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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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denn sie haben etwas Dämonisches und Verhe¬
rendes an sich.

In einem ganz sonderlichen Verhältnisse zu
dem Hause stand der katholische Pfarrer des Or¬
tes, welcher so oft in Gesellschaft des Grafen er¬
schien, daß er für eine Art von Hausfreund gel¬
ten konnte. Er hatte eine dicke Mopsnase, welche
durch einen Studentenhieb in zwei Abtheilungen
getheilt war, zum Denkzeichen einer großen Vor¬
näsigkeit in der Jugend. Der Mund war sehr
aufgeworfen und sinnlich und die Tonsur hatte
sich allmälig ziemlich vergrößert, obgleich er sie
immer noch streng in ihrer kreisrunden Form hielt,
da er hierin gar keinen Spaß verstand und die Reit¬
bahn, welche sich an seinem Hinterhaupte dem
Blicke darbot, durchaus für eine Tonsur angese¬
hen wissen wollte. Dieser Mann war nun vor¬
züglich drei Dinge, ein leidenschaftlicher Esser und
Trinker, ein großer religiöser Idealist und ein
noch größerer Humorist. Und zwar war er letz¬
teres in dem Sinne, daß er alle drei Minuten
lang das Wort Humor verwendete und es zum
Maßstabe und Kriterium alles dessen machte, was

denn ſie haben etwas Daͤmoniſches und Verhe¬
rendes an ſich.

In einem ganz ſonderlichen Verhaͤltniſſe zu
dem Hauſe ſtand der katholiſche Pfarrer des Or¬
tes, welcher ſo oft in Geſellſchaft des Grafen er¬
ſchien, daß er fuͤr eine Art von Hausfreund gel¬
ten konnte. Er hatte eine dicke Mopsnaſe, welche
durch einen Studentenhieb in zwei Abtheilungen
getheilt war, zum Denkzeichen einer großen Vor¬
naͤſigkeit in der Jugend. Der Mund war ſehr
aufgeworfen und ſinnlich und die Tonſur hatte
ſich allmaͤlig ziemlich vergroͤßert, obgleich er ſie
immer noch ſtreng in ihrer kreisrunden Form hielt,
da er hierin gar keinen Spaß verſtand und die Reit¬
bahn, welche ſich an ſeinem Hinterhaupte dem
Blicke darbot, durchaus fuͤr eine Tonſur angeſe¬
hen wiſſen wollte. Dieſer Mann war nun vor¬
zuͤglich drei Dinge, ein leidenſchaftlicher Eſſer und
Trinker, ein großer religioͤſer Idealiſt und ein
noch groͤßerer Humoriſt. Und zwar war er letz¬
teres in dem Sinne, daß er alle drei Minuten
lang das Wort Humor verwendete und es zum
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[375/0385] denn ſie haben etwas Daͤmoniſches und Verhe¬ rendes an ſich. In einem ganz ſonderlichen Verhaͤltniſſe zu dem Hauſe ſtand der katholiſche Pfarrer des Or¬ tes, welcher ſo oft in Geſellſchaft des Grafen er¬ ſchien, daß er fuͤr eine Art von Hausfreund gel¬ ten konnte. Er hatte eine dicke Mopsnaſe, welche durch einen Studentenhieb in zwei Abtheilungen getheilt war, zum Denkzeichen einer großen Vor¬ naͤſigkeit in der Jugend. Der Mund war ſehr aufgeworfen und ſinnlich und die Tonſur hatte ſich allmaͤlig ziemlich vergroͤßert, obgleich er ſie immer noch ſtreng in ihrer kreisrunden Form hielt, da er hierin gar keinen Spaß verſtand und die Reit¬ bahn, welche ſich an ſeinem Hinterhaupte dem Blicke darbot, durchaus fuͤr eine Tonſur angeſe¬ hen wiſſen wollte. Dieſer Mann war nun vor¬ zuͤglich drei Dinge, ein leidenſchaftlicher Eſſer und Trinker, ein großer religioͤſer Idealiſt und ein noch groͤßerer Humoriſt. Und zwar war er letz¬ teres in dem Sinne, daß er alle drei Minuten lang das Wort Humor verwendete und es zum Maßſtabe und Kriterium alles deſſen machte, was

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/385>, abgerufen am 29.03.2024.