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Klaj, Johann: Lobrede der Teutschen Poeterey. Nürnberg, 1645.

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Lobrede
lernen und entlehnen sollen/ die von uns das Werk gelernet? Vor-
zeiten hatten die Teutschen/ die von Anfang hero Kriegsleute gewe-
sen/ eine schöne grosse Reuterfahne geführet/ jetzo henget man ein
Schnuptüchel an eine Stange/ und das müsse ein Cornet heissen. V-
ber welchen Gebrauch/ als ob wir mit der alten Teutschen Tugend
auch unserer Teutschen Sprach algemach müde würden/ sehr schön kla-
get der hochgelehrte und weitberühmte H. Matthias Bernegger in
seinem Svetonianischen Füestenspiegel/ da er spricht: Obschon un-
sere Teusche Sprache an der Menge auserlesener Wörter/ an Vol-
kommenheit ansehnlich begriffener und weitläufftig ausgeführter
Vmkreise/ auch gantzer Reden Zierlichkeit einiger anderer Sprache
nicht weichet/ so setzen wir sie doch selbsten hindennach/ gestalt ins
gemein fast alles Jnheimische pflegt unwerth zu seyn: Ja wir legen
auch nicht allein keinen Fleiß darauf/ sie auszuzieren und zu schmük-
ken/ sondern beschmeissen sie im Widerspiel mit fremder Wörter
(wie wir meinen/) Zierraht/ so aber im Werk vielmehr grobe Schand-
flekken seyn/ also/ daß man mit gutem Fugsagen möchte/ es werde
diese unsere Muttersprach vor lauterem Alter zu einer Grundsup-
pen/ darein aller anderer Sprachen Vnart/ gleichsam als mit einem
ungestümmen Regenbach/ zusammengeflösset werde. Bald entlehnen
wir vom Lateinischen/ bald vom Frantzösischen/ ja gar vom Spa-
nischen und Jtaliänischen das jenige/ was uns zu Hause vielschöner
und besser wächset.

Der Edel-Hochgelehrte Geschichtschreiber Lehman in seiner Spey-
rischen Chronik zu End deß 107. Cap. gedenket dieses: Gleichwie die
Römer zu ihrem Wolstand allein die Lateinische Sprache gefüh-
ret/ und ihrem Ansehen und Hochheit verkleinerlich ermessen/ so je-
mand in offenen Schrifften auß der Griechischen Sprache ein ei-
niges Wort eingemischet/ Gleichergestalt haben die alten Teutschen
vor unziemlich er achtet/ wann man in Schrifften/ so vor Obrikeiten
oder vor Gerichten ausgefertiget/ Latein eingemischt/ die allgemei-

ne

Lobrede
lernen und entlehnen ſollen/ die von uns das Werk gelernet? Vor-
zeiten hatten die Teutſchen/ die von Anfang hero Kriegsleute gewe-
ſen/ eine ſchoͤne groſſe Reuterfahne gefuͤhret/ jetzo henget man ein
Schnuptuͤchel an eine Stange/ und das muͤſſe ein Cornet heiſſen. V-
ber welchen Gebrauch/ als ob wir mit der alten Teutſchen Tugend
auch unſereꝛ Teutſchen Spꝛach algemach muͤde wuͤrdẽ/ ſehr ſchoͤn kla-
get der hochgelehrte und weitberuͤhmte H. Matthias Bernegger in
ſeinem Svetonianiſchen Fuͤeſtenſpiegel/ da er ſpricht: Obſchon un-
ſere Teuſche Sprache an der Menge auserleſener Woͤrter/ an Vol-
kommenheit anſehnlich begriffener und weitlaͤufftig ausgefuͤhrter
Vmkreiſe/ auch gantzer Reden Zierlichkeit einiger anderer Sprache
nicht weichet/ ſo ſetzen wir ſie doch ſelbſten hindennach/ geſtalt ins
gemein faſt alles Jnheimiſche pflegt unwerth zu ſeyn: Ja wir legen
auch nicht allein keinen Fleiß darauf/ ſie auszuzieren und zu ſchmuͤk-
ken/ ſondern beſchmeiſſen ſie im Widerſpiel mit fremder Woͤrter
(wie wir meinẽ/) Zierraht/ ſo aber im Werk vielmehr grobe Schãd-
flekken ſeyn/ alſo/ daß man mit gutem Fugſagen moͤchte/ es werde
dieſe unſere Mutterſprach vor lauterem Alter zu einer Grundſup-
pen/ darein aller anderer Sprachen Vnart/ gleichſam als mit einem
ungeſtuͤm̃en Regenbach/ zuſammengefloͤſſet werde. Bald entlehnen
wir vom Lateiniſchen/ bald vom Frantzoͤſiſchen/ ja gar vom Spa-
niſchen und Jtaliaͤniſchen das jenige/ was uns zu Hauſe vielſchoͤner
und beſſer waͤchſet.

Der Edel-Hochgelehrte Geſchichtſchreiber Lehman in ſeiner Spey-
riſchen Chronik zu End deß 107. Cap. gedenket dieſes: Gleichwie die
Roͤmer zu ihrem Wolſtand allein die Lateiniſche Sprache gefuͤh-
ret/ und ihrem Anſehen und Hochheit verkleinerlich ermeſſen/ ſo je-
mand in offenen Schrifften auß der Griechiſchen Sprache ein ei-
niges Wort eingemiſchet/ Gleichergeſtalt haben die alten Teutſchen
vor unziemlich er achtet/ wann man in Schrifften/ ſo vor Obrikeitẽ
oder vor Gerichten ausgefertiget/ Latein eingemiſcht/ die allgemei-

ne
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[24/0038] Lobrede lernen und entlehnen ſollen/ die von uns das Werk gelernet? Vor- zeiten hatten die Teutſchen/ die von Anfang hero Kriegsleute gewe- ſen/ eine ſchoͤne groſſe Reuterfahne gefuͤhret/ jetzo henget man ein Schnuptuͤchel an eine Stange/ und das muͤſſe ein Cornet heiſſen. V- ber welchen Gebrauch/ als ob wir mit der alten Teutſchen Tugend auch unſereꝛ Teutſchen Spꝛach algemach muͤde wuͤrdẽ/ ſehr ſchoͤn kla- get der hochgelehrte und weitberuͤhmte H. Matthias Bernegger in ſeinem Svetonianiſchen Fuͤeſtenſpiegel/ da er ſpricht: Obſchon un- ſere Teuſche Sprache an der Menge auserleſener Woͤrter/ an Vol- kommenheit anſehnlich begriffener und weitlaͤufftig ausgefuͤhrter Vmkreiſe/ auch gantzer Reden Zierlichkeit einiger anderer Sprache nicht weichet/ ſo ſetzen wir ſie doch ſelbſten hindennach/ geſtalt ins gemein faſt alles Jnheimiſche pflegt unwerth zu ſeyn: Ja wir legen auch nicht allein keinen Fleiß darauf/ ſie auszuzieren und zu ſchmuͤk- ken/ ſondern beſchmeiſſen ſie im Widerſpiel mit fremder Woͤrter (wie wir meinẽ/) Zierraht/ ſo aber im Werk vielmehr grobe Schãd- flekken ſeyn/ alſo/ daß man mit gutem Fugſagen moͤchte/ es werde dieſe unſere Mutterſprach vor lauterem Alter zu einer Grundſup- pen/ darein aller anderer Sprachen Vnart/ gleichſam als mit einem ungeſtuͤm̃en Regenbach/ zuſammengefloͤſſet werde. Bald entlehnen wir vom Lateiniſchen/ bald vom Frantzoͤſiſchen/ ja gar vom Spa- niſchen und Jtaliaͤniſchen das jenige/ was uns zu Hauſe vielſchoͤner und beſſer waͤchſet. Der Edel-Hochgelehrte Geſchichtſchreiber Lehman in ſeiner Spey- riſchen Chronik zu End deß 107. Cap. gedenket dieſes: Gleichwie die Roͤmer zu ihrem Wolſtand allein die Lateiniſche Sprache gefuͤh- ret/ und ihrem Anſehen und Hochheit verkleinerlich ermeſſen/ ſo je- mand in offenen Schrifften auß der Griechiſchen Sprache ein ei- niges Wort eingemiſchet/ Gleichergeſtalt haben die alten Teutſchen vor unziemlich er achtet/ wann man in Schrifften/ ſo vor Obrikeitẽ oder vor Gerichten ausgefertiget/ Latein eingemiſcht/ die allgemei- ne

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Zitationshilfe: Klaj, Johann: Lobrede der Teutschen Poeterey. Nürnberg, 1645, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klaj_lobrede_1645/38>, abgerufen am 28.03.2024.