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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

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dert Streichen und Listen zu verwirren und zu be¬
siegen. Mit ihm mußte der vermeintliche Zendelwald
zuerst den Kampf bestehen. Er trug einen pechschwar¬
zen Schnurrbart, dessen Spitzen so steif gedreht wag¬
recht in die Luft ragten, daß zwei silberne Glöckchen,
die daran hingen, sie nicht zu biegen vermochten und
fortwährend klingelten, wenn er den Kopf bewegte.
Dies nannte er das Geläute des Schreckens für seine
Feinde, des Wohlgefallens für seine Dame! Sein
Schild glänzte, je nachdem er ihn drehte, bald in
dieser, bald jener Farbe, und er wußte diesen
Wechsel so rasch zu handhaben, daß das Auge davon
geblendet wurde. Sein Helmbusch bestand aus einem
ungeheuren Hahnenschwanz.

Der andere starke Ritter nannte sich "Maus der
Zahllose", womit er zu verstehen gab, daß er einem
ungezählten Heere gleich zu achten sei. Zum Zeichen
seiner Stärke hatte er die aus seinen Naslöchern her¬
vorstehenden Haare etwa sechs Zoll lang wachsen las¬
sen und in zwei Zöpfchen geflochten, welche ihm über
den Mund herab hingen und an den Enden mit zier¬
lichen rothen Bandschleifen geschmückt waren. Er
trug einen großen weiten Mantel über seine Rüstung,
der ihn fast sammt dem Pferde umhüllte und aus
tausend Mausfellchen künstlich zusammengenäht war.
Als Helmzierde überschatteten ihn die mächtig aus¬

dert Streichen und Liſten zu verwirren und zu be¬
ſiegen. Mit ihm mußte der vermeintliche Zendelwald
zuerſt den Kampf beſtehen. Er trug einen pechſchwar¬
zen Schnurrbart, deſſen Spitzen ſo ſteif gedreht wag¬
recht in die Luft ragten, daß zwei ſilberne Glöckchen,
die daran hingen, ſie nicht zu biegen vermochten und
fortwährend klingelten, wenn er den Kopf bewegte.
Dies nannte er das Geläute des Schreckens für ſeine
Feinde, des Wohlgefallens für ſeine Dame! Sein
Schild glänzte, je nachdem er ihn drehte, bald in
dieſer, bald jener Farbe, und er wußte dieſen
Wechſel ſo raſch zu handhaben, daß das Auge davon
geblendet wurde. Sein Helmbuſch beſtand aus einem
ungeheuren Hahnenſchwanz.

Der andere ſtarke Ritter nannte ſich „Maus der
Zahlloſe“, womit er zu verſtehen gab, daß er einem
ungezählten Heere gleich zu achten ſei. Zum Zeichen
ſeiner Stärke hatte er die aus ſeinen Naslöchern her¬
vorſtehenden Haare etwa ſechs Zoll lang wachſen laſ¬
ſen und in zwei Zöpfchen geflochten, welche ihm über
den Mund herab hingen und an den Enden mit zier¬
lichen rothen Bandſchleifen geſchmückt waren. Er
trug einen großen weiten Mantel über ſeine Rüſtung,
der ihn faſt ſammt dem Pferde umhüllte und aus
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[56/0070] dert Streichen und Liſten zu verwirren und zu be¬ ſiegen. Mit ihm mußte der vermeintliche Zendelwald zuerſt den Kampf beſtehen. Er trug einen pechſchwar¬ zen Schnurrbart, deſſen Spitzen ſo ſteif gedreht wag¬ recht in die Luft ragten, daß zwei ſilberne Glöckchen, die daran hingen, ſie nicht zu biegen vermochten und fortwährend klingelten, wenn er den Kopf bewegte. Dies nannte er das Geläute des Schreckens für ſeine Feinde, des Wohlgefallens für ſeine Dame! Sein Schild glänzte, je nachdem er ihn drehte, bald in dieſer, bald jener Farbe, und er wußte dieſen Wechſel ſo raſch zu handhaben, daß das Auge davon geblendet wurde. Sein Helmbuſch beſtand aus einem ungeheuren Hahnenſchwanz. Der andere ſtarke Ritter nannte ſich „Maus der Zahlloſe“, womit er zu verſtehen gab, daß er einem ungezählten Heere gleich zu achten ſei. Zum Zeichen ſeiner Stärke hatte er die aus ſeinen Naslöchern her¬ vorſtehenden Haare etwa ſechs Zoll lang wachſen laſ¬ ſen und in zwei Zöpfchen geflochten, welche ihm über den Mund herab hingen und an den Enden mit zier¬ lichen rothen Bandſchleifen geſchmückt waren. Er trug einen großen weiten Mantel über ſeine Rüſtung, der ihn faſt ſammt dem Pferde umhüllte und aus tauſend Mausfellchen künſtlich zuſammengenäht war. Als Helmzierde überſchatteten ihn die mächtig aus¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/70>, abgerufen am 29.03.2024.