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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

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Der Meßias.

Hörten sie, noch kein Unsterblicher nicht: da standest du, Schöpfer,
Auf dem neuen erhabenen Throne dich selber betrachtend,
Einsam und ernst. O jauchzet der denkenden Gottheit entgegen!
Damals, ja damals erschuf er euch, Seraphim, Geistergeschöpfe,
Voll von Gedanken, voll mächtiger Kräfte, des Schöpfers Gedanken,
Die er in euch von ihm selber erschafft, anbetend zu fassen.
Halleluja, ein feyrendes Halleluja, o Erster,
Sey dir von uns unaufhörlich gesungen! Zur Einsamkeit sprachst du:
Sey nicht mehr! Und zu den Wesen: entwickelt euch, Halleluja!

Unter dem Liede, das nach dem erhabenen Dreymalheilig,
Stets gesungen wird, hatte des Mittlers hoher Gesandte
Eine der nächsten Sonnen am Himmel helleuchtend betreten
Ueberall schweigen die Seraphim itzt, und feyren den Anblick,
Durch den der ewige Vater ihr heiliges Loblied belohnte.
Jndem erschien der Seraph auf dieser Sonne dem Himmel.
Gott sah ihn an, der Himmel mit Gott. Er betete kniend.
Zweymal die Zeit, in welcher ein Cherub den Namen Jehova,
Und das anbetende Dreymalheilig der Ewigkeit ausspricht,
Ward er des Anschauns der Gottheit gewürdigt. Drauf kam ihm der Thronen
Erstgebohrner, ihn feyrlich vor Gott zu führen, entgegen.
Gott nennt ihn seinen Geliebten; der Himmel Eloa. Vor allen,
Die Gott erschuf, ist er groß, der nächste dem Unerschaffnen.
Denkt er, so ist ein Gedanke von ihm so schön, als die Seele,
Als die ganze Seele des Menschen geschaffen der Gottheit,
Wenn sie, ihrer Unsterblichkeit würdig, gedankenvoll nachsinnt.
Sein umschauender Blick ist schöner, als Frühlingsmorgen,
Lieb-

Der Meßias.

Hoͤrten ſie, noch kein Unſterblicher nicht: da ſtandeſt du, Schoͤpfer,
Auf dem neuen erhabenen Throne dich ſelber betrachtend,
Einſam und ernſt. O jauchzet der denkenden Gottheit entgegen!
Damals, ja damals erſchuf er euch, Seraphim, Geiſtergeſchoͤpfe,
Voll von Gedanken, voll maͤchtiger Kraͤfte, des Schoͤpfers Gedanken,
Die er in euch von ihm ſelber erſchafft, anbetend zu faſſen.
Halleluja, ein feyrendes Halleluja, o Erſter,
Sey dir von uns unaufhoͤrlich geſungen! Zur Einſamkeit ſprachſt du:
Sey nicht mehr! Und zu den Weſen: entwickelt euch, Halleluja!

Unter dem Liede, das nach dem erhabenen Dreymalheilig,
Stets geſungen wird, hatte des Mittlers hoher Geſandte
Eine der naͤchſten Sonnen am Himmel helleuchtend betreten
Ueberall ſchweigen die Seraphim itzt, und feyren den Anblick,
Durch den der ewige Vater ihr heiliges Loblied belohnte.
Jndem erſchien der Seraph auf dieſer Sonne dem Himmel.
Gott ſah ihn an, der Himmel mit Gott. Er betete kniend.
Zweymal die Zeit, in welcher ein Cherub den Namen Jehova,
Und das anbetende Dreymalheilig der Ewigkeit ausſpricht,
Ward er des Anſchauns der Gottheit gewuͤrdigt. Drauf kam ihm der Thronen
Erſtgebohrner, ihn feyrlich vor Gott zu fuͤhren, entgegen.
Gott nennt ihn ſeinen Geliebten; der Himmel Eloa. Vor allen,
Die Gott erſchuf, iſt er groß, der naͤchſte dem Unerſchaffnen.
Denkt er, ſo iſt ein Gedanke von ihm ſo ſchoͤn, als die Seele,
Als die ganze Seele des Menſchen geſchaffen der Gottheit,
Wenn ſie, ihrer Unſterblichkeit wuͤrdig, gedankenvoll nachſinnt.
Sein umſchauender Blick iſt ſchoͤner, als Fruͤhlingsmorgen,
Lieb-
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[14/0026] Der Meßias. Hoͤrten ſie, noch kein Unſterblicher nicht: da ſtandeſt du, Schoͤpfer, Auf dem neuen erhabenen Throne dich ſelber betrachtend, Einſam und ernſt. O jauchzet der denkenden Gottheit entgegen! Damals, ja damals erſchuf er euch, Seraphim, Geiſtergeſchoͤpfe, Voll von Gedanken, voll maͤchtiger Kraͤfte, des Schoͤpfers Gedanken, Die er in euch von ihm ſelber erſchafft, anbetend zu faſſen. Halleluja, ein feyrendes Halleluja, o Erſter, Sey dir von uns unaufhoͤrlich geſungen! Zur Einſamkeit ſprachſt du: Sey nicht mehr! Und zu den Weſen: entwickelt euch, Halleluja! Unter dem Liede, das nach dem erhabenen Dreymalheilig, Stets geſungen wird, hatte des Mittlers hoher Geſandte Eine der naͤchſten Sonnen am Himmel helleuchtend betreten Ueberall ſchweigen die Seraphim itzt, und feyren den Anblick, Durch den der ewige Vater ihr heiliges Loblied belohnte. Jndem erſchien der Seraph auf dieſer Sonne dem Himmel. Gott ſah ihn an, der Himmel mit Gott. Er betete kniend. Zweymal die Zeit, in welcher ein Cherub den Namen Jehova, Und das anbetende Dreymalheilig der Ewigkeit ausſpricht, Ward er des Anſchauns der Gottheit gewuͤrdigt. Drauf kam ihm der Thronen Erſtgebohrner, ihn feyrlich vor Gott zu fuͤhren, entgegen. Gott nennt ihn ſeinen Geliebten; der Himmel Eloa. Vor allen, Die Gott erſchuf, iſt er groß, der naͤchſte dem Unerſchaffnen. Denkt er, ſo iſt ein Gedanke von ihm ſo ſchoͤn, als die Seele, Als die ganze Seele des Menſchen geſchaffen der Gottheit, Wenn ſie, ihrer Unſterblichkeit wuͤrdig, gedankenvoll nachſinnt. Sein umſchauender Blick iſt ſchoͤner, als Fruͤhlingsmorgen, Lieb-

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/26>, abgerufen am 24.04.2024.