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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

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trotz seiner Einsamkeit und seiner Jahre das Innere
der Burg in wohnlichem Zustande erhalten und be¬
sonders das Gemach des Ritters in immerwährende
Bereitschaft gesetzt, damit derselbe wohl ausruhen
könne jeden Augenblick, wo er von seinen Fahrten
zurückkäme. So ruhte denn Beatrix mit ihm und
stillte ihr Verlangen.

Keines dachte nun daran, sich vom andern
zu trennen. Wonnebold öffnete die Truhen seiner
Mutter. Beatrix kleidete sich in die reichen Gewänder
derselben und schmückte sich mit ihrem Geschmeide,
und so lebten sie vor der Hand herrlich und in Freu¬
den, nur daß die Dame recht- und namenlos dahin
lebte und von ihrem Geliebten als dessen Leibeigene
angesehen wurde; indessen verlangte sie nichts besseres.

Einst aber kehrte ein fremder Baron mit Gefolge
auf der Burg ein, die sich inzwischen auch wieder
mit Dienstleuten belebt hatte, und es wurde zu dessen
Ehren festlich gelebt. Endlich geriethen die Herren
auch auf das Würfelspiel, bei welchem der Hausherr
so glücklich und beständig gewann, daß er im Rausche
seines Glückes und seines Glaubens daran sein Liebstes,
wie er sagte, auf's Spiel setzte, nämlich die schöne
Beatrix, wie sie war, sammt dem köstlichen Geschmeide,
das sie eben trug, gegen ein altes melancholisches
Bergschloß, welches sein Gegner lächelnd einsetzte.

trotz ſeiner Einſamkeit und ſeiner Jahre das Innere
der Burg in wohnlichem Zuſtande erhalten und be¬
ſonders das Gemach des Ritters in immerwährende
Bereitſchaft geſetzt, damit derſelbe wohl ausruhen
könne jeden Augenblick, wo er von ſeinen Fahrten
zurückkäme. So ruhte denn Beatrix mit ihm und
ſtillte ihr Verlangen.

Keines dachte nun daran, ſich vom andern
zu trennen. Wonnebold öffnete die Truhen ſeiner
Mutter. Beatrix kleidete ſich in die reichen Gewänder
derſelben und ſchmückte ſich mit ihrem Geſchmeide,
und ſo lebten ſie vor der Hand herrlich und in Freu¬
den, nur daß die Dame recht- und namenlos dahin
lebte und von ihrem Geliebten als deſſen Leibeigene
angeſehen wurde; indeſſen verlangte ſie nichts beſſeres.

Einſt aber kehrte ein fremder Baron mit Gefolge
auf der Burg ein, die ſich inzwiſchen auch wieder
mit Dienſtleuten belebt hatte, und es wurde zu deſſen
Ehren feſtlich gelebt. Endlich geriethen die Herren
auch auf das Würfelſpiel, bei welchem der Hausherr
ſo glücklich und beſtändig gewann, daß er im Rauſche
ſeines Glückes und ſeines Glaubens daran ſein Liebſtes,
wie er ſagte, auf's Spiel ſetzte, nämlich die ſchöne
Beatrix, wie ſie war, ſammt dem köſtlichen Geſchmeide,
das ſie eben trug, gegen ein altes melancholiſches
Bergſchloß, welches ſein Gegner lächelnd einſetzte.

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[73/0087] trotz ſeiner Einſamkeit und ſeiner Jahre das Innere der Burg in wohnlichem Zuſtande erhalten und be¬ ſonders das Gemach des Ritters in immerwährende Bereitſchaft geſetzt, damit derſelbe wohl ausruhen könne jeden Augenblick, wo er von ſeinen Fahrten zurückkäme. So ruhte denn Beatrix mit ihm und ſtillte ihr Verlangen. Keines dachte nun daran, ſich vom andern zu trennen. Wonnebold öffnete die Truhen ſeiner Mutter. Beatrix kleidete ſich in die reichen Gewänder derſelben und ſchmückte ſich mit ihrem Geſchmeide, und ſo lebten ſie vor der Hand herrlich und in Freu¬ den, nur daß die Dame recht- und namenlos dahin lebte und von ihrem Geliebten als deſſen Leibeigene angeſehen wurde; indeſſen verlangte ſie nichts beſſeres. Einſt aber kehrte ein fremder Baron mit Gefolge auf der Burg ein, die ſich inzwiſchen auch wieder mit Dienſtleuten belebt hatte, und es wurde zu deſſen Ehren feſtlich gelebt. Endlich geriethen die Herren auch auf das Würfelſpiel, bei welchem der Hausherr ſo glücklich und beſtändig gewann, daß er im Rauſche ſeines Glückes und ſeines Glaubens daran ſein Liebſtes, wie er ſagte, auf's Spiel ſetzte, nämlich die ſchöne Beatrix, wie ſie war, ſammt dem köſtlichen Geſchmeide, das ſie eben trug, gegen ein altes melancholiſches Bergſchloß, welches ſein Gegner lächelnd einſetzte.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/87>, abgerufen am 16.04.2024.