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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Reproduzirende Künste.
diesem Namen werden hier diejenigen Zweige der künstlerischen
Thätigkeit verstanden, welche bezwecken, ein nicht unmittelbar
zur Vervielfältigung geeignetes Kunstwerk, z. B. ein Gemälde oder
eine Statue, in einer zur mechanischen Vervielfältigung geeig-
neten Form zu copiren. Dahin gehört also der Kupferstich,
der Holzschnitt, die Lithographie, die Modellirkunst im Gegen-
satze zu der rein mechanischen Abformung von Bildwerken. Die
Producte dieser Künste sind einerseits Reproductionen des be-
nutzten Originals 1), andrerseits selbständige Originalkunstwerke,
da sie die ästhetischen Vorstellungen des ersten Originals durch
neue Mittel der Darstellung, durch eine selbständig hervorge-
brachte künstlerische Form wiedergeben. Solche Reproductio-
nen bilden daher den Gegenstand eines selbständigen geistigen
Eigenthumes, ebenso wie die Uebersetzungen und Bearbeitungen
beim Schrifteigenthume. Die Grenzen dieses artistischen Eigen-
thumes des Kupferstechers oder Modelleurs reichen so weit, wie
die künstlerische Formgebung, welche er bei der Reproduction
des Kunstwerkes angewandt hat. Gegenstand des artistischen
Eigenthumes des Kupferstechers ist der von ihm verfertigte
Kupferstich und dieser Gegenstand fällt mit dem Originalge-
mälde in dem Inhalte der ästhetischen Vorstellung oder der
künstlerischen Conception zusammen. Da dieser Inhalt nun
nicht geistiges Eigenthum des Kupferstechers sondern des Ma-
lers ist, so beschränkt sich das artistische Eigenthum des Er-
stern auf die Vervielfältigung der von ihm angefertigten Re-
production, während das geistige Eigenthum des Malers jede
andere Vervielfältigung des Originalkunstwerkes begreift. Zwi-
schen beiden durch ihren Inhalt verknüpften Gegenständen des
artistischen Eigenthumes kann ein dreifaches Verhältniss ob-
walten, je nachdem das Originalgemälde im artistischen Eigen-
thume des Urhebers, oder ein gemeinfreies Object der Repro-
duction ist, und je nachdem das an dem Gemälde bestehende
artistische Eigenthum auf den Kupferstecher übertragen ist
oder nicht. Ist das Gemälde gemeinfrei, so schliesst das arti-

1) Es ist hier, von dem Falle abgesehen, wo durch eine der oben
bezeichneten Künste ohne Benutzung eines fremden Kunstwerkes ledig-
lich ein neues Originalwerk produzirt wird, wie das bei Zeichnungen
auf den lithographischen Stein oder bei Modellirungen für den Kunst-
guss der Fall sein kann.

Reproduzirende Künste.
diesem Namen werden hier diejenigen Zweige der künstlerischen
Thätigkeit verstanden, welche bezwecken, ein nicht unmittelbar
zur Vervielfältigung geeignetes Kunstwerk, z. B. ein Gemälde oder
eine Statue, in einer zur mechanischen Vervielfältigung geeig-
neten Form zu copiren. Dahin gehört also der Kupferstich,
der Holzschnitt, die Lithographie, die Modellirkunst im Gegen-
satze zu der rein mechanischen Abformung von Bildwerken. Die
Producte dieser Künste sind einerseits Reproductionen des be-
nutzten Originals 1), andrerseits selbständige Originalkunstwerke,
da sie die ästhetischen Vorstellungen des ersten Originals durch
neue Mittel der Darstellung, durch eine selbständig hervorge-
brachte künstlerische Form wiedergeben. Solche Reproductio-
nen bilden daher den Gegenstand eines selbständigen geistigen
Eigenthumes, ebenso wie die Uebersetzungen und Bearbeitungen
beim Schrifteigenthume. Die Grenzen dieses artistischen Eigen-
thumes des Kupferstechers oder Modelleurs reichen so weit, wie
die künstlerische Formgebung, welche er bei der Reproduction
des Kunstwerkes angewandt hat. Gegenstand des artistischen
Eigenthumes des Kupferstechers ist der von ihm verfertigte
Kupferstich und dieser Gegenstand fällt mit dem Originalge-
mälde in dem Inhalte der ästhetischen Vorstellung oder der
künstlerischen Conception zusammen. Da dieser Inhalt nun
nicht geistiges Eigenthum des Kupferstechers sondern des Ma-
lers ist, so beschränkt sich das artistische Eigenthum des Er-
stern auf die Vervielfältigung der von ihm angefertigten Re-
production, während das geistige Eigenthum des Malers jede
andere Vervielfältigung des Originalkunstwerkes begreift. Zwi-
schen beiden durch ihren Inhalt verknüpften Gegenständen des
artistischen Eigenthumes kann ein dreifaches Verhältniss ob-
walten, je nachdem das Originalgemälde im artistischen Eigen-
thume des Urhebers, oder ein gemeinfreies Object der Repro-
duction ist, und je nachdem das an dem Gemälde bestehende
artistische Eigenthum auf den Kupferstecher übertragen ist
oder nicht. Ist das Gemälde gemeinfrei, so schliesst das arti-

1) Es ist hier, von dem Falle abgesehen, wo durch eine der oben
bezeichneten Künste ohne Benutzung eines fremden Kunstwerkes ledig-
lich ein neues Originalwerk produzirt wird, wie das bei Zeichnungen
auf den lithographischen Stein oder bei Modellirungen für den Kunst-
guss der Fall sein kann.
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[179/0195] Reproduzirende Künste. diesem Namen werden hier diejenigen Zweige der künstlerischen Thätigkeit verstanden, welche bezwecken, ein nicht unmittelbar zur Vervielfältigung geeignetes Kunstwerk, z. B. ein Gemälde oder eine Statue, in einer zur mechanischen Vervielfältigung geeig- neten Form zu copiren. Dahin gehört also der Kupferstich, der Holzschnitt, die Lithographie, die Modellirkunst im Gegen- satze zu der rein mechanischen Abformung von Bildwerken. Die Producte dieser Künste sind einerseits Reproductionen des be- nutzten Originals 1), andrerseits selbständige Originalkunstwerke, da sie die ästhetischen Vorstellungen des ersten Originals durch neue Mittel der Darstellung, durch eine selbständig hervorge- brachte künstlerische Form wiedergeben. Solche Reproductio- nen bilden daher den Gegenstand eines selbständigen geistigen Eigenthumes, ebenso wie die Uebersetzungen und Bearbeitungen beim Schrifteigenthume. Die Grenzen dieses artistischen Eigen- thumes des Kupferstechers oder Modelleurs reichen so weit, wie die künstlerische Formgebung, welche er bei der Reproduction des Kunstwerkes angewandt hat. Gegenstand des artistischen Eigenthumes des Kupferstechers ist der von ihm verfertigte Kupferstich und dieser Gegenstand fällt mit dem Originalge- mälde in dem Inhalte der ästhetischen Vorstellung oder der künstlerischen Conception zusammen. Da dieser Inhalt nun nicht geistiges Eigenthum des Kupferstechers sondern des Ma- lers ist, so beschränkt sich das artistische Eigenthum des Er- stern auf die Vervielfältigung der von ihm angefertigten Re- production, während das geistige Eigenthum des Malers jede andere Vervielfältigung des Originalkunstwerkes begreift. Zwi- schen beiden durch ihren Inhalt verknüpften Gegenständen des artistischen Eigenthumes kann ein dreifaches Verhältniss ob- walten, je nachdem das Originalgemälde im artistischen Eigen- thume des Urhebers, oder ein gemeinfreies Object der Repro- duction ist, und je nachdem das an dem Gemälde bestehende artistische Eigenthum auf den Kupferstecher übertragen ist oder nicht. Ist das Gemälde gemeinfrei, so schliesst das arti- 1) Es ist hier, von dem Falle abgesehen, wo durch eine der oben bezeichneten Künste ohne Benutzung eines fremden Kunstwerkes ledig- lich ein neues Originalwerk produzirt wird, wie das bei Zeichnungen auf den lithographischen Stein oder bei Modellirungen für den Kunst- guss der Fall sein kann.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/195>, abgerufen am 24.04.2024.