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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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zu seiner großen Qual gethan, trieb es ihn, Do¬
rotheen wieder zu sehen und er fand sich bei
Tisch ein: aber er war nun ganz verschüchtert,
und weil, wie man in den Wald ruft, es wider¬
tönt, so fing Dortchen auch an sich zurückzuhalten
und schien sich nicht viel mehr daraus zu machen,
mit Heinrich zu verkehren. Stracks verzog er sich
wieder in die Wälder und blieb drei Tage dort,
während welcher er nur in der Nacht zurückkehrte.
Das Holz fing sachte an zu knospen und der braune
Boden bedeckte sich schon vielfältig mit Blumen.
Heinrich verkroch sich an einem wilden steini¬
gen Abhange, der den ganzen Tag an der Sonne
lag, unter ein hohes Gebüsch, durch welches eine
klare Quelle rieselte. Dort hockte er im Verbor¬
genen, stierte über die duftigen Gehölze und Fel¬
der weg nach dem glänzenden Dache des Land¬
hauses in weiter Ferne und grübelte unaufhörlich
über sein Unheil. Er fing an, sich zu vergessen
und sich nicht mehr zu beherrschen; bisher hatte
er, als ein wohlgeschlossener junger Mensch, noch
nie laut gedacht oder vor sich hin gesprochen;
jetzt zwitscherte und flüsterte er unaufhörlich, wo

zu ſeiner großen Qual gethan, trieb es ihn, Do¬
rotheen wieder zu ſehen und er fand ſich bei
Tiſch ein: aber er war nun ganz verſchuͤchtert,
und weil, wie man in den Wald ruft, es wider¬
toͤnt, ſo fing Dortchen auch an ſich zuruͤckzuhalten
und ſchien ſich nicht viel mehr daraus zu machen,
mit Heinrich zu verkehren. Stracks verzog er ſich
wieder in die Waͤlder und blieb drei Tage dort,
waͤhrend welcher er nur in der Nacht zuruͤckkehrte.
Das Holz fing ſachte an zu knoſpen und der braune
Boden bedeckte ſich ſchon vielfaͤltig mit Blumen.
Heinrich verkroch ſich an einem wilden ſteini¬
gen Abhange, der den ganzen Tag an der Sonne
lag, unter ein hohes Gebuͤſch, durch welches eine
klare Quelle rieſelte. Dort hockte er im Verbor¬
genen, ſtierte uͤber die duftigen Gehoͤlze und Fel¬
der weg nach dem glaͤnzenden Dache des Land¬
hauſes in weiter Ferne und gruͤbelte unaufhoͤrlich
uͤber ſein Unheil. Er fing an, ſich zu vergeſſen
und ſich nicht mehr zu beherrſchen; bisher hatte
er, als ein wohlgeſchloſſener junger Menſch, noch
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[404/0414] zu ſeiner großen Qual gethan, trieb es ihn, Do¬ rotheen wieder zu ſehen und er fand ſich bei Tiſch ein: aber er war nun ganz verſchuͤchtert, und weil, wie man in den Wald ruft, es wider¬ toͤnt, ſo fing Dortchen auch an ſich zuruͤckzuhalten und ſchien ſich nicht viel mehr daraus zu machen, mit Heinrich zu verkehren. Stracks verzog er ſich wieder in die Waͤlder und blieb drei Tage dort, waͤhrend welcher er nur in der Nacht zuruͤckkehrte. Das Holz fing ſachte an zu knoſpen und der braune Boden bedeckte ſich ſchon vielfaͤltig mit Blumen. Heinrich verkroch ſich an einem wilden ſteini¬ gen Abhange, der den ganzen Tag an der Sonne lag, unter ein hohes Gebuͤſch, durch welches eine klare Quelle rieſelte. Dort hockte er im Verbor¬ genen, ſtierte uͤber die duftigen Gehoͤlze und Fel¬ der weg nach dem glaͤnzenden Dache des Land¬ hauſes in weiter Ferne und gruͤbelte unaufhoͤrlich uͤber ſein Unheil. Er fing an, ſich zu vergeſſen und ſich nicht mehr zu beherrſchen; bisher hatte er, als ein wohlgeſchloſſener junger Menſch, noch nie laut gedacht oder vor ſich hin geſprochen; jetzt zwitſcherte und fluͤſterte er unaufhoͤrlich, wo

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/414>, abgerufen am 19.04.2024.