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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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IV. Das geistige Eigenthum. §. 14. Erfordernisse.
und Wissen in Anspruch nimmt. So hohen Werth man auch
Tischendorfs Bibelrecension, Mommsens Ausgabe des Corpus iuris
und F. A. Wolffs Recension des Homer beilegen muss, so kann
doch nur der in diesen Werken in den Beigaben und Anmer-
kungen niedergelegte kritische Apparat, nicht die Textfeststellung
selbst, als Gegenstand des Rechtsschutzes angesehen werden.
Eine Ausnahme hiervon könnten nur die Emendationen des
handschriftlich überlieferten Textes, die Conjecturen eines Bentley
machen, unter der Voraussetzung, dass diese Verbesserungen
nicht sowohl Eigenthum des edirten Schriftstellers, als vielmehr
des Herausgebers seien.

Wenn einige Gesetze, wie früher das Allg. Preussische Land-
recht Th. I Tit. 11 §. 1032 und in neuester Zeit das Bayerische
Gesetz vom 28. Juni 1865 Art. 11 dem blossen Herausgeber
bisher nicht gedruckter Schriften, an denen ein geistiges Ei-
genthum nicht besteht, den Rechtsschutz gegen Nachdruck ge-
währen (vergl. unten §. 21), so ist dies ein Privilegium buch-
händlerischer Unternehmungen, welches die Bedingung der
Originalität der geistigen Production einfach negirt und höch-
stens mit den Einführungspatenten für ausländische Erfindungen
auf eine Linie gestellt werden kann.

Die noch übrigen objectiven Erfordernisse des geistigen
Eigenthumes: die Möglichkeit einer mechanischen Wiederholung
des Gegenstandes und der vermögensrechtliche Nutzen, welcher
aus dieser Reproduction gezogen werden kann, haben bereits
oben (S. 112 f.) Erwähnung gefunden. Sie fliessen aus der daselbst
entwickelten Begriffsbestimmung des geistigen Eigenthumes und
bedürfen keiner weiteren Erörterung. Nur in Bezug auf die
Art der vermögensrechtlichen Nutzung ist zu be-
merken, dass dieselbe keinesweges auf den Verkaufswerth der
vervielfältigten Exemplare des Geisteswerkes beschränkt ist.
Dies ist unbestritten bei denjenigen Erfindungen, bei welchen
nicht ein eigenthümliches Product, sondern ein neues techni-
sches Verfahren zur Herstellung eines bereits bekannten Pro-
ductes Gegenstand des Patentschutzes ist. Allein auch bei
Schriften und Kunstwerken kann das vermögensrechtliche In-
teresse sehr wohl in einer andern Nutzung als in dem Verkaufe
der vervielfältigten Exemplare bestehen, so z. B. bei dramati-
schen Werken, musikalischen Compositionen und Werken der
bildenden Kunst in der ausschliesslichen öffentlichen Darstellung.

IV. Das geistige Eigenthum. §. 14. Erfordernisse.
und Wissen in Anspruch nimmt. So hohen Werth man auch
Tischendorfs Bibelrecension, Mommsens Ausgabe des Corpus iuris
und F. A. Wolffs Recension des Homer beilegen muss, so kann
doch nur der in diesen Werken in den Beigaben und Anmer-
kungen niedergelegte kritische Apparat, nicht die Textfeststellung
selbst, als Gegenstand des Rechtsschutzes angesehen werden.
Eine Ausnahme hiervon könnten nur die Emendationen des
handschriftlich überlieferten Textes, die Conjecturen eines Bentley
machen, unter der Voraussetzung, dass diese Verbesserungen
nicht sowohl Eigenthum des edirten Schriftstellers, als vielmehr
des Herausgebers seien.

Wenn einige Gesetze, wie früher das Allg. Preussische Land-
recht Th. I Tit. 11 §. 1032 und in neuester Zeit das Bayerische
Gesetz vom 28. Juni 1865 Art. 11 dem blossen Herausgeber
bisher nicht gedruckter Schriften, an denen ein geistiges Ei-
genthum nicht besteht, den Rechtsschutz gegen Nachdruck ge-
währen (vergl. unten §. 21), so ist dies ein Privilegium buch-
händlerischer Unternehmungen, welches die Bedingung der
Originalität der geistigen Production einfach negirt und höch-
stens mit den Einführungspatenten für ausländische Erfindungen
auf eine Linie gestellt werden kann.

Die noch übrigen objectiven Erfordernisse des geistigen
Eigenthumes: die Möglichkeit einer mechanischen Wiederholung
des Gegenstandes und der vermögensrechtliche Nutzen, welcher
aus dieser Reproduction gezogen werden kann, haben bereits
oben (S. 112 f.) Erwähnung gefunden. Sie fliessen aus der daselbst
entwickelten Begriffsbestimmung des geistigen Eigenthumes und
bedürfen keiner weiteren Erörterung. Nur in Bezug auf die
Art der vermögensrechtlichen Nutzung ist zu be-
merken, dass dieselbe keinesweges auf den Verkaufswerth der
vervielfältigten Exemplare des Geisteswerkes beschränkt ist.
Dies ist unbestritten bei denjenigen Erfindungen, bei welchen
nicht ein eigenthümliches Product, sondern ein neues techni-
sches Verfahren zur Herstellung eines bereits bekannten Pro-
ductes Gegenstand des Patentschutzes ist. Allein auch bei
Schriften und Kunstwerken kann das vermögensrechtliche In-
teresse sehr wohl in einer andern Nutzung als in dem Verkaufe
der vervielfältigten Exemplare bestehen, so z. B. bei dramati-
schen Werken, musikalischen Compositionen und Werken der
bildenden Kunst in der ausschliesslichen öffentlichen Darstellung.

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[136/0152] IV. Das geistige Eigenthum. §. 14. Erfordernisse. und Wissen in Anspruch nimmt. So hohen Werth man auch Tischendorfs Bibelrecension, Mommsens Ausgabe des Corpus iuris und F. A. Wolffs Recension des Homer beilegen muss, so kann doch nur der in diesen Werken in den Beigaben und Anmer- kungen niedergelegte kritische Apparat, nicht die Textfeststellung selbst, als Gegenstand des Rechtsschutzes angesehen werden. Eine Ausnahme hiervon könnten nur die Emendationen des handschriftlich überlieferten Textes, die Conjecturen eines Bentley machen, unter der Voraussetzung, dass diese Verbesserungen nicht sowohl Eigenthum des edirten Schriftstellers, als vielmehr des Herausgebers seien. Wenn einige Gesetze, wie früher das Allg. Preussische Land- recht Th. I Tit. 11 §. 1032 und in neuester Zeit das Bayerische Gesetz vom 28. Juni 1865 Art. 11 dem blossen Herausgeber bisher nicht gedruckter Schriften, an denen ein geistiges Ei- genthum nicht besteht, den Rechtsschutz gegen Nachdruck ge- währen (vergl. unten §. 21), so ist dies ein Privilegium buch- händlerischer Unternehmungen, welches die Bedingung der Originalität der geistigen Production einfach negirt und höch- stens mit den Einführungspatenten für ausländische Erfindungen auf eine Linie gestellt werden kann. Die noch übrigen objectiven Erfordernisse des geistigen Eigenthumes: die Möglichkeit einer mechanischen Wiederholung des Gegenstandes und der vermögensrechtliche Nutzen, welcher aus dieser Reproduction gezogen werden kann, haben bereits oben (S. 112 f.) Erwähnung gefunden. Sie fliessen aus der daselbst entwickelten Begriffsbestimmung des geistigen Eigenthumes und bedürfen keiner weiteren Erörterung. Nur in Bezug auf die Art der vermögensrechtlichen Nutzung ist zu be- merken, dass dieselbe keinesweges auf den Verkaufswerth der vervielfältigten Exemplare des Geisteswerkes beschränkt ist. Dies ist unbestritten bei denjenigen Erfindungen, bei welchen nicht ein eigenthümliches Product, sondern ein neues techni- sches Verfahren zur Herstellung eines bereits bekannten Pro- ductes Gegenstand des Patentschutzes ist. Allein auch bei Schriften und Kunstwerken kann das vermögensrechtliche In- teresse sehr wohl in einer andern Nutzung als in dem Verkaufe der vervielfältigten Exemplare bestehen, so z. B. bei dramati- schen Werken, musikalischen Compositionen und Werken der bildenden Kunst in der ausschliesslichen öffentlichen Darstellung.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/152>, abgerufen am 28.03.2024.