Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Sprache überhaupt.
rückfahren, und dabey ein ganz anderes mit Weh-
klagen vermischtes Bellen annehmen. Geht der
Mensch sodann seines Weges fort, so wird ihm
der Hund mit neuer Herzhaftigkeit folgen, und im-
mer heftig nachbellen bis er ihn aus dem Gesichte
verliert, und da wird sein Bellen nur stuffenweise
wieder abnehmen. Man wird endlich glauben, nun
habe er ganz aufgehört. Allein wenn ihm wieder
einfällt, wie übel er behandelt, und wie schändlich
er zurückgewiesen worden ist, so wird er gar oft
auf das neue zu bellen anfangen, aber das wird
wieder ein ganz anderes Bellen seyn, ein mit Win-
seln vermischtes Gebell, das Mißvergnügen und Un-
zufriedenheit mit sich selbst andeutet.

Was will nun der Hund mit diesem seinen
verschiedenen Geschrey? Nothwendig muß er eine
Absicht dabey haben. Diese kann zweyfach seyn.
Er kann entweder den Kommenden zurückschrecken,
oder seinem Herrn die bevorstehende Gefahr, verun-
glückt zu werden, ankündigen wollen; wie wenn
er ungefähr sagen wollte:(*) "Du Ding, das ich

höre,
(*) Ungefähr sagen wollte: Vernünftige Leser wer-
den
A 3

Von der Sprache uͤberhaupt.
ruͤckfahren, und dabey ein ganz anderes mit Weh-
klagen vermiſchtes Bellen annehmen. Geht der
Menſch ſodann ſeines Weges fort, ſo wird ihm
der Hund mit neuer Herzhaftigkeit folgen, und im-
mer heftig nachbellen bis er ihn aus dem Geſichte
verliert, und da wird ſein Bellen nur ſtuffenweiſe
wieder abnehmen. Man wird endlich glauben, nun
habe er ganz aufgehoͤrt. Allein wenn ihm wieder
einfaͤllt, wie uͤbel er behandelt, und wie ſchaͤndlich
er zuruͤckgewieſen worden iſt, ſo wird er gar oft
auf das neue zu bellen anfangen, aber das wird
wieder ein ganz anderes Bellen ſeyn, ein mit Win-
ſeln vermiſchtes Gebell, das Mißvergnuͤgen und Un-
zufriedenheit mit ſich ſelbſt andeutet.

Was will nun der Hund mit dieſem ſeinen
verſchiedenen Geſchrey? Nothwendig muß er eine
Abſicht dabey haben. Dieſe kann zweyfach ſeyn.
Er kann entweder den Kommenden zuruͤckſchrecken,
oder ſeinem Herrn die bevorſtehende Gefahr, verun-
gluͤckt zu werden, ankuͤndigen wollen; wie wenn
er ungefaͤhr ſagen wollte:(*) „Du Ding, das ich

hoͤre,
(*) Ungefaͤhr ſagen wollte: Vernuͤnftige Leſer wer-
den
A 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0033" n="5"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Sprache u&#x0364;berhaupt</hi>.</fw><lb/>
ru&#x0364;ckfahren, und dabey ein ganz anderes mit Weh-<lb/>
klagen vermi&#x017F;chtes Bellen annehmen. Geht der<lb/>
Men&#x017F;ch &#x017F;odann &#x017F;eines Weges fort, &#x017F;o wird ihm<lb/>
der Hund mit neuer Herzhaftigkeit folgen, und im-<lb/>
mer heftig nachbellen bis er ihn aus dem Ge&#x017F;ichte<lb/>
verliert, und da wird &#x017F;ein Bellen nur &#x017F;tuffenwei&#x017F;e<lb/>
wieder abnehmen. Man wird endlich glauben, nun<lb/>
habe er ganz aufgeho&#x0364;rt. Allein wenn ihm wieder<lb/>
einfa&#x0364;llt, wie u&#x0364;bel er behandelt, und wie &#x017F;cha&#x0364;ndlich<lb/>
er zuru&#x0364;ckgewie&#x017F;en worden i&#x017F;t, &#x017F;o wird er gar oft<lb/>
auf das neue zu bellen anfangen, aber das wird<lb/>
wieder ein ganz anderes Bellen &#x017F;eyn, ein mit Win-<lb/>
&#x017F;eln vermi&#x017F;chtes Gebell, das Mißvergnu&#x0364;gen und Un-<lb/>
zufriedenheit mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t andeutet.</p><lb/>
          <p>Was will nun der Hund mit die&#x017F;em &#x017F;einen<lb/>
ver&#x017F;chiedenen Ge&#x017F;chrey? Nothwendig muß er eine<lb/>
Ab&#x017F;icht dabey haben. Die&#x017F;e kann zweyfach &#x017F;eyn.<lb/>
Er kann entweder den Kommenden zuru&#x0364;ck&#x017F;chrecken,<lb/>
oder &#x017F;einem Herrn die bevor&#x017F;tehende Gefahr, verun-<lb/>
glu&#x0364;ckt zu werden, anku&#x0364;ndigen wollen; wie wenn<lb/>
er ungefa&#x0364;hr &#x017F;agen wollte:<note xml:id="seg2pn_1_1" next="#seg2pn_1_2" place="foot" n="(*)">Ungefa&#x0364;hr &#x017F;agen wollte: Vernu&#x0364;nftige Le&#x017F;er wer-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw></note> &#x201E;Du Ding, das ich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 3</fw> <fw place="bottom" type="catch">ho&#x0364;re,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0033] Von der Sprache uͤberhaupt. ruͤckfahren, und dabey ein ganz anderes mit Weh- klagen vermiſchtes Bellen annehmen. Geht der Menſch ſodann ſeines Weges fort, ſo wird ihm der Hund mit neuer Herzhaftigkeit folgen, und im- mer heftig nachbellen bis er ihn aus dem Geſichte verliert, und da wird ſein Bellen nur ſtuffenweiſe wieder abnehmen. Man wird endlich glauben, nun habe er ganz aufgehoͤrt. Allein wenn ihm wieder einfaͤllt, wie uͤbel er behandelt, und wie ſchaͤndlich er zuruͤckgewieſen worden iſt, ſo wird er gar oft auf das neue zu bellen anfangen, aber das wird wieder ein ganz anderes Bellen ſeyn, ein mit Win- ſeln vermiſchtes Gebell, das Mißvergnuͤgen und Un- zufriedenheit mit ſich ſelbſt andeutet. Was will nun der Hund mit dieſem ſeinen verſchiedenen Geſchrey? Nothwendig muß er eine Abſicht dabey haben. Dieſe kann zweyfach ſeyn. Er kann entweder den Kommenden zuruͤckſchrecken, oder ſeinem Herrn die bevorſtehende Gefahr, verun- gluͤckt zu werden, ankuͤndigen wollen; wie wenn er ungefaͤhr ſagen wollte: (*) „Du Ding, das ich hoͤre, (*) Ungefaͤhr ſagen wollte: Vernuͤnftige Leſer wer- den A 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/33
Zitationshilfe: Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/33>, abgerufen am 29.03.2024.