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Kerl, Bruno: Metallurgische Probirkunst. Leipzig, 1866.

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§. 15. Schmelzen.
macht, wobei energischere chemische Reactionen eintreten und
neue Verbindungen erzeugt werden, welche sich nach ihrem
specifischen Gewicht über einander ablagern, gewöhnlich zu unterst
das Metall [König, Regulus1)], darüber die Schlacken, seltener
noch zwischen beiden Speise und Stein. Beim Zerschlagen des
erkalteten Probirgefässes behuf Entschlackung des Königs muss
man um so vorsichtiger sein, je spröder derselbe ist, sonst aber
mit dem Hammer immer dahin schlagen, wo der König liegt,
weil man ihn dann nicht so leicht verliert.

Je nach dem Zwecke des Schmelzens kommen verschiedene
Temperaturen, Schmelzöfen und Gefässe in Anwendung. Fol-
gende Arten des Schmelzens lassen sich unterscheiden:

1) Oxydirendes Schmelzen, meist zur Trennung vonOxydir.
Schmelzen.

Metalllegirungen, wobei entweder der Sauerstoff der Luft (Ab-
treiben von Werkblei, Gaarmachen von Schwarzkupfer auf dem
Scherben, Verschlacken von Eisen, Kobalt und Nickel bei der
Kobalt-Nickelprobe, Potaschenbleiprobe etc.) oder sauerstoffab-
gebende Zuschläge (Bleioxyd bei der Brennmaterialprobe und
Silberprobe, Salpeter beim Kupfergaarmachen nach der cornischen
Methode etc.) oder beide (Gaarmachen des Kupfers auf der Ca-
pelle, Ansiedeprobe etc.) als Oxydationsmittel dienen. Im er-
sten und letzten Falle geschieht das Schmelzen in offenen Gefäs-
sen (Capellen, Ansiede- und Gaarscherben) im Muffelofen,
übrigens in offenen oder bedeckten Gefässen (Tiegeln, Tuten)
in Muffel- und Wind-, auch wohl in Gebläseöfen. Die bei
diesen Schmelzungen entstandenen Oxyde werden seltener von
dem porösen Schmelzgefäss (Capelle), als von angewandten sol-
virenden Zuschlägen (Borax, Glas) etc. aufgenommen.

2) Reducirendes Schmelzen. Ein solches kommt sel-Reducir.
Schmelzen.

tener für sich, als in Gemeinschaft mit einem solvirenden Schmelzen
vor, wenn bei einer gewissen Temperatur ein Oxyd sich zu
Metall reduciren soll, während andere Oxyde -- bei dieser Tem-
peratur nicht reducirbar oder nur auf eine niedrigere Oxyda-
tionsstufe übergehend, -- durch Solvirungsmittel verschlackt
werden (geröstete Blei-, Zinn- oder Kupfererze). Einfacher werden
die Reactionen, wenn nur ein mit erdigen Substanzen gemengtes
Oxyd reducirt und letztere durch Zuschläge verschlackt werden

1) Das Antimon spielte bei den Alchymisten eine Hauptrolle, seine Dämpfe
machten das Gold spröde etc. Man schrieb ihm deshalb königliche Abstam-
mung zu und nannte es einen König. Es ging dann dieser Name auch auf
andere Metalle etc. über.

§. 15. Schmelzen.
macht, wobei energischere chemische Reactionen eintreten und
neue Verbindungen erzeugt werden, welche sich nach ihrem
specifischen Gewicht über einander ablagern, gewöhnlich zu unterst
das Metall [König, Regulus1)], darüber die Schlacken, seltener
noch zwischen beiden Speise und Stein. Beim Zerschlagen des
erkalteten Probirgefässes behuf Entschlackung des Königs muss
man um so vorsichtiger sein, je spröder derselbe ist, sonst aber
mit dem Hammer immer dahin schlagen, wo der König liegt,
weil man ihn dann nicht so leicht verliert.

Je nach dem Zwecke des Schmelzens kommen verschiedene
Temperaturen, Schmelzöfen und Gefässe in Anwendung. Fol-
gende Arten des Schmelzens lassen sich unterscheiden:

1) Oxydirendes Schmelzen, meist zur Trennung vonOxydir.
Schmelzen.

Metalllegirungen, wobei entweder der Sauerstoff der Luft (Ab-
treiben von Werkblei, Gaarmachen von Schwarzkupfer auf dem
Scherben, Verschlacken von Eisen, Kobalt und Nickel bei der
Kobalt-Nickelprobe, Potaschenbleiprobe etc.) oder sauerstoffab-
gebende Zuschläge (Bleioxyd bei der Brennmaterialprobe und
Silberprobe, Salpeter beim Kupfergaarmachen nach der cornischen
Methode etc.) oder beide (Gaarmachen des Kupfers auf der Ca-
pelle, Ansiedeprobe etc.) als Oxydationsmittel dienen. Im er-
sten und letzten Falle geschieht das Schmelzen in offenen Gefäs-
sen (Capellen, Ansiede- und Gaarscherben) im Muffelofen,
übrigens in offenen oder bedeckten Gefässen (Tiegeln, Tuten)
in Muffel- und Wind-, auch wohl in Gebläseöfen. Die bei
diesen Schmelzungen entstandenen Oxyde werden seltener von
dem porösen Schmelzgefäss (Capelle), als von angewandten sol-
virenden Zuschlägen (Borax, Glas) etc. aufgenommen.

2) Reducirendes Schmelzen. Ein solches kommt sel-Reducir.
Schmelzen.

tener für sich, als in Gemeinschaft mit einem solvirenden Schmelzen
vor, wenn bei einer gewissen Temperatur ein Oxyd sich zu
Metall reduciren soll, während andere Oxyde — bei dieser Tem-
peratur nicht reducirbar oder nur auf eine niedrigere Oxyda-
tionsstufe übergehend, — durch Solvirungsmittel verschlackt
werden (geröstete Blei-, Zinn- oder Kupfererze). Einfacher werden
die Reactionen, wenn nur ein mit erdigen Substanzen gemengtes
Oxyd reducirt und letztere durch Zuschläge verschlackt werden

1) Das Antimon spielte bei den Alchymisten eine Hauptrolle, seine Dämpfe
machten das Gold spröde etc. Man schrieb ihm deshalb königliche Abstam-
mung zu und nannte es einen König. Es ging dann dieser Name auch auf
andere Metalle etc. über.
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[31/0069] §. 15. Schmelzen. macht, wobei energischere chemische Reactionen eintreten und neue Verbindungen erzeugt werden, welche sich nach ihrem specifischen Gewicht über einander ablagern, gewöhnlich zu unterst das Metall [König, Regulus 1)], darüber die Schlacken, seltener noch zwischen beiden Speise und Stein. Beim Zerschlagen des erkalteten Probirgefässes behuf Entschlackung des Königs muss man um so vorsichtiger sein, je spröder derselbe ist, sonst aber mit dem Hammer immer dahin schlagen, wo der König liegt, weil man ihn dann nicht so leicht verliert. Je nach dem Zwecke des Schmelzens kommen verschiedene Temperaturen, Schmelzöfen und Gefässe in Anwendung. Fol- gende Arten des Schmelzens lassen sich unterscheiden: 1) Oxydirendes Schmelzen, meist zur Trennung von Metalllegirungen, wobei entweder der Sauerstoff der Luft (Ab- treiben von Werkblei, Gaarmachen von Schwarzkupfer auf dem Scherben, Verschlacken von Eisen, Kobalt und Nickel bei der Kobalt-Nickelprobe, Potaschenbleiprobe etc.) oder sauerstoffab- gebende Zuschläge (Bleioxyd bei der Brennmaterialprobe und Silberprobe, Salpeter beim Kupfergaarmachen nach der cornischen Methode etc.) oder beide (Gaarmachen des Kupfers auf der Ca- pelle, Ansiedeprobe etc.) als Oxydationsmittel dienen. Im er- sten und letzten Falle geschieht das Schmelzen in offenen Gefäs- sen (Capellen, Ansiede- und Gaarscherben) im Muffelofen, übrigens in offenen oder bedeckten Gefässen (Tiegeln, Tuten) in Muffel- und Wind-, auch wohl in Gebläseöfen. Die bei diesen Schmelzungen entstandenen Oxyde werden seltener von dem porösen Schmelzgefäss (Capelle), als von angewandten sol- virenden Zuschlägen (Borax, Glas) etc. aufgenommen. Oxydir. Schmelzen. 2) Reducirendes Schmelzen. Ein solches kommt sel- tener für sich, als in Gemeinschaft mit einem solvirenden Schmelzen vor, wenn bei einer gewissen Temperatur ein Oxyd sich zu Metall reduciren soll, während andere Oxyde — bei dieser Tem- peratur nicht reducirbar oder nur auf eine niedrigere Oxyda- tionsstufe übergehend, — durch Solvirungsmittel verschlackt werden (geröstete Blei-, Zinn- oder Kupfererze). Einfacher werden die Reactionen, wenn nur ein mit erdigen Substanzen gemengtes Oxyd reducirt und letztere durch Zuschläge verschlackt werden Reducir. Schmelzen. 1) Das Antimon spielte bei den Alchymisten eine Hauptrolle, seine Dämpfe machten das Gold spröde etc. Man schrieb ihm deshalb königliche Abstam- mung zu und nannte es einen König. Es ging dann dieser Name auch auf andere Metalle etc. über.

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Zitationshilfe: Kerl, Bruno: Metallurgische Probirkunst. Leipzig, 1866, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerl_metallurgische_1866/69>, abgerufen am 24.04.2024.