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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

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und nichts gibt, kommt auch nicht mehr. Aber antwortest
du mir nicht, so sollst du sehen, wie ich dich noch plage."

Von jetzt an erschien ihr der Schwarze meistens in der
drohenden Gestalt eines scheußlichen Thiers, eines Bären,
einer Schlange, eines Krokodills, nicht mehr in Men-
schengestalt, versprach ihr bald Geld, bald drohte er
ihr mit Martern. In ihrem Jammer hielt sie ihm mehrmals
die Bibel entgegen, worauf er sogleich verschwand.

Am 21. August erschien ihr der Geist in Gestalt eines
monströsen Thieres, das mitten am Leibe einen Hals hatte.
Sie saß gerade auf der Bank und strickte. Man hörte von ihr
nichts als daß sie in Unmacht fiel und nur noch die Worte
herausbrachte: "Der Schwarze!" Mehrere Stunden lang
lag sie bewußtlos da und diese Anfälle wiederholten sich
selbst noch den ganzen andern Tag hindurch. Sie schlug
nach allem, was sich ihr näherte, mit dem linken Arme
und dem linken Fuße, besonders wurde dieses Wü-
then der linken Seite heftig, wenn man die
Bibel gegen dieselbe brachte
.

Die Eltern ließen einen Geistlichen und einen Arzt rufen,
weil ihnen dieser Zustand unerklärlich war. Fragte sie der
Arzt: hast du Krämpfe? antwortete sie: nein! Bist du sonst
krank? Nein! Was ist es denn? Der Schwarze! war die
Antwort. Wo ist er? Da! Dabey schlug sie mit der rechten
Hand auf die linke Seite.

Man ließ ihr zu Ader, setzte ihr Blutegel. Sie war in
einem magnetischen, schlafwachen Zustand und sagte in ihm:
"Das nützt alles nichts, ich bin nicht krank, man gibt sich
vergebliche Mühe, mir kann kein Arzt helfen." Man fragte:
Wer kann dir denn helfen? Da erwachte sie auf einmal
und sagte freudig: "Mir ist geholfen!" Man fragte: wer
hat geholfen? Sie sagte: "Das Fräulein hat geholfen"
(die weiße Geistin).

Sie erzählte nun: daß vor ihrem Fall der schwarze Geist
in jener scheuslichen Gestalt auf sie losgegangen, sie nie-
dergedrückt und sie zu erwürgen gedroht habe, wenn sie ihm

Kerner, über Besessenseyn. 3

und nichts gibt, kommt auch nicht mehr. Aber antworteſt
du mir nicht, ſo ſollſt du ſehen, wie ich dich noch plage.“

Von jetzt an erſchien ihr der Schwarze meiſtens in der
drohenden Geſtalt eines ſcheußlichen Thiers, eines Bären,
einer Schlange, eines Krokodills, nicht mehr in Men-
ſchengeſtalt, verſprach ihr bald Geld, bald drohte er
ihr mit Martern. In ihrem Jammer hielt ſie ihm mehrmals
die Bibel entgegen, worauf er ſogleich verſchwand.

Am 21. Auguſt erſchien ihr der Geiſt in Geſtalt eines
monſtröſen Thieres, das mitten am Leibe einen Hals hatte.
Sie ſaß gerade auf der Bank und ſtrickte. Man hörte von ihr
nichts als daß ſie in Unmacht fiel und nur noch die Worte
herausbrachte: „Der Schwarze!“ Mehrere Stunden lang
lag ſie bewußtlos da und dieſe Anfälle wiederholten ſich
ſelbſt noch den ganzen andern Tag hindurch. Sie ſchlug
nach allem, was ſich ihr näherte, mit dem linken Arme
und dem linken Fuße, beſonders wurde dieſes Wü-
then der linken Seite heftig, wenn man die
Bibel gegen dieſelbe brachte
.

Die Eltern ließen einen Geiſtlichen und einen Arzt rufen,
weil ihnen dieſer Zuſtand unerklärlich war. Fragte ſie der
Arzt: haſt du Krämpfe? antwortete ſie: nein! Biſt du ſonſt
krank? Nein! Was iſt es denn? Der Schwarze! war die
Antwort. Wo iſt er? Da! Dabey ſchlug ſie mit der rechten
Hand auf die linke Seite.

Man ließ ihr zu Ader, ſetzte ihr Blutegel. Sie war in
einem magnetiſchen, ſchlafwachen Zuſtand und ſagte in ihm:
„Das nützt alles nichts, ich bin nicht krank, man gibt ſich
vergebliche Mühe, mir kann kein Arzt helfen.“ Man fragte:
Wer kann dir denn helfen? Da erwachte ſie auf einmal
und ſagte freudig: „Mir iſt geholfen!“ Man fragte: wer
hat geholfen? Sie ſagte: „Das Fräulein hat geholfen“
(die weiße Geiſtin).

Sie erzählte nun: daß vor ihrem Fall der ſchwarze Geiſt
in jener ſcheuslichen Geſtalt auf ſie losgegangen, ſie nie-
dergedrückt und ſie zu erwürgen gedroht habe, wenn ſie ihm

Kerner, über Beſeſſenſeyn. 3
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[33/0047] und nichts gibt, kommt auch nicht mehr. Aber antworteſt du mir nicht, ſo ſollſt du ſehen, wie ich dich noch plage.“ Von jetzt an erſchien ihr der Schwarze meiſtens in der drohenden Geſtalt eines ſcheußlichen Thiers, eines Bären, einer Schlange, eines Krokodills, nicht mehr in Men- ſchengeſtalt, verſprach ihr bald Geld, bald drohte er ihr mit Martern. In ihrem Jammer hielt ſie ihm mehrmals die Bibel entgegen, worauf er ſogleich verſchwand. Am 21. Auguſt erſchien ihr der Geiſt in Geſtalt eines monſtröſen Thieres, das mitten am Leibe einen Hals hatte. Sie ſaß gerade auf der Bank und ſtrickte. Man hörte von ihr nichts als daß ſie in Unmacht fiel und nur noch die Worte herausbrachte: „Der Schwarze!“ Mehrere Stunden lang lag ſie bewußtlos da und dieſe Anfälle wiederholten ſich ſelbſt noch den ganzen andern Tag hindurch. Sie ſchlug nach allem, was ſich ihr näherte, mit dem linken Arme und dem linken Fuße, beſonders wurde dieſes Wü- then der linken Seite heftig, wenn man die Bibel gegen dieſelbe brachte. Die Eltern ließen einen Geiſtlichen und einen Arzt rufen, weil ihnen dieſer Zuſtand unerklärlich war. Fragte ſie der Arzt: haſt du Krämpfe? antwortete ſie: nein! Biſt du ſonſt krank? Nein! Was iſt es denn? Der Schwarze! war die Antwort. Wo iſt er? Da! Dabey ſchlug ſie mit der rechten Hand auf die linke Seite. Man ließ ihr zu Ader, ſetzte ihr Blutegel. Sie war in einem magnetiſchen, ſchlafwachen Zuſtand und ſagte in ihm: „Das nützt alles nichts, ich bin nicht krank, man gibt ſich vergebliche Mühe, mir kann kein Arzt helfen.“ Man fragte: Wer kann dir denn helfen? Da erwachte ſie auf einmal und ſagte freudig: „Mir iſt geholfen!“ Man fragte: wer hat geholfen? Sie ſagte: „Das Fräulein hat geholfen“ (die weiße Geiſtin). Sie erzählte nun: daß vor ihrem Fall der ſchwarze Geiſt in jener ſcheuslichen Geſtalt auf ſie losgegangen, ſie nie- dergedrückt und ſie zu erwürgen gedroht habe, wenn ſie ihm Kerner, über Beſeſſenſeyn. 3

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/47>, abgerufen am 25.04.2024.