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Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791.

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Von der Sprache überhaupt.
irgendwo verloren, oder wird er in einem ihm un-
gewöhnlichen Orte allein eingesperrt, was für ein
Geheul fängt er da nicht an, wie steigt er damit
bis zum Ausdruck einer gänzlichen Verzweiflung.
Eben dieses Heulen bringt er auch an, wenn er
andere Thiere seiner Art klagen, oder dem Klagen
ähnliche Töne höret, Gesang, Musik, Glockengeläut
u. d. gl. wie theilnehmend weint er da nicht mit.
Jch habe einen Hund der kleineren Gattung, die
man hier zu Lande Pommerl nennet. Dieser
klagt es mir, wenn ihm jemand etwas zuleide ge-
than hat. Hat ihn jemand meiner Hausleute in
meiner Abwesenheit gewaschen, gekämmt, geschoren,
oder auch vorsetzlich geneckt, so wird er mir es nach
3 und 4 Stunden bey meiner Zurükkunft klagen.
Beym Eintritt in die Stube winselt er mir schon
entgegen, und fährt dann mit heftigem Bellen auf
denjenigen hin, den er verklagen will, kömmt wie-
der winselnd zu mir, und wiederholt dieses so lan-
ge, bis ich ihn schweigen heiße. Jch laße ihn oft
vorsetzlich so plagen, damit ich dieses Spiel Ande-
ren zeigen, und sie dann fragen kann: Jst dieß in
seiner Art nicht Sprache?

§. 4.
A 5

Von der Sprache uͤberhaupt.
irgendwo verloren, oder wird er in einem ihm un-
gewoͤhnlichen Orte allein eingeſperrt, was fuͤr ein
Geheul faͤngt er da nicht an, wie ſteigt er damit
bis zum Ausdruck einer gaͤnzlichen Verzweiflung.
Eben dieſes Heulen bringt er auch an, wenn er
andere Thiere ſeiner Art klagen, oder dem Klagen
aͤhnliche Toͤne hoͤret, Geſang, Muſik, Glockengelaͤut
u. d. gl. wie theilnehmend weint er da nicht mit.
Jch habe einen Hund der kleineren Gattung, die
man hier zu Lande Pommerl nennet. Dieſer
klagt es mir, wenn ihm jemand etwas zuleide ge-
than hat. Hat ihn jemand meiner Hausleute in
meiner Abweſenheit gewaſchen, gekaͤmmt, geſchoren,
oder auch vorſetzlich geneckt, ſo wird er mir es nach
3 und 4 Stunden bey meiner Zuruͤkkunft klagen.
Beym Eintritt in die Stube winſelt er mir ſchon
entgegen, und faͤhrt dann mit heftigem Bellen auf
denjenigen hin, den er verklagen will, koͤmmt wie-
der winſelnd zu mir, und wiederholt dieſes ſo lan-
ge, bis ich ihn ſchweigen heiße. Jch laße ihn oft
vorſetzlich ſo plagen, damit ich dieſes Spiel Ande-
ren zeigen, und ſie dann fragen kann: Jſt dieß in
ſeiner Art nicht Sprache?

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[9/0037] Von der Sprache uͤberhaupt. irgendwo verloren, oder wird er in einem ihm un- gewoͤhnlichen Orte allein eingeſperrt, was fuͤr ein Geheul faͤngt er da nicht an, wie ſteigt er damit bis zum Ausdruck einer gaͤnzlichen Verzweiflung. Eben dieſes Heulen bringt er auch an, wenn er andere Thiere ſeiner Art klagen, oder dem Klagen aͤhnliche Toͤne hoͤret, Geſang, Muſik, Glockengelaͤut u. d. gl. wie theilnehmend weint er da nicht mit. Jch habe einen Hund der kleineren Gattung, die man hier zu Lande Pommerl nennet. Dieſer klagt es mir, wenn ihm jemand etwas zuleide ge- than hat. Hat ihn jemand meiner Hausleute in meiner Abweſenheit gewaſchen, gekaͤmmt, geſchoren, oder auch vorſetzlich geneckt, ſo wird er mir es nach 3 und 4 Stunden bey meiner Zuruͤkkunft klagen. Beym Eintritt in die Stube winſelt er mir ſchon entgegen, und faͤhrt dann mit heftigem Bellen auf denjenigen hin, den er verklagen will, koͤmmt wie- der winſelnd zu mir, und wiederholt dieſes ſo lan- ge, bis ich ihn ſchweigen heiße. Jch laße ihn oft vorſetzlich ſo plagen, damit ich dieſes Spiel Ande- ren zeigen, und ſie dann fragen kann: Jſt dieß in ſeiner Art nicht Sprache? §. 4. A 5

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Zitationshilfe: Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/37>, abgerufen am 28.03.2024.