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Klaj, Johann: Lobrede der Teutschen Poeterey. Nürnberg, 1645.

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Lobrede
tischen Gedanken hintertreibet/ wie ein trübes Wasser des Angesichts
Bildung nicht rein und eigentlich vorweisen kan. Dahero allezeit
darvorgehalten worden/ daß der/ so bey ihm selbst/ ümsonst an der
Musen Thür klopfe: Das ist/ es müsse ein guter Poet von einer hö-
hern Gewalt angetrieben werden/ Göttliche Regungen und himmli-
sche Einflüsse haben/ wie sie denn singen:

Es ist ein Gott in uns/ ein Geist/ wenn der sich reget/
Brent unser Geist auch an/ und sich wie Gott beweget.

Diese geistliche. Entzükkung wallete in dem heiligen Hertzen Mo-
sis Deborae/ Judith/ sie flammete sich auf/ und brach in das volle Lob
Gottes nach Begebenheit mit solcher Zierlichkeit heraus/ daß sie so
weit über alle Weltliche Gedicht gestiegen/ so weit die himmlischen
Dinge alle irdische Eitelkeiten übertreffen.

David/ der Köntgliche Poet/ dessen Parnassus Sion gewesen/
Salomon/ dessen Musen die Töchter der Weisheit/ liessen sich/
durch diesen Geist getrieben/ in ein tiefes Gespräche mit GOTT
ein.

Vnd weiln ein solcher Poetischer Geist/ von anmutigen Sinn-
reichen Einfällen/ kekkes Vnternemens unnachfölgig steiget/ sich mit
Göttlicher Vernunfft flügelt/ die Alttagsgedanken übertrifft/ als ist
ihnen der Name/ so der höhesten Majestät alleinzuständig/ gegeben
worden.

Dann gleichwie Gott/ der dieses sichtbare Weltgebäu/ mit al-
lem/ was in demselben begriffen/ bloß aus seiner unermeßlichen Krafft
und Weisheit erbauet/ allein ein Dichter/ diese aber/ die/ aus einem
vorhergehenden Zeuge/ etwas verfertiget/ zum Vnterscheid/ Meister
benamet worden: Also hat man Anfangs die Poeten hoch und herr-
lich/ ja Gott fast selbst gleich/ geachtet/ in dem man geargwohnet/ sie
hätten eine heimliche Zusammenkunft und Verbündniß mit den Göt-
tern/ weil sie/ was niemaln gewesen/ als wer es gewesen/ fürgestellet.

Bey

Lobrede
tiſchen Gedanken hintertreibet/ wie ein truͤbes Waſſer des Angeſichts
Bildung nicht rein und eigentlich vorweiſen kan. Dahero allezeit
darvorgehalten worden/ daß der/ ſo bey ihm ſelbſt/ uͤmſonſt an der
Muſen Thuͤr klopfe: Das iſt/ es muͤſſe ein guter Poet von einer hoͤ-
hern Gewalt angetrieben werden/ Goͤttliche Regungen und himmli-
ſche Einfluͤſſe haben/ wie ſie denn ſingen:

Es iſt ein Gott in uns/ ein Geiſt/ wenn der ſich reget/
Brent unſer Geiſt auch an/ und ſich wie Gott beweget.

Dieſe geiſtliche. Entzuͤkkung wallete in dem heiligen Hertzen Mo-
ſis Deborae/ Judith/ ſie flammete ſich auf/ und brach in das volle Lob
Gottes nach Begebenheit mit ſolcher Zierlichkeit heraus/ daß ſie ſo
weit uͤber alle Weltliche Gedicht geſtiegen/ ſo weit die himmliſchen
Dinge alle irdiſche Eitelkeiten uͤbertreffen.

David/ der Koͤntgliche Poet/ deſſen Parnaſſus Sion geweſen/
Salomon/ deſſen Muſen die Toͤchter der Weiſheit/ lieſſen ſich/
durch dieſen Geiſt getrieben/ in ein tiefes Geſpraͤche mit GOTT
ein.

Vnd weiln ein ſolcher Poetiſcher Geiſt/ von anmutigen Sinn-
reichen Einfaͤllen/ kekkes Vnternemens unnachfoͤlgig ſteiget/ ſich mit
Goͤttlicher Vernunfft fluͤgelt/ die Alttagsgedanken uͤbertrifft/ als iſt
ihnen der Name/ ſo der hoͤheſten Majeſtaͤt alleinzuſtaͤndig/ gegeben
worden.

Dann gleichwie Gott/ der dieſes ſichtbare Weltgebaͤu/ mit al-
lem/ was in demſelben begriffen/ bloß aus ſeiner unermeßlichen Krafft
und Weiſheit erbauet/ allein ein Dichter/ dieſe aber/ die/ aus einem
vorhergehenden Zeuge/ etwas verfertiget/ zum Vnterſcheid/ Meiſter
benamet worden: Alſo hat man Anfangs die Poeten hoch und herr-
lich/ ja Gott faſt ſelbſt gleich/ geachtet/ in dem man geargwohnet/ ſie
haͤtten eine heimliche Zuſam̃enkunft und Verbuͤndniß mit den Goͤt-
tern/ weil ſie/ was niemaln geweſen/ als wer es geweſen/ fuͤrgeſtellet.

Bey
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[4/0018] Lobrede tiſchen Gedanken hintertreibet/ wie ein truͤbes Waſſer des Angeſichts Bildung nicht rein und eigentlich vorweiſen kan. Dahero allezeit darvorgehalten worden/ daß der/ ſo bey ihm ſelbſt/ uͤmſonſt an der Muſen Thuͤr klopfe: Das iſt/ es muͤſſe ein guter Poet von einer hoͤ- hern Gewalt angetrieben werden/ Goͤttliche Regungen und himmli- ſche Einfluͤſſe haben/ wie ſie denn ſingen: Es iſt ein Gott in uns/ ein Geiſt/ wenn der ſich reget/ Brent unſer Geiſt auch an/ und ſich wie Gott beweget. Dieſe geiſtliche. Entzuͤkkung wallete in dem heiligen Hertzen Mo- ſis Deborae/ Judith/ ſie flammete ſich auf/ und brach in das volle Lob Gottes nach Begebenheit mit ſolcher Zierlichkeit heraus/ daß ſie ſo weit uͤber alle Weltliche Gedicht geſtiegen/ ſo weit die himmliſchen Dinge alle irdiſche Eitelkeiten uͤbertreffen. David/ der Koͤntgliche Poet/ deſſen Parnaſſus Sion geweſen/ Salomon/ deſſen Muſen die Toͤchter der Weiſheit/ lieſſen ſich/ durch dieſen Geiſt getrieben/ in ein tiefes Geſpraͤche mit GOTT ein. Vnd weiln ein ſolcher Poetiſcher Geiſt/ von anmutigen Sinn- reichen Einfaͤllen/ kekkes Vnternemens unnachfoͤlgig ſteiget/ ſich mit Goͤttlicher Vernunfft fluͤgelt/ die Alttagsgedanken uͤbertrifft/ als iſt ihnen der Name/ ſo der hoͤheſten Majeſtaͤt alleinzuſtaͤndig/ gegeben worden. Dann gleichwie Gott/ der dieſes ſichtbare Weltgebaͤu/ mit al- lem/ was in demſelben begriffen/ bloß aus ſeiner unermeßlichen Krafft und Weiſheit erbauet/ allein ein Dichter/ dieſe aber/ die/ aus einem vorhergehenden Zeuge/ etwas verfertiget/ zum Vnterſcheid/ Meiſter benamet worden: Alſo hat man Anfangs die Poeten hoch und herr- lich/ ja Gott faſt ſelbſt gleich/ geachtet/ in dem man geargwohnet/ ſie haͤtten eine heimliche Zuſam̃enkunft und Verbuͤndniß mit den Goͤt- tern/ weil ſie/ was niemaln geweſen/ als wer es geweſen/ fuͤrgeſtellet. Bey

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Zitationshilfe: Klaj, Johann: Lobrede der Teutschen Poeterey. Nürnberg, 1645, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klaj_lobrede_1645/18>, abgerufen am 19.04.2024.