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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

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Erster Gesang.

Lieblicher als die Gestirne, da sie vorm Throne des Schöpfers
Jugendlich neu, und voll Licht, mit ihren Tagen, vorbeyflohn.
Gott schuf ihn erst. Aus einer helleuchtenden Morgenröthe
Schuf er ihm einen ätherischen Leib, Ein Himmel von Wolken
Floß um ihn, da er wurde: Gott hub ihn mit offenen Armen
Aus den Wolken, und sagt ihm segnend: da bin ich, Erschaffner!
Seraph Eloa sah itzt auf einmal den Ewigen vor sich,
Schaut ihn entzückungsvoll an, und stand, und schaut ihn begeistert
Wiederum an, und sank, verloren in Gottes Anblick,
Endlich redt er, und sagte dem Ewigen alle Gedanken,
Die er empfand, die neuen unsterblichen Rührungen alle,
Die sein großes Herz durchwallten. Erst werden die Welten
Alle vergehn, und neu aus ihrem Staube sich schwingen,
Ganze Jahrhunderte werden dann erst in die Ewigkeit eingehn,
Eh der erhabenste Christ so göttliche Rührungen fühlet.

Jtzt kam Eloa von seinem Sitze zum Engel des Mittlers
Auf neu erwachenden Strahlen in seiner Schönheit hernieder,
Jhn zum Altare des Mittlers zu führen. Er gieng noch von ferne,
Als er schon Gabriel kannte. Der Seraph zerfloß in Entzückung,
Von den Unsterblichen einen zu sehn, mit dem er vor diesem
Alle Bezirke der Schöpfungen Gottes, und ihre Bewohner
Sah, und mit dem er unnachahmbarere Thaten vollführte,
Als das Geschlecht der Menschen mit seinen Edelsten ausübt.
Jtzo verklärten sie sich schon liebreich gegen einander.
Schnell, mit brünstig eröffneten Armen, mit herzlichen Blicken
Eilten sie gegen einander. Sie zitterten beyde vor Freuden,
Als

Erſter Geſang.

Lieblicher als die Geſtirne, da ſie vorm Throne des Schoͤpfers
Jugendlich neu, und voll Licht, mit ihren Tagen, vorbeyflohn.
Gott ſchuf ihn erſt. Aus einer helleuchtenden Morgenroͤthe
Schuf er ihm einen aͤtheriſchen Leib, Ein Himmel von Wolken
Floß um ihn, da er wurde: Gott hub ihn mit offenen Armen
Aus den Wolken, und ſagt ihm ſegnend: da bin ich, Erſchaffner!
Seraph Eloa ſah itzt auf einmal den Ewigen vor ſich,
Schaut ihn entzuͤckungsvoll an, und ſtand, und ſchaut ihn begeiſtert
Wiederum an, und ſank, verloren in Gottes Anblick,
Endlich redt er, und ſagte dem Ewigen alle Gedanken,
Die er empfand, die neuen unſterblichen Ruͤhrungen alle,
Die ſein großes Herz durchwallten. Erſt werden die Welten
Alle vergehn, und neu aus ihrem Staube ſich ſchwingen,
Ganze Jahrhunderte werden dann erſt in die Ewigkeit eingehn,
Eh der erhabenſte Chriſt ſo goͤttliche Ruͤhrungen fuͤhlet.

Jtzt kam Eloa von ſeinem Sitze zum Engel des Mittlers
Auf neu erwachenden Strahlen in ſeiner Schoͤnheit hernieder,
Jhn zum Altare des Mittlers zu fuͤhren. Er gieng noch von ferne,
Als er ſchon Gabriel kannte. Der Seraph zerfloß in Entzuͤckung,
Von den Unſterblichen einen zu ſehn, mit dem er vor dieſem
Alle Bezirke der Schoͤpfungen Gottes, und ihre Bewohner
Sah, und mit dem er unnachahmbarere Thaten vollfuͤhrte,
Als das Geſchlecht der Menſchen mit ſeinen Edelſten ausuͤbt.
Jtzo verklaͤrten ſie ſich ſchon liebreich gegen einander.
Schnell, mit bruͤnſtig eroͤffneten Armen, mit herzlichen Blicken
Eilten ſie gegen einander. Sie zitterten beyde vor Freuden,
Als
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[15/0027] Erſter Geſang. Lieblicher als die Geſtirne, da ſie vorm Throne des Schoͤpfers Jugendlich neu, und voll Licht, mit ihren Tagen, vorbeyflohn. Gott ſchuf ihn erſt. Aus einer helleuchtenden Morgenroͤthe Schuf er ihm einen aͤtheriſchen Leib, Ein Himmel von Wolken Floß um ihn, da er wurde: Gott hub ihn mit offenen Armen Aus den Wolken, und ſagt ihm ſegnend: da bin ich, Erſchaffner! Seraph Eloa ſah itzt auf einmal den Ewigen vor ſich, Schaut ihn entzuͤckungsvoll an, und ſtand, und ſchaut ihn begeiſtert Wiederum an, und ſank, verloren in Gottes Anblick, Endlich redt er, und ſagte dem Ewigen alle Gedanken, Die er empfand, die neuen unſterblichen Ruͤhrungen alle, Die ſein großes Herz durchwallten. Erſt werden die Welten Alle vergehn, und neu aus ihrem Staube ſich ſchwingen, Ganze Jahrhunderte werden dann erſt in die Ewigkeit eingehn, Eh der erhabenſte Chriſt ſo goͤttliche Ruͤhrungen fuͤhlet. Jtzt kam Eloa von ſeinem Sitze zum Engel des Mittlers Auf neu erwachenden Strahlen in ſeiner Schoͤnheit hernieder, Jhn zum Altare des Mittlers zu fuͤhren. Er gieng noch von ferne, Als er ſchon Gabriel kannte. Der Seraph zerfloß in Entzuͤckung, Von den Unſterblichen einen zu ſehn, mit dem er vor dieſem Alle Bezirke der Schoͤpfungen Gottes, und ihre Bewohner Sah, und mit dem er unnachahmbarere Thaten vollfuͤhrte, Als das Geſchlecht der Menſchen mit ſeinen Edelſten ausuͤbt. Jtzo verklaͤrten ſie ſich ſchon liebreich gegen einander. Schnell, mit bruͤnſtig eroͤffneten Armen, mit herzlichen Blicken Eilten ſie gegen einander. Sie zitterten beyde vor Freuden, Als

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/27>, abgerufen am 29.03.2024.