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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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noch einmal zu sehen, um dann unverzüglich fort¬
zugehen. Als er gerade am letzten Abend der
drei Wochen sich in's Haus begab, hoffte er nicht,
daß sie schon da sein würde, sah aber schon vom
Garten her, daß Licht in ihrem Zimmer war, und
erfuhr, daß sie schon am Nachmittage pünktlich
angekommen sei. Sogleich befand er sich um Vie¬
les besser und schlief wieder einmal ziemlich gut,
ohne von ihr zu träumen, da sie sonst immer ihm
im Traume erschienen war. Dies hatte ihn auch
immer so gequält, wenn die Geträumte ihm durch¬
aus wohlgeneigt nahte, ein leises gütiges Wort flü¬
sterte oder ihn freundlich ansah, und er dann nach dem
Erwachen nicht fassen und begreifen konnte, war¬
um es nicht wahr sein und er nicht zu seinem
erträumten Rechte kommen sollte, als ob die Gute
für das verantwortlich wäre, was er träumte.

Am Morgen erklang schon früh ihre Stimme
durch das Haus; sie spielte und sang wie eine
Nachtigall an einem Pfingstmorgen, und das
Haus war voll Leben und Fröhlichkeit. Heinrich
wurde zum Frühstück eingeladen, um die Wieder¬
gekehrte zu begrüßen. Hastig und mit klopfendem

noch einmal zu ſehen, um dann unverzuͤglich fort¬
zugehen. Als er gerade am letzten Abend der
drei Wochen ſich in's Haus begab, hoffte er nicht,
daß ſie ſchon da ſein wuͤrde, ſah aber ſchon vom
Garten her, daß Licht in ihrem Zimmer war, und
erfuhr, daß ſie ſchon am Nachmittage puͤnktlich
angekommen ſei. Sogleich befand er ſich um Vie¬
les beſſer und ſchlief wieder einmal ziemlich gut,
ohne von ihr zu traͤumen, da ſie ſonſt immer ihm
im Traume erſchienen war. Dies hatte ihn auch
immer ſo gequaͤlt, wenn die Getraͤumte ihm durch¬
aus wohlgeneigt nahte, ein leiſes guͤtiges Wort fluͤ¬
ſterte oder ihn freundlich anſah, und er dann nach dem
Erwachen nicht faſſen und begreifen konnte, war¬
um es nicht wahr ſein und er nicht zu ſeinem
ertraͤumten Rechte kommen ſollte, als ob die Gute
fuͤr das verantwortlich waͤre, was er traͤumte.

Am Morgen erklang ſchon fruͤh ihre Stimme
durch das Haus; ſie ſpielte und ſang wie eine
Nachtigall an einem Pfingſtmorgen, und das
Haus war voll Leben und Froͤhlichkeit. Heinrich
wurde zum Fruͤhſtuͤck eingeladen, um die Wieder¬
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[420/0430] noch einmal zu ſehen, um dann unverzuͤglich fort¬ zugehen. Als er gerade am letzten Abend der drei Wochen ſich in's Haus begab, hoffte er nicht, daß ſie ſchon da ſein wuͤrde, ſah aber ſchon vom Garten her, daß Licht in ihrem Zimmer war, und erfuhr, daß ſie ſchon am Nachmittage puͤnktlich angekommen ſei. Sogleich befand er ſich um Vie¬ les beſſer und ſchlief wieder einmal ziemlich gut, ohne von ihr zu traͤumen, da ſie ſonſt immer ihm im Traume erſchienen war. Dies hatte ihn auch immer ſo gequaͤlt, wenn die Getraͤumte ihm durch¬ aus wohlgeneigt nahte, ein leiſes guͤtiges Wort fluͤ¬ ſterte oder ihn freundlich anſah, und er dann nach dem Erwachen nicht faſſen und begreifen konnte, war¬ um es nicht wahr ſein und er nicht zu ſeinem ertraͤumten Rechte kommen ſollte, als ob die Gute fuͤr das verantwortlich waͤre, was er traͤumte. Am Morgen erklang ſchon fruͤh ihre Stimme durch das Haus; ſie ſpielte und ſang wie eine Nachtigall an einem Pfingſtmorgen, und das Haus war voll Leben und Froͤhlichkeit. Heinrich wurde zum Fruͤhſtuͤck eingeladen, um die Wieder¬ gekehrte zu begruͤßen. Haſtig und mit klopfendem

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/430>, abgerufen am 24.04.2024.