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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749.

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Der Messias.
Jauchzend mit Hallelujagesängen entgegen segnen!
Dir, unsterblicher Tag, der du unsern getrösteten Augen
GOtt, den Meßias, auf Erden in seiner Erniedrung
entdeckest!

Wie er so schön ist! O, unser Meßias in menschlicher
Bildung!

Wie sich in seinem erhabenen Ansehn die Gottheit ent-
hüllet!

Selig bist du und heilig, die du den Meßias gebarest,
Seliger als Eva, die Mutter der Menschen. Unzählbar
Sind zwar die Söhne von ihr, doch zugleich unzählbare
Sünder.

Aber du hast einen, nur einen göttlichen Menschen
Einen gerechten, ach einen unschuldigen theuren Meßias
Einen Sohn GOttes, unsterbliche Tochter der Erde, ge-
boren!

Zärtlich mit irrendem Blick seh ich zur Erden hernieder,
Dich, Paradieß, dich seh ich nicht mehr. Du bist in den
Wassern

Weggeschwemmt, in Wassern der allgegenwärtigen Sünd-
flut.

Deiner erhabnen umschattenden Cedern, die GOttes
Hand pflanzte,

Deiner friedsamen Lauben, der jungen Tugend Behausung,
Hat kein Sturmwind, kein Donner, kein Todesengel ge-
schonet!

Bethlehem, wo ihn Maria gebar, und ihn brünstig um-
armte,

Sey du mir mein Eden; du Brunnen Davids, die Quelle,
Wo ich göttlich erschaffen zuerst mich sahe, du Hütte,
Wo

Der Meſſias.
Jauchzend mit Hallelujageſaͤngen entgegen ſegnen!
Dir, unſterblicher Tag, der du unſern getroͤſteten Augen
GOtt, den Meßias, auf Erden in ſeiner Erniedrung
entdeckeſt!

Wie er ſo ſchoͤn iſt! O, unſer Meßias in menſchlicher
Bildung!

Wie ſich in ſeinem erhabenen Anſehn die Gottheit ent-
huͤllet!

Selig biſt du und heilig, die du den Meßias gebareſt,
Seliger als Eva, die Mutter der Menſchen. Unzaͤhlbar
Sind zwar die Soͤhne von ihr, doch zugleich unzaͤhlbare
Suͤnder.

Aber du haſt einen, nur einen goͤttlichen Menſchen
Einen gerechten, ach einen unſchuldigen theuren Meßias
Einen Sohn GOttes, unſterbliche Tochter der Erde, ge-
boren!

Zaͤrtlich mit irrendem Blick ſeh ich zur Erden hernieder,
Dich, Paradieß, dich ſeh ich nicht mehr. Du biſt in den
Waſſern

Weggeſchwemmt, in Waſſern der allgegenwaͤrtigen Suͤnd-
flut.

Deiner erhabnen umſchattenden Cedern, die GOttes
Hand pflanzte,

Deiner friedſamen Lauben, der jungen Tugend Behauſung,
Hat kein Sturmwind, kein Donner, kein Todesengel ge-
ſchonet!

Bethlehem, wo ihn Maria gebar, und ihn bruͤnſtig um-
armte,

Sey du mir mein Eden; du Brunnen Davids, die Quelle,
Wo ich goͤttlich erſchaffen zuerſt mich ſahe, du Huͤtte,
Wo
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[44/0048] Der Meſſias. Jauchzend mit Hallelujageſaͤngen entgegen ſegnen! Dir, unſterblicher Tag, der du unſern getroͤſteten Augen GOtt, den Meßias, auf Erden in ſeiner Erniedrung entdeckeſt! Wie er ſo ſchoͤn iſt! O, unſer Meßias in menſchlicher Bildung! Wie ſich in ſeinem erhabenen Anſehn die Gottheit ent- huͤllet! Selig biſt du und heilig, die du den Meßias gebareſt, Seliger als Eva, die Mutter der Menſchen. Unzaͤhlbar Sind zwar die Soͤhne von ihr, doch zugleich unzaͤhlbare Suͤnder. Aber du haſt einen, nur einen goͤttlichen Menſchen Einen gerechten, ach einen unſchuldigen theuren Meßias Einen Sohn GOttes, unſterbliche Tochter der Erde, ge- boren! Zaͤrtlich mit irrendem Blick ſeh ich zur Erden hernieder, Dich, Paradieß, dich ſeh ich nicht mehr. Du biſt in den Waſſern Weggeſchwemmt, in Waſſern der allgegenwaͤrtigen Suͤnd- flut. Deiner erhabnen umſchattenden Cedern, die GOttes Hand pflanzte, Deiner friedſamen Lauben, der jungen Tugend Behauſung, Hat kein Sturmwind, kein Donner, kein Todesengel ge- ſchonet! Bethlehem, wo ihn Maria gebar, und ihn bruͤnſtig um- armte, Sey du mir mein Eden; du Brunnen Davids, die Quelle, Wo ich goͤttlich erſchaffen zuerſt mich ſahe, du Huͤtte, Wo

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Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/48>, abgerufen am 20.04.2024.