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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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IV. Das geistige Eigenthum. §. 14. Erfordernisse.
perliche Mittel erfolgen kann. Man würde daher bei jedem
neuen Producte des Kunstfleisses ein geistiges Eigenthum an
der neu erdachten Form neben dem Eigenthume an dem kör-
perlichen Producte unterscheiden können. In diesem Umfange
ist jedoch das geistige Eigenthum von dem positiven Rechte
nicht anerkannt. Vielmehr werden nur solche Producte als
Gegenstände des geistigen Eigenthumes anerkannt, bei denen
die geistige Erfindung überwiegt und der Stoff nur als der
Träger der geistigen Form erscheint. So oft dagegen der ma-
terielle Zweck der Production oder die mechanische Ausführung
überwiegt, wird ein geistiges Eigenthum an der Form von der
Gesetzgebung nicht anerkannt, wenngleich die letztere an sich
selbst und in anderer Ausführung sich als ein Object des gei-
stigen Eigenthumes darstellen mag 1).

Die Baukunst nimmt z. B. in der Reihe der bildenden Künste
einen unbestrittenen Platz ein und manche ihrer Erzeugnisse
zählen zu den höchsten Erzeugnissen des künstlerischen Schaf-
fens. Gleichwohl gestatten alle Gesetzgebungen die unbe-
schränkte Nachbildung ausgeführter Bauwerke, sowohl in der-
selben Ausführung als auch durch Zeichnung und bildliche
Darstellung 2). Dagegen ist es dem Baukünstler unbenommen,

1) Ueber die abweichende Auffassung der französischen Jurispru-
denz vergl. unten §. 20.
2) Ausdrücklich bestimmte dies das Bayerische Gesetz v. 15. April
1840 im Art. II Nr. 1. Auch das neue Bayerische Gesetz vom 28. Juni
1865 schliesst im Art. 26 die Werke der Baukunst aus, indem es die
frühere Bezeichnung: Werke der bildenden Kunst durch den Ausdruck:
Werke der zeichnenden und plastischen Kunst ersetzt. (Vergl. die Ge-
setzgebung des Königreichs Bayern seit Maximilian II. Th. I Bd. 5
Heft 2 S. 264). Nur die französischen Gerichte haben in einem von
Ed. Calmels (De la propriete et de la contrefacon des oeuvres de l'in-
telligence p. 651) mitgetheilten Falle angenommen, dass auch die Werke
der Architectur gegen Vervielfältigung geschützt seien. Es handelte
sich um eine litographische Ansicht des Ausstellungsgebäudes in den
Elysäischen Feldern, für welche der Rechtsschutz auf Grund einer von
den Erbauern erworbenen Befugniss zur Abbildung gegenüber einer
andern nicht autorisirten Abbildung in Anspruch genommen wurde.
Das Tribunal und der Appelhof von Paris wiesen zwar die Klage zu-
rück, jedoch nicht wegen des ungeeigneten Gegenstandes, sondern weil
dem Staate, nicht den Erbauern das Vervielfältigungsrecht an einem im
öffentlichen Dienste errichteten Gebäude zukomme (?).

IV. Das geistige Eigenthum. §. 14. Erfordernisse.
perliche Mittel erfolgen kann. Man würde daher bei jedem
neuen Producte des Kunstfleisses ein geistiges Eigenthum an
der neu erdachten Form neben dem Eigenthume an dem kör-
perlichen Producte unterscheiden können. In diesem Umfange
ist jedoch das geistige Eigenthum von dem positiven Rechte
nicht anerkannt. Vielmehr werden nur solche Producte als
Gegenstände des geistigen Eigenthumes anerkannt, bei denen
die geistige Erfindung überwiegt und der Stoff nur als der
Träger der geistigen Form erscheint. So oft dagegen der ma-
terielle Zweck der Production oder die mechanische Ausführung
überwiegt, wird ein geistiges Eigenthum an der Form von der
Gesetzgebung nicht anerkannt, wenngleich die letztere an sich
selbst und in anderer Ausführung sich als ein Object des gei-
stigen Eigenthumes darstellen mag 1).

Die Baukunst nimmt z. B. in der Reihe der bildenden Künste
einen unbestrittenen Platz ein und manche ihrer Erzeugnisse
zählen zu den höchsten Erzeugnissen des künstlerischen Schaf-
fens. Gleichwohl gestatten alle Gesetzgebungen die unbe-
schränkte Nachbildung ausgeführter Bauwerke, sowohl in der-
selben Ausführung als auch durch Zeichnung und bildliche
Darstellung 2). Dagegen ist es dem Baukünstler unbenommen,

1) Ueber die abweichende Auffassung der französischen Jurispru-
denz vergl. unten §. 20.
2) Ausdrücklich bestimmte dies das Bayerische Gesetz v. 15. April
1840 im Art. II Nr. 1. Auch das neue Bayerische Gesetz vom 28. Juni
1865 schliesst im Art. 26 die Werke der Baukunst aus, indem es die
frühere Bezeichnung: Werke der bildenden Kunst durch den Ausdruck:
Werke der zeichnenden und plastischen Kunst ersetzt. (Vergl. die Ge-
setzgebung des Königreichs Bayern seit Maximilian II. Th. I Bd. 5
Heft 2 S. 264). Nur die französischen Gerichte haben in einem von
Ed. Calmels (De la propriété et de la contrefaçon des oeuvres de l’in-
telligence p. 651) mitgetheilten Falle angenommen, dass auch die Werke
der Architectur gegen Vervielfältigung geschützt seien. Es handelte
sich um eine litographische Ansicht des Ausstellungsgebäudes in den
Elysäischen Feldern, für welche der Rechtsschutz auf Grund einer von
den Erbauern erworbenen Befugniss zur Abbildung gegenüber einer
andern nicht autorisirten Abbildung in Anspruch genommen wurde.
Das Tribunal und der Appelhof von Paris wiesen zwar die Klage zu-
rück, jedoch nicht wegen des ungeeigneten Gegenstandes, sondern weil
dem Staate, nicht den Erbauern das Vervielfältigungsrecht an einem im
öffentlichen Dienste errichteten Gebäude zukomme (?).
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[128/0144] IV. Das geistige Eigenthum. §. 14. Erfordernisse. perliche Mittel erfolgen kann. Man würde daher bei jedem neuen Producte des Kunstfleisses ein geistiges Eigenthum an der neu erdachten Form neben dem Eigenthume an dem kör- perlichen Producte unterscheiden können. In diesem Umfange ist jedoch das geistige Eigenthum von dem positiven Rechte nicht anerkannt. Vielmehr werden nur solche Producte als Gegenstände des geistigen Eigenthumes anerkannt, bei denen die geistige Erfindung überwiegt und der Stoff nur als der Träger der geistigen Form erscheint. So oft dagegen der ma- terielle Zweck der Production oder die mechanische Ausführung überwiegt, wird ein geistiges Eigenthum an der Form von der Gesetzgebung nicht anerkannt, wenngleich die letztere an sich selbst und in anderer Ausführung sich als ein Object des gei- stigen Eigenthumes darstellen mag 1). Die Baukunst nimmt z. B. in der Reihe der bildenden Künste einen unbestrittenen Platz ein und manche ihrer Erzeugnisse zählen zu den höchsten Erzeugnissen des künstlerischen Schaf- fens. Gleichwohl gestatten alle Gesetzgebungen die unbe- schränkte Nachbildung ausgeführter Bauwerke, sowohl in der- selben Ausführung als auch durch Zeichnung und bildliche Darstellung 2). Dagegen ist es dem Baukünstler unbenommen, 1) Ueber die abweichende Auffassung der französischen Jurispru- denz vergl. unten §. 20. 2) Ausdrücklich bestimmte dies das Bayerische Gesetz v. 15. April 1840 im Art. II Nr. 1. Auch das neue Bayerische Gesetz vom 28. Juni 1865 schliesst im Art. 26 die Werke der Baukunst aus, indem es die frühere Bezeichnung: Werke der bildenden Kunst durch den Ausdruck: Werke der zeichnenden und plastischen Kunst ersetzt. (Vergl. die Ge- setzgebung des Königreichs Bayern seit Maximilian II. Th. I Bd. 5 Heft 2 S. 264). Nur die französischen Gerichte haben in einem von Ed. Calmels (De la propriété et de la contrefaçon des oeuvres de l’in- telligence p. 651) mitgetheilten Falle angenommen, dass auch die Werke der Architectur gegen Vervielfältigung geschützt seien. Es handelte sich um eine litographische Ansicht des Ausstellungsgebäudes in den Elysäischen Feldern, für welche der Rechtsschutz auf Grund einer von den Erbauern erworbenen Befugniss zur Abbildung gegenüber einer andern nicht autorisirten Abbildung in Anspruch genommen wurde. Das Tribunal und der Appelhof von Paris wiesen zwar die Klage zu- rück, jedoch nicht wegen des ungeeigneten Gegenstandes, sondern weil dem Staate, nicht den Erbauern das Vervielfältigungsrecht an einem im öffentlichen Dienste errichteten Gebäude zukomme (?).

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/144>, abgerufen am 25.04.2024.