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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Variationen.
die Frage, ob eine bestimmte Variation eines bestimmten Mu-
sikstückes eine eigenthümliche Composition sei oder nicht, dem
Urtheile der Sachverständigen vorzubehalten, da immer nur
eine Regel im Gesetze ausgesprochen werden könne und der
Streit, ob nicht einzelne Fälle zu den Ausnahmen gehören,
doch nicht vermieden werden könne.

Das Oesterreichische Gesetz vom 19. October 1846
bestimmt im §. 6:

"Dagegen ist als verbotener Nachdruck oder Nachstich nicht
anzusehen, somit gestattet:

b. Die Benutzung einer Tondichtung zu Variationen,
Phantasien, Etuden, Potpourris etc., welche als selbständige
Geistesproducte angesehen werden."


und stellt so die oben entwickelte Unterscheidung mit grosser
Bestimmtheit auf, indem es die Variationen, Phantasien, Etü-
den, Potpourris 1) den Arrangements eines Tonstückes für an-
dere oder wenigere Instrumente gegenüber stellt, hinsichtlich
deren im §. 6 c. dem Componisten gestattet wird, sich das Vor-
recht der Herausgabe auf dem Titelblatte seines Werkes vor-
zubehalten. Dabei kann allerdings der Zweifel erhoben werden,
ob die Worte: "welche als selbständige Geistesproducte ange-
sehen werden," so zu verstehen sind, dass alle Variationen,
Phantasien etc. als selbständige Geisteswerke angesehen wer-
den sollen -- wie oben in Uebereinstimmung mit Harum,
(Oesterreich. Pressgesetzgebung S. 105) angenommen ist -- oder
ob dieselben nach Wächter (Das Verlagsrecht Th. II S. 596)
vielmehr als eine Bedingung zu verstehen sind, insofern sie
als selbständige Geisteswerke angesehen werden können. Die
letztere Annahme wird durch den Wortlaut des Gesetzes jeden-
falls nicht unterstützt.

Dagegen findet sie sich ausgesprochen in dem Grossher-

1) Unter dem Namen von Potpourris, der eigentlich ein Ge-
richt von allerhand Abfällen, also eine Verarbeitung von Melodien aus
verschiedenen Werken bedeutet, werden häufig auch auszugsweise Ar-
rangements einer einzelnen Oper angekündigt. Es unterliegt keinem
Zweifel, dass dergleichen Auszüge trotz des gewählten Titels nicht als
selbständige Originalwerke angesehen werden können. Vergl. das Gut-
achten des musikalischen Sachverständigen-Vereines in Berlin vom 24.
August 1860, welches ein Potpourri über Motive aus Meyerbers Dino-
rah als strafbaren Nachdruck bezeichnet (Justiz Min.-Blatt 1863 Nr. 11.).

Variationen.
die Frage, ob eine bestimmte Variation eines bestimmten Mu-
sikstückes eine eigenthümliche Composition sei oder nicht, dem
Urtheile der Sachverständigen vorzubehalten, da immer nur
eine Regel im Gesetze ausgesprochen werden könne und der
Streit, ob nicht einzelne Fälle zu den Ausnahmen gehören,
doch nicht vermieden werden könne.

Das Oesterreichische Gesetz vom 19. October 1846
bestimmt im §. 6:

»Dagegen ist als verbotener Nachdruck oder Nachstich nicht
anzusehen, somit gestattet:

b. Die Benutzung einer Tondichtung zu Variationen,
Phantasien, Etuden, Potpourris etc., welche als selbständige
Geistesproducte angesehen werden.«


und stellt so die oben entwickelte Unterscheidung mit grosser
Bestimmtheit auf, indem es die Variationen, Phantasien, Etü-
den, Potpourris 1) den Arrangements eines Tonstückes für an-
dere oder wenigere Instrumente gegenüber stellt, hinsichtlich
deren im §. 6 c. dem Componisten gestattet wird, sich das Vor-
recht der Herausgabe auf dem Titelblatte seines Werkes vor-
zubehalten. Dabei kann allerdings der Zweifel erhoben werden,
ob die Worte: »welche als selbständige Geistesproducte ange-
sehen werden,« so zu verstehen sind, dass alle Variationen,
Phantasien etc. als selbständige Geisteswerke angesehen wer-
den sollen — wie oben in Uebereinstimmung mit Harum,
(Oesterreich. Pressgesetzgebung S. 105) angenommen ist — oder
ob dieselben nach Wächter (Das Verlagsrecht Th. II S. 596)
vielmehr als eine Bedingung zu verstehen sind, insofern sie
als selbständige Geisteswerke angesehen werden können. Die
letztere Annahme wird durch den Wortlaut des Gesetzes jeden-
falls nicht unterstützt.

Dagegen findet sie sich ausgesprochen in dem Grossher-

1) Unter dem Namen von Potpourris, der eigentlich ein Ge-
richt von allerhand Abfällen, also eine Verarbeitung von Melodien aus
verschiedenen Werken bedeutet, werden häufig auch auszugsweise Ar-
rangements einer einzelnen Oper angekündigt. Es unterliegt keinem
Zweifel, dass dergleichen Auszüge trotz des gewählten Titels nicht als
selbständige Originalwerke angesehen werden können. Vergl. das Gut-
achten des musikalischen Sachverständigen-Vereines in Berlin vom 24.
August 1860, welches ein Potpourri über Motive aus Meyerbers Dino-
rah als strafbaren Nachdruck bezeichnet (Justiz Min.-Blatt 1863 Nr. 11.).
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[175/0191] Variationen. die Frage, ob eine bestimmte Variation eines bestimmten Mu- sikstückes eine eigenthümliche Composition sei oder nicht, dem Urtheile der Sachverständigen vorzubehalten, da immer nur eine Regel im Gesetze ausgesprochen werden könne und der Streit, ob nicht einzelne Fälle zu den Ausnahmen gehören, doch nicht vermieden werden könne. Das Oesterreichische Gesetz vom 19. October 1846 bestimmt im §. 6: »Dagegen ist als verbotener Nachdruck oder Nachstich nicht anzusehen, somit gestattet: b. Die Benutzung einer Tondichtung zu Variationen, Phantasien, Etuden, Potpourris etc., welche als selbständige Geistesproducte angesehen werden.« und stellt so die oben entwickelte Unterscheidung mit grosser Bestimmtheit auf, indem es die Variationen, Phantasien, Etü- den, Potpourris 1) den Arrangements eines Tonstückes für an- dere oder wenigere Instrumente gegenüber stellt, hinsichtlich deren im §. 6 c. dem Componisten gestattet wird, sich das Vor- recht der Herausgabe auf dem Titelblatte seines Werkes vor- zubehalten. Dabei kann allerdings der Zweifel erhoben werden, ob die Worte: »welche als selbständige Geistesproducte ange- sehen werden,« so zu verstehen sind, dass alle Variationen, Phantasien etc. als selbständige Geisteswerke angesehen wer- den sollen — wie oben in Uebereinstimmung mit Harum, (Oesterreich. Pressgesetzgebung S. 105) angenommen ist — oder ob dieselben nach Wächter (Das Verlagsrecht Th. II S. 596) vielmehr als eine Bedingung zu verstehen sind, insofern sie als selbständige Geisteswerke angesehen werden können. Die letztere Annahme wird durch den Wortlaut des Gesetzes jeden- falls nicht unterstützt. Dagegen findet sie sich ausgesprochen in dem Grossher- 1) Unter dem Namen von Potpourris, der eigentlich ein Ge- richt von allerhand Abfällen, also eine Verarbeitung von Melodien aus verschiedenen Werken bedeutet, werden häufig auch auszugsweise Ar- rangements einer einzelnen Oper angekündigt. Es unterliegt keinem Zweifel, dass dergleichen Auszüge trotz des gewählten Titels nicht als selbständige Originalwerke angesehen werden können. Vergl. das Gut- achten des musikalischen Sachverständigen-Vereines in Berlin vom 24. August 1860, welches ein Potpourri über Motive aus Meyerbers Dino- rah als strafbaren Nachdruck bezeichnet (Justiz Min.-Blatt 1863 Nr. 11.).

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/191>, abgerufen am 29.03.2024.