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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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irgendwie vorfiel oder gesprochen wurde. Alles,
was er selbst that, redete und fühlte, gab er zu¬
nächst für humoristisch aus, und obgleich es dies
nur in den minderen Fällen war und mehr in
einem maßlosen Klappern und Feuerwerken mit
gesuchten Gegensätzen, Bildern und Gleichnissen
bestand, so ging aus diesem Wesen dennoch ein
gewisser Humor heraus, welcher die Leute lachen
machte, besonders wenn der Graf, Dorothea und
Heinrich, welche in ihrem kleinen Finger, wenn
sie ihn bewegten, mehr Humor hatten, als der
Pfarrer in seinem Gemüthe, zusammensaßen und
er ihnen mit ungeheurem Wortschwall erklärte,
was Humor sei und wie sie von dieser Gottes¬
gabe auch nicht eines Senfkörnleins groß besäßen.
Er las eifrigst alle humoristischen Schriften und
alle, welche vom Humor handelten, und hatte
sich ein ordentliches System über dieses Feuchte,
Flüssige, Aetherische, Weltumplätschernde, wie er es
nannte, aufgebaut, das ziemlich mit seiner Theologie
zusammenfiel. Cervantes führte er ebenso oft im
Munde, wie Shakespeare, aber er fand den
größten Gefallen an den unzähligen Prügeln,

irgendwie vorfiel oder geſprochen wurde. Alles,
was er ſelbſt that, redete und fuͤhlte, gab er zu¬
naͤchſt fuͤr humoriſtiſch aus, und obgleich es dies
nur in den minderen Faͤllen war und mehr in
einem maßloſen Klappern und Feuerwerken mit
geſuchten Gegenſaͤtzen, Bildern und Gleichniſſen
beſtand, ſo ging aus dieſem Weſen dennoch ein
gewiſſer Humor heraus, welcher die Leute lachen
machte, beſonders wenn der Graf, Dorothea und
Heinrich, welche in ihrem kleinen Finger, wenn
ſie ihn bewegten, mehr Humor hatten, als der
Pfarrer in ſeinem Gemuͤthe, zuſammenſaßen und
er ihnen mit ungeheurem Wortſchwall erklaͤrte,
was Humor ſei und wie ſie von dieſer Gottes¬
gabe auch nicht eines Senfkoͤrnleins groß beſaͤßen.
Er las eifrigſt alle humoriſtiſchen Schriften und
alle, welche vom Humor handelten, und hatte
ſich ein ordentliches Syſtem uͤber dieſes Feuchte,
Fluͤſſige, Aetheriſche, Weltumplaͤtſchernde, wie er es
nannte, aufgebaut, das ziemlich mit ſeiner Theologie
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[376/0386] irgendwie vorfiel oder geſprochen wurde. Alles, was er ſelbſt that, redete und fuͤhlte, gab er zu¬ naͤchſt fuͤr humoriſtiſch aus, und obgleich es dies nur in den minderen Faͤllen war und mehr in einem maßloſen Klappern und Feuerwerken mit geſuchten Gegenſaͤtzen, Bildern und Gleichniſſen beſtand, ſo ging aus dieſem Weſen dennoch ein gewiſſer Humor heraus, welcher die Leute lachen machte, beſonders wenn der Graf, Dorothea und Heinrich, welche in ihrem kleinen Finger, wenn ſie ihn bewegten, mehr Humor hatten, als der Pfarrer in ſeinem Gemuͤthe, zuſammenſaßen und er ihnen mit ungeheurem Wortſchwall erklaͤrte, was Humor ſei und wie ſie von dieſer Gottes¬ gabe auch nicht eines Senfkoͤrnleins groß beſaͤßen. Er las eifrigſt alle humoriſtiſchen Schriften und alle, welche vom Humor handelten, und hatte ſich ein ordentliches Syſtem uͤber dieſes Feuchte, Fluͤſſige, Aetheriſche, Weltumplaͤtſchernde, wie er es nannte, aufgebaut, das ziemlich mit ſeiner Theologie zuſammenfiel. Cervantes fuͤhrte er ebenſo oft im Munde, wie Shakeſpeare, aber er fand den groͤßten Gefallen an den unzaͤhligen Pruͤgeln,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/386>, abgerufen am 28.03.2024.