehung.

Hervorbringung. -- Veröffentlichung. -- Pseudonyme und anonyme
Schriften. -- Anmeldung. -- Lauf der Schutzfristen.

Das geistige Eigenthum entsteht gleichzeitig mit der Her-
vorbringung des Geistesproductes. Es wird in dem Augenblicke
erworben, in welchem das Product in einer zur Mittheilung
geeigneten Form äusserlich dargestellt ist. Vor diesem Zeit-
puncte fehlt es an einem äusserlich erkennbaren Gegenstande
der Nachahmung oder Reproduction. Die bloss im Geiste des
Autors concipirte Idee ist daher weder geeignet, in den Rechts-
verkehr einzutreten, noch kann in Bezug auf dieselbe ein Ein-
griff in die Rechtssphäre des Urhebers stattfinden, da es voll-
ständig in seiner Macht liegt, sich die ausschliessliche Benutzung
der noch nicht mitgetheilten Idee zu wahren.

Das geistige Eigenthum entsteht also mit dem Nieder-
schreiben oder der Anfertigung des Werkes und mit der er-
sten Ausführung der Erfindung. Dagegen ist es keinesweges
Bedingung des Rechtsschutzes, dass die Darstellung des Gei-
stesproductes vollendet sei. Daher sind auch die blossen Vor-
arbeiten zu einer Schrift, zusammengetragene Materialien u.
dgl. gegen Nachdruck geschützt.

VI. Entstehung und Endigung. §. 22. Zeit der Entstehung.
den vorausgesetzten Fall würde sich als rationale Lösung eben-
falls eine Gemeinschaft des geistigen Eigenthumes ergeben,
vorausgesetzt, dass die Priorität der Erfindung entweder nicht
festgestellt werden kann, oder doch die jüngere Erfindung ge-
macht ist, ehe die ältere den Schutz des Gesetzes gegen Re-
production erlangt hatte. —

Die bestehenden Patentgesetzgebungen nehmen jedoch diese
Lösung nicht an. Auch entscheidet, nach den Regeln sämmt-
licher Patentgesetze (soweit dieselben überhaupt Regeln für die
Berechtigung zur Patentertheilung geben, was von der Preus-
sischen Gesetzgebung nicht behauptet werden kann), nicht etwa
die Priorität der Erfindung, sondern die Priorität der Anmel-
dung. Dies gilt nicht bloss in denjenigen Ländern, welche
den ersten Patentsucher als fingirten Erfinder betrachten, son-
dern auch in Grossbritannien und Nordamerika, sofern es sich
um die Concurrenz zwischen zwei »ersten und wahren Erfin-
dern handelt« (vergl. oben S. 233).

§. 22. Zeit der Entstehung.

Hervorbringung. — Veröffentlichung. — Pseudonyme und anonyme
Schriften. — Anmeldung. — Lauf der Schutzfristen.

Das geistige Eigenthum entsteht gleichzeitig mit der Her-
vorbringung des Geistesproductes. Es wird in dem Augenblicke
erworben, in welchem das Product in einer zur Mittheilung
geeigneten Form äusserlich dargestellt ist. Vor diesem Zeit-
puncte fehlt es an einem äusserlich erkennbaren Gegenstande
der Nachahmung oder Reproduction. Die bloss im Geiste des
Autors concipirte Idee ist daher weder geeignet, in den Rechts-
verkehr einzutreten, noch kann in Bezug auf dieselbe ein Ein-
griff in die Rechtssphäre des Urhebers stattfinden, da es voll-
ständig in seiner Macht liegt, sich die ausschliessliche Benutzung
der noch nicht mitgetheilten Idee zu wahren.

Das geistige Eigenthum entsteht also mit dem Nieder-
schreiben oder der Anfertigung des Werkes und mit der er-
sten Ausführung der Erfindung. Dagegen ist es keinesweges
Bedingung des Rechtsschutzes, dass die Darstellung des Gei-
stesproductes vollendet sei. Daher sind auch die blossen Vor-
arbeiten zu einer Schrift, zusammengetragene Materialien u.
dgl. gegen Nachdruck geschützt.

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[238/0254] VI. Entstehung und Endigung. §. 22. Zeit der Entstehung. den vorausgesetzten Fall würde sich als rationale Lösung eben- falls eine Gemeinschaft des geistigen Eigenthumes ergeben, vorausgesetzt, dass die Priorität der Erfindung entweder nicht festgestellt werden kann, oder doch die jüngere Erfindung ge- macht ist, ehe die ältere den Schutz des Gesetzes gegen Re- production erlangt hatte. — Die bestehenden Patentgesetzgebungen nehmen jedoch diese Lösung nicht an. Auch entscheidet, nach den Regeln sämmt- licher Patentgesetze (soweit dieselben überhaupt Regeln für die Berechtigung zur Patentertheilung geben, was von der Preus- sischen Gesetzgebung nicht behauptet werden kann), nicht etwa die Priorität der Erfindung, sondern die Priorität der Anmel- dung. Dies gilt nicht bloss in denjenigen Ländern, welche den ersten Patentsucher als fingirten Erfinder betrachten, son- dern auch in Grossbritannien und Nordamerika, sofern es sich um die Concurrenz zwischen zwei »ersten und wahren Erfin- dern handelt« (vergl. oben S. 233). §. 22. Zeit der Entstehung. Hervorbringung. — Veröffentlichung. — Pseudonyme und anonyme Schriften. — Anmeldung. — Lauf der Schutzfristen. Das geistige Eigenthum entsteht gleichzeitig mit der Her- vorbringung des Geistesproductes. Es wird in dem Augenblicke erworben, in welchem das Product in einer zur Mittheilung geeigneten Form äusserlich dargestellt ist. Vor diesem Zeit- puncte fehlt es an einem äusserlich erkennbaren Gegenstande der Nachahmung oder Reproduction. Die bloss im Geiste des Autors concipirte Idee ist daher weder geeignet, in den Rechts- verkehr einzutreten, noch kann in Bezug auf dieselbe ein Ein- griff in die Rechtssphäre des Urhebers stattfinden, da es voll- ständig in seiner Macht liegt, sich die ausschliessliche Benutzung der noch nicht mitgetheilten Idee zu wahren. Das geistige Eigenthum entsteht also mit dem Nieder- schreiben oder der Anfertigung des Werkes und mit der er- sten Ausführung der Erfindung. Dagegen ist es keinesweges Bedingung des Rechtsschutzes, dass die Darstellung des Gei- stesproductes vollendet sei. Daher sind auch die blossen Vor- arbeiten zu einer Schrift, zusammengetragene Materialien u. dgl. gegen Nachdruck geschützt.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/254>, abgerufen am 24.04.2024.