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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

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und hilf uns. Jesus aber sprach zu ihm: wenn du könntest
glauben; alle Dinge sind möglich dem, der da glaubet.
Und alsbald schrie des Kindes Vater mit Thränen und
sprach: ich glaube, lieber Herr, hilf meinem Schwachglau-
ben! Da nun Jesus sah, daß das Volk zulief, bedrohete
er den unsaubern Geist und sprach zu ihm: Du sprach-
loser und tauber Geist
, ich gebiete dir, daß du von
ihm ausfahrest und kehrest hinfort nicht mehr in
ihn zurück
!

Hierauf schrie er, verzerrte sich schrecklich und fuhr aus.
Der Knabe aber war wie todt, daß auch Viele sagten, er
ist todt. Jesus aber ergriff ihn bey der Hand und richtete
ihn auf, und er stand auf. Und da Jesus nach Hause kam,
fragten ihn seine Jünger allein: warum konnten denn wir
ihn nicht austreiben? Er antwortete ihnen: diese Art kann
durch nichts ausfahren als durch Beten und Fasten." --

S. Marci C. V, 1--17. Matth. C. VIII, 28--34.
Luc. C. VIII, 26.

"Sie kamen nun jenseits des Meeres in die Gegend der
Gergesener. Da er aus dem Schiffe stieg, kam ihm gleich
ein Mann mit einem unreinen Geiste aus den Grabhöhlen
entgegen, welcher in den Grabhöhlen seine Wohnung hatte.
Nicht einmal mit Ketten konnte man ihn bändigen. Ob-
gleich er schon oft mit Fußeisen gebunden worden, so hatte
er doch die Ketten zerrissen und die Fußeisen zerrieben, und
Keiner vermochte ihn zu bändigen. Immerfort Tag und
Nacht war er in den Grabhöhlen und auf den Bergen, schrie
und schlug sich selbst mit Steinen. Als er aber Jesum von
ferne sah, lief er zu, betete ihn an und rief mit lauter
Stimme: Jesus, du Sohn Gottes, des Allerhöchsten! was
haben wir mit dir zu schaffen? Bist du hergekommen, uns
zu quälen, ehe denn es Zeit ist? (denn er hatte zu ihm
gesprochen: geh' von dem Manne, du unsauberer Geist!)
Er fragte ihn: wie heißt du? Er antwortete ihm: "ich
heiße Legion, denn unserer sind Viele." Dabey bat er ihn
sehr, ihn nicht aus der Gegend zu vertreiben. Es weidete da

und hilf uns. Jeſus aber ſprach zu ihm: wenn du könnteſt
glauben; alle Dinge ſind möglich dem, der da glaubet.
Und alsbald ſchrie des Kindes Vater mit Thränen und
ſprach: ich glaube, lieber Herr, hilf meinem Schwachglau-
ben! Da nun Jeſus ſah, daß das Volk zulief, bedrohete
er den unſaubern Geiſt und ſprach zu ihm: Du ſprach-
loſer und tauber Geiſt
, ich gebiete dir, daß du von
ihm ausfahreſt und kehreſt hinfort nicht mehr in
ihn zurück
!

Hierauf ſchrie er, verzerrte ſich ſchrecklich und fuhr aus.
Der Knabe aber war wie todt, daß auch Viele ſagten, er
iſt todt. Jeſus aber ergriff ihn bey der Hand und richtete
ihn auf, und er ſtand auf. Und da Jeſus nach Hauſe kam,
fragten ihn ſeine Jünger allein: warum konnten denn wir
ihn nicht austreiben? Er antwortete ihnen: dieſe Art kann
durch nichts ausfahren als durch Beten und Faſten.“ —

S. Marci C. V, 1—17. Matth. C. VIII, 28—34.
Luc. C. VIII, 26.

„Sie kamen nun jenſeits des Meeres in die Gegend der
Gergeſener. Da er aus dem Schiffe ſtieg, kam ihm gleich
ein Mann mit einem unreinen Geiſte aus den Grabhöhlen
entgegen, welcher in den Grabhöhlen ſeine Wohnung hatte.
Nicht einmal mit Ketten konnte man ihn bändigen. Ob-
gleich er ſchon oft mit Fußeiſen gebunden worden, ſo hatte
er doch die Ketten zerriſſen und die Fußeiſen zerrieben, und
Keiner vermochte ihn zu bändigen. Immerfort Tag und
Nacht war er in den Grabhöhlen und auf den Bergen, ſchrie
und ſchlug ſich ſelbſt mit Steinen. Als er aber Jeſum von
ferne ſah, lief er zu, betete ihn an und rief mit lauter
Stimme: Jeſus, du Sohn Gottes, des Allerhöchſten! was
haben wir mit dir zu ſchaffen? Biſt du hergekommen, uns
zu quälen, ehe denn es Zeit iſt? (denn er hatte zu ihm
geſprochen: geh’ von dem Manne, du unſauberer Geiſt!)
Er fragte ihn: wie heißt du? Er antwortete ihm: „ich
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[4/0018] und hilf uns. Jeſus aber ſprach zu ihm: wenn du könnteſt glauben; alle Dinge ſind möglich dem, der da glaubet. Und alsbald ſchrie des Kindes Vater mit Thränen und ſprach: ich glaube, lieber Herr, hilf meinem Schwachglau- ben! Da nun Jeſus ſah, daß das Volk zulief, bedrohete er den unſaubern Geiſt und ſprach zu ihm: Du ſprach- loſer und tauber Geiſt, ich gebiete dir, daß du von ihm ausfahreſt und kehreſt hinfort nicht mehr in ihn zurück! Hierauf ſchrie er, verzerrte ſich ſchrecklich und fuhr aus. Der Knabe aber war wie todt, daß auch Viele ſagten, er iſt todt. Jeſus aber ergriff ihn bey der Hand und richtete ihn auf, und er ſtand auf. Und da Jeſus nach Hauſe kam, fragten ihn ſeine Jünger allein: warum konnten denn wir ihn nicht austreiben? Er antwortete ihnen: dieſe Art kann durch nichts ausfahren als durch Beten und Faſten.“ — S. Marci C. V, 1—17. Matth. C. VIII, 28—34. Luc. C. VIII, 26. „Sie kamen nun jenſeits des Meeres in die Gegend der Gergeſener. Da er aus dem Schiffe ſtieg, kam ihm gleich ein Mann mit einem unreinen Geiſte aus den Grabhöhlen entgegen, welcher in den Grabhöhlen ſeine Wohnung hatte. Nicht einmal mit Ketten konnte man ihn bändigen. Ob- gleich er ſchon oft mit Fußeiſen gebunden worden, ſo hatte er doch die Ketten zerriſſen und die Fußeiſen zerrieben, und Keiner vermochte ihn zu bändigen. Immerfort Tag und Nacht war er in den Grabhöhlen und auf den Bergen, ſchrie und ſchlug ſich ſelbſt mit Steinen. Als er aber Jeſum von ferne ſah, lief er zu, betete ihn an und rief mit lauter Stimme: Jeſus, du Sohn Gottes, des Allerhöchſten! was haben wir mit dir zu ſchaffen? Biſt du hergekommen, uns zu quälen, ehe denn es Zeit iſt? (denn er hatte zu ihm geſprochen: geh’ von dem Manne, du unſauberer Geiſt!) Er fragte ihn: wie heißt du? Er antwortete ihm: „ich heiße Legion, denn unſerer ſind Viele.“ Dabey bat er ihn ſehr, ihn nicht aus der Gegend zu vertreiben. Es weidete da

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/18>, abgerufen am 29.03.2024.