Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

ten und übernatürlichen Idealisten sein mag, so
wird während des Genusses von Schiller's Gei¬
stesthaten
deswegen Niemand an die faulen Aepfel
denken oder mit besonderer Aufmerksamkeit be¬
ihrer Erinnerung verweilen.

Aber der Professor konnte sich von der Vor¬
stellung des ununterbrochenen activen und passiven
Verhaltens des Gehirnes und der Nerven, als
des hervorbringenden lebendigen Ackergrundes,
niemals trennen zu Gunsten des Hervorgebrach¬
ten, der moralischen Frucht, als ob eine Aehre
und eine Erdscholle nicht unzweifelhaft zwei Dinge,
zwei Gegenstände wären.

Das kam daher, daß er jedesmal auf diesem
Punkte einer kleinen Verwirrung anheimfiel,
welche seine Begeisterung für seinen materiellen
Gegenstand anrichtete, und in welcher er ein we¬
nig zu jener großen Schule derer gehörte, die das
Wesentliche vom Unwesentlichen nicht zu unter¬
scheiden wissen; denn in dem Augenblicke, wo es
sich um eine moralische Welt handelt, hört die
Materie, so fest jene an diese geschmiedet ist, auf,
das Höchste zu sein, und nach dem Edleren muß

ten und uͤbernatuͤrlichen Idealiſten ſein mag, ſo
wird waͤhrend des Genuſſes von Schiller's Gei¬
ſtesthaten
deswegen Niemand an die faulen Aepfel
denken oder mit beſonderer Aufmerkſamkeit be¬
ihrer Erinnerung verweilen.

Aber der Profeſſor konnte ſich von der Vor¬
ſtellung des ununterbrochenen activen und paſſiven
Verhaltens des Gehirnes und der Nerven, als
des hervorbringenden lebendigen Ackergrundes,
niemals trennen zu Gunſten des Hervorgebrach¬
ten, der moraliſchen Frucht, als ob eine Aehre
und eine Erdſcholle nicht unzweifelhaft zwei Dinge,
zwei Gegenſtaͤnde waͤren.

Das kam daher, daß er jedesmal auf dieſem
Punkte einer kleinen Verwirrung anheimfiel,
welche ſeine Begeiſterung fuͤr ſeinen materiellen
Gegenſtand anrichtete, und in welcher er ein we¬
nig zu jener großen Schule derer gehoͤrte, die das
Weſentliche vom Unweſentlichen nicht zu unter¬
ſcheiden wiſſen; denn in dem Augenblicke, wo es
ſich um eine moraliſche Welt handelt, hoͤrt die
Materie, ſo feſt jene an dieſe geſchmiedet iſt, auf,
das Hoͤchſte zu ſein, und nach dem Edleren muß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0082" n="72"/>
ten und u&#x0364;bernatu&#x0364;rlichen Ideali&#x017F;ten &#x017F;ein mag, &#x017F;o<lb/>
wird wa&#x0364;hrend des Genu&#x017F;&#x017F;es von Schiller's <choice><sic>ein¬<lb/>
&#x017F;testhaten</sic><corr>Gei¬<lb/>
&#x017F;testhaten</corr></choice> deswegen Niemand an die faulen Aepfel<lb/>
denken oder mit be&#x017F;onderer Aufmerk&#x017F;amkeit be¬<lb/>
ihrer Erinnerung verweilen.</p><lb/>
        <p>Aber der Profe&#x017F;&#x017F;or konnte &#x017F;ich von der Vor¬<lb/>
&#x017F;tellung des ununterbrochenen activen und pa&#x017F;&#x017F;iven<lb/>
Verhaltens des Gehirnes und der Nerven, als<lb/>
des hervorbringenden lebendigen Ackergrundes,<lb/>
niemals trennen zu Gun&#x017F;ten des Hervorgebrach¬<lb/>
ten, der morali&#x017F;chen Frucht, als ob eine Aehre<lb/>
und eine Erd&#x017F;cholle nicht unzweifelhaft zwei Dinge,<lb/>
zwei Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde wa&#x0364;ren.</p><lb/>
        <p>Das kam daher, daß er jedesmal auf die&#x017F;em<lb/>
Punkte einer kleinen Verwirrung anheimfiel,<lb/>
welche &#x017F;eine Begei&#x017F;terung fu&#x0364;r &#x017F;einen materiellen<lb/>
Gegen&#x017F;tand anrichtete, und in welcher er ein we¬<lb/>
nig zu jener großen Schule derer geho&#x0364;rte, die das<lb/>
We&#x017F;entliche vom Unwe&#x017F;entlichen nicht zu unter¬<lb/>
&#x017F;cheiden wi&#x017F;&#x017F;en; denn in dem Augenblicke, wo es<lb/>
&#x017F;ich um eine morali&#x017F;che Welt handelt, ho&#x0364;rt die<lb/>
Materie, &#x017F;o fe&#x017F;t jene an die&#x017F;e ge&#x017F;chmiedet i&#x017F;t, auf,<lb/>
das Ho&#x0364;ch&#x017F;te zu &#x017F;ein, und nach dem Edleren muß<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0082] ten und uͤbernatuͤrlichen Idealiſten ſein mag, ſo wird waͤhrend des Genuſſes von Schiller's Gei¬ ſtesthaten deswegen Niemand an die faulen Aepfel denken oder mit beſonderer Aufmerkſamkeit be¬ ihrer Erinnerung verweilen. Aber der Profeſſor konnte ſich von der Vor¬ ſtellung des ununterbrochenen activen und paſſiven Verhaltens des Gehirnes und der Nerven, als des hervorbringenden lebendigen Ackergrundes, niemals trennen zu Gunſten des Hervorgebrach¬ ten, der moraliſchen Frucht, als ob eine Aehre und eine Erdſcholle nicht unzweifelhaft zwei Dinge, zwei Gegenſtaͤnde waͤren. Das kam daher, daß er jedesmal auf dieſem Punkte einer kleinen Verwirrung anheimfiel, welche ſeine Begeiſterung fuͤr ſeinen materiellen Gegenſtand anrichtete, und in welcher er ein we¬ nig zu jener großen Schule derer gehoͤrte, die das Weſentliche vom Unweſentlichen nicht zu unter¬ ſcheiden wiſſen; denn in dem Augenblicke, wo es ſich um eine moraliſche Welt handelt, hoͤrt die Materie, ſo feſt jene an dieſe geſchmiedet iſt, auf, das Hoͤchſte zu ſein, und nach dem Edleren muß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/82
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/82>, abgerufen am 19.04.2024.