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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Eigenthumstheorie.
bezeichnet (Thurneisen). Diese Deduction war ursprünglich
durch das Bestreben hervorgerufen, dem Nachdruckverbote eine
allgemeine juristische Grundlage zu geben, unabhängig von den
Vorschriften des positiven Rechtes, die damals erst bis zu ein-
zelnen Privilegien für bestimmte Autoren und Verleger gedie-
hen waren. Man zog die Analogie des Eigenthumes heran,
weil man in der Erwerbung des Urheberrechtes durch geistige
Hervorbringung eine Uebereinstimmung mit der Erwerbung
des Eigenthumes durch Production und Specification fand und
weil das Eigenthum als die totale, jede fremde Einwirkung
ausschliessende rechtliche Herrschaft den besten Grund für die
Untersagung einer anderweitigen Vervielfältigung des Geistes-
werkes abzugeben schien.

Dieser Versuch, den Begriff des geistigen Eigenthumes
auf das Sacheigenthum zurückzuführen, ist zwar für den herr-
schenden Sprachgebrauch massgebend geblieben. Er hat auch
dadurch gute Dienste geleistet, dass er die Rechte der Schrift-
steller dem gemeinen Verständnisse versinnlichte und die später
erfolgte allgemeine Anerkennung im Wege der Gesetzgebung
erleichterte. Für die juristische Theorie dieses Rechtsinstitutes
aber ist die herbeigezogene Analogie völlig werthlos und ver-
werflich.

Es ist bereits oben (S. 113 f.) ausgeführt worden, dass der
Gegenstand des geistigen Eigenthumes sich als eine Handlung
characterisirt, welche in keinem Verstande unter den Begriff
der Sachen, weder der körperlichen noch der unkörperlichen,
subsumirt werden kann. Ebenso wenig als in dem Objecte bei-
der Rechte ist aber auch in dem Ursprunge derselben eine
Uebereinstimmung vorhanden. Das Eigenthum an körperlichen
Erzeugnissen wird zwar in dem einen Falle der Specification
durch die Thätigkeit des Hervorbringens erworben. Allein diese
Art der Erwerbung des Eigenthumes ist eine ausnahmsweise,
welche auf der singulären Voraussetzung beruht, dass jemand
aus fremdem Stoffe einen ganz neuen Gegenstand verfertigt
hat. Der letzte Grund der Erwerbung des Eigenthumes liegt
auch in diesem Falle bloss in der Aneignung, und die produ-
ctive Thätigkeit des Verfertigers kommt nur insofern in Be-
tracht, als durch dieselbe der frühere Gegenstand aufgehört
hat zu existiren, und eine ganz neue Sache erzeugt ist, an
welcher als an einer herrenlosen die Occupation stattfin-

Eigenthumstheorie.
bezeichnet (Thurneisen). Diese Deduction war ursprünglich
durch das Bestreben hervorgerufen, dem Nachdruckverbote eine
allgemeine juristische Grundlage zu geben, unabhängig von den
Vorschriften des positiven Rechtes, die damals erst bis zu ein-
zelnen Privilegien für bestimmte Autoren und Verleger gedie-
hen waren. Man zog die Analogie des Eigenthumes heran,
weil man in der Erwerbung des Urheberrechtes durch geistige
Hervorbringung eine Uebereinstimmung mit der Erwerbung
des Eigenthumes durch Production und Specification fand und
weil das Eigenthum als die totale, jede fremde Einwirkung
ausschliessende rechtliche Herrschaft den besten Grund für die
Untersagung einer anderweitigen Vervielfältigung des Geistes-
werkes abzugeben schien.

Dieser Versuch, den Begriff des geistigen Eigenthumes
auf das Sacheigenthum zurückzuführen, ist zwar für den herr-
schenden Sprachgebrauch massgebend geblieben. Er hat auch
dadurch gute Dienste geleistet, dass er die Rechte der Schrift-
steller dem gemeinen Verständnisse versinnlichte und die später
erfolgte allgemeine Anerkennung im Wege der Gesetzgebung
erleichterte. Für die juristische Theorie dieses Rechtsinstitutes
aber ist die herbeigezogene Analogie völlig werthlos und ver-
werflich.

Es ist bereits oben (S. 113 f.) ausgeführt worden, dass der
Gegenstand des geistigen Eigenthumes sich als eine Handlung
characterisirt, welche in keinem Verstande unter den Begriff
der Sachen, weder der körperlichen noch der unkörperlichen,
subsumirt werden kann. Ebenso wenig als in dem Objecte bei-
der Rechte ist aber auch in dem Ursprunge derselben eine
Uebereinstimmung vorhanden. Das Eigenthum an körperlichen
Erzeugnissen wird zwar in dem einen Falle der Specification
durch die Thätigkeit des Hervorbringens erworben. Allein diese
Art der Erwerbung des Eigenthumes ist eine ausnahmsweise,
welche auf der singulären Voraussetzung beruht, dass jemand
aus fremdem Stoffe einen ganz neuen Gegenstand verfertigt
hat. Der letzte Grund der Erwerbung des Eigenthumes liegt
auch in diesem Falle bloss in der Aneignung, und die produ-
ctive Thätigkeit des Verfertigers kommt nur insofern in Be-
tracht, als durch dieselbe der frühere Gegenstand aufgehört
hat zu existiren, und eine ganz neue Sache erzeugt ist, an
welcher als an einer herrenlosen die Occupation stattfin-

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[121/0137] Eigenthumstheorie. bezeichnet (Thurneisen). Diese Deduction war ursprünglich durch das Bestreben hervorgerufen, dem Nachdruckverbote eine allgemeine juristische Grundlage zu geben, unabhängig von den Vorschriften des positiven Rechtes, die damals erst bis zu ein- zelnen Privilegien für bestimmte Autoren und Verleger gedie- hen waren. Man zog die Analogie des Eigenthumes heran, weil man in der Erwerbung des Urheberrechtes durch geistige Hervorbringung eine Uebereinstimmung mit der Erwerbung des Eigenthumes durch Production und Specification fand und weil das Eigenthum als die totale, jede fremde Einwirkung ausschliessende rechtliche Herrschaft den besten Grund für die Untersagung einer anderweitigen Vervielfältigung des Geistes- werkes abzugeben schien. Dieser Versuch, den Begriff des geistigen Eigenthumes auf das Sacheigenthum zurückzuführen, ist zwar für den herr- schenden Sprachgebrauch massgebend geblieben. Er hat auch dadurch gute Dienste geleistet, dass er die Rechte der Schrift- steller dem gemeinen Verständnisse versinnlichte und die später erfolgte allgemeine Anerkennung im Wege der Gesetzgebung erleichterte. Für die juristische Theorie dieses Rechtsinstitutes aber ist die herbeigezogene Analogie völlig werthlos und ver- werflich. Es ist bereits oben (S. 113 f.) ausgeführt worden, dass der Gegenstand des geistigen Eigenthumes sich als eine Handlung characterisirt, welche in keinem Verstande unter den Begriff der Sachen, weder der körperlichen noch der unkörperlichen, subsumirt werden kann. Ebenso wenig als in dem Objecte bei- der Rechte ist aber auch in dem Ursprunge derselben eine Uebereinstimmung vorhanden. Das Eigenthum an körperlichen Erzeugnissen wird zwar in dem einen Falle der Specification durch die Thätigkeit des Hervorbringens erworben. Allein diese Art der Erwerbung des Eigenthumes ist eine ausnahmsweise, welche auf der singulären Voraussetzung beruht, dass jemand aus fremdem Stoffe einen ganz neuen Gegenstand verfertigt hat. Der letzte Grund der Erwerbung des Eigenthumes liegt auch in diesem Falle bloss in der Aneignung, und die produ- ctive Thätigkeit des Verfertigers kommt nur insofern in Be- tracht, als durch dieselbe der frühere Gegenstand aufgehört hat zu existiren, und eine ganz neue Sache erzeugt ist, an welcher als an einer herrenlosen die Occupation stattfin-

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/137>, abgerufen am 25.04.2024.