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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Aufführung von Musikstücken.
führung in der Praxis bisher wohl nur für dramatisch-mu-
sikalische Werke zur Anwendung gekommen.

In England ist das ausschliessliche Recht der öffentlichen
Aufführung, welches durch das Statut vom 10. Juni 1833 (3 &
4 William IV cap. 5) den Verfassern dramatischer Werke bei-
gelegt war, durch sect. XX des Statuts vom 1. Juli 1842 (5 & 6
Victoria cap. 45) auf Musikstücke aller Art -- gedruckte und
ungedruckte für die Dauer des Verlagsrechtes ausgedehnt.

In Frankreich werden die auf dramatische Aufführun-
gen bezüglichen Bestimmungen der Gesetze vom 13. u. 19. Ja-
nuar 1791, vom 3. August 1844 und vom 8. April 1854 von
der Praxis auch auf die musikalischen Compositionen angewandt.

§. 18. Kunstwerke.

Kunstwerth. -- Reproduzirende Künste. -- Piloty und Löhle wider
Payne. -- Rechtmässige Nachbildung. -- Selbständiges Recht an der
Nachbildung. -- Photographische Aufnahmen.

Die bildende Kunst hat den Zweck, ästhetische Vorstellun-
gen mitzutheilen. Sie bedient sich als Mittel der räumlichen
Formen. Diese Formen werden den Gegenständen der Wirk-
lichkeit entlehnt. Allein da sie zur Vermittelung ästhetischer
Vorstellungen dienen sollen, so muss die gebrauchte Form Aus-
druck einer solchen Vorstellung sein. Das Kunstwerk besteht
also niemals in der nackten Wiedergabe eines Gegenstandes
der Wirklichkeit, sondern auch da, wo es die Abbildung eines
individuellen Gegenstandes zum Vorwurfe hat, z. B. beim Por-
trait, in einer formgebenden Thätigkeit des Künstlers, welche
die sinnliche Gestalt durch geistige Vorstellungen vermittelt
reproduzirt.

Zu den unterscheidenden Merkmalen eines Werkes der
bildenden Kunst gehört also:

1. Der ästhetische Zweck,

2. Die formgebende Thätigkeit des Künstlers.

Das erste Requisit ist vielfach missverstanden und mit dem
Kunstwerthe der Darstellung verwechselt worden. Der Kunst-
werth der Darstellung gehört der subjectiven Schätzung an
und eignet sich nicht zu einem objectiven Merkmale für die
juristische Beurtheilung. Wohl aber lässt sich in jedem Falle
objectiv und allgemeingültig entscheiden, ob ein gegebenes
Bild zur Vermittelung ästhetischer Vorstellungen bestimmt ist,

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Aufführung von Musikstücken.
führung in der Praxis bisher wohl nur für dramatisch-mu-
sikalische Werke zur Anwendung gekommen.

In England ist das ausschliessliche Recht der öffentlichen
Aufführung, welches durch das Statut vom 10. Juni 1833 (3 &
4 William IV cap. 5) den Verfassern dramatischer Werke bei-
gelegt war, durch sect. XX des Statuts vom 1. Juli 1842 (5 & 6
Victoria cap. 45) auf Musikstücke aller Art — gedruckte und
ungedruckte für die Dauer des Verlagsrechtes ausgedehnt.

In Frankreich werden die auf dramatische Aufführun-
gen bezüglichen Bestimmungen der Gesetze vom 13. u. 19. Ja-
nuar 1791, vom 3. August 1844 und vom 8. April 1854 von
der Praxis auch auf die musikalischen Compositionen angewandt.

§. 18. Kunstwerke.

Kunstwerth. — Reproduzirende Künste. — Piloty und Löhle wider
Payne. — Rechtmässige Nachbildung. — Selbständiges Recht an der
Nachbildung. — Photographische Aufnahmen.

Die bildende Kunst hat den Zweck, ästhetische Vorstellun-
gen mitzutheilen. Sie bedient sich als Mittel der räumlichen
Formen. Diese Formen werden den Gegenständen der Wirk-
lichkeit entlehnt. Allein da sie zur Vermittelung ästhetischer
Vorstellungen dienen sollen, so muss die gebrauchte Form Aus-
druck einer solchen Vorstellung sein. Das Kunstwerk besteht
also niemals in der nackten Wiedergabe eines Gegenstandes
der Wirklichkeit, sondern auch da, wo es die Abbildung eines
individuellen Gegenstandes zum Vorwurfe hat, z. B. beim Por-
trait, in einer formgebenden Thätigkeit des Künstlers, welche
die sinnliche Gestalt durch geistige Vorstellungen vermittelt
reproduzirt.

Zu den unterscheidenden Merkmalen eines Werkes der
bildenden Kunst gehört also:

1. Der ästhetische Zweck,

2. Die formgebende Thätigkeit des Künstlers.

Das erste Requisit ist vielfach missverstanden und mit dem
Kunstwerthe der Darstellung verwechselt worden. Der Kunst-
werth der Darstellung gehört der subjectiven Schätzung an
und eignet sich nicht zu einem objectiven Merkmale für die
juristische Beurtheilung. Wohl aber lässt sich in jedem Falle
objectiv und allgemeingültig entscheiden, ob ein gegebenes
Bild zur Vermittelung ästhetischer Vorstellungen bestimmt ist,

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[177/0193] Aufführung von Musikstücken. führung in der Praxis bisher wohl nur für dramatisch-mu- sikalische Werke zur Anwendung gekommen. In England ist das ausschliessliche Recht der öffentlichen Aufführung, welches durch das Statut vom 10. Juni 1833 (3 & 4 William IV cap. 5) den Verfassern dramatischer Werke bei- gelegt war, durch sect. XX des Statuts vom 1. Juli 1842 (5 & 6 Victoria cap. 45) auf Musikstücke aller Art — gedruckte und ungedruckte für die Dauer des Verlagsrechtes ausgedehnt. In Frankreich werden die auf dramatische Aufführun- gen bezüglichen Bestimmungen der Gesetze vom 13. u. 19. Ja- nuar 1791, vom 3. August 1844 und vom 8. April 1854 von der Praxis auch auf die musikalischen Compositionen angewandt. §. 18. Kunstwerke. Kunstwerth. — Reproduzirende Künste. — Piloty und Löhle wider Payne. — Rechtmässige Nachbildung. — Selbständiges Recht an der Nachbildung. — Photographische Aufnahmen. Die bildende Kunst hat den Zweck, ästhetische Vorstellun- gen mitzutheilen. Sie bedient sich als Mittel der räumlichen Formen. Diese Formen werden den Gegenständen der Wirk- lichkeit entlehnt. Allein da sie zur Vermittelung ästhetischer Vorstellungen dienen sollen, so muss die gebrauchte Form Aus- druck einer solchen Vorstellung sein. Das Kunstwerk besteht also niemals in der nackten Wiedergabe eines Gegenstandes der Wirklichkeit, sondern auch da, wo es die Abbildung eines individuellen Gegenstandes zum Vorwurfe hat, z. B. beim Por- trait, in einer formgebenden Thätigkeit des Künstlers, welche die sinnliche Gestalt durch geistige Vorstellungen vermittelt reproduzirt. Zu den unterscheidenden Merkmalen eines Werkes der bildenden Kunst gehört also: 1. Der ästhetische Zweck, 2. Die formgebende Thätigkeit des Künstlers. Das erste Requisit ist vielfach missverstanden und mit dem Kunstwerthe der Darstellung verwechselt worden. Der Kunst- werth der Darstellung gehört der subjectiven Schätzung an und eignet sich nicht zu einem objectiven Merkmale für die juristische Beurtheilung. Wohl aber lässt sich in jedem Falle objectiv und allgemeingültig entscheiden, ob ein gegebenes Bild zur Vermittelung ästhetischer Vorstellungen bestimmt ist, 12

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/193>, abgerufen am 23.04.2024.