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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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entschlüpfte ihm und den Trübseligen pathetisch
vor sich hinhaltend sagte sie: "Lassen Sie! Ich
möchte gar zu gern ein solch' schlechtes Ding
und Krone der Armuth einmal ganz in der
Nähe besehen! Ja, es ist wahr! kummervoll sieht
er aus, der Hut! Aber wissen Sie, ich möchte
doch einmal ein Bursche sein und mit solchem
verwegenen Unglückshut so ganz allein in der
Welt herumwandern! Aber durchaus müssen wir
ihn in unserem Rittersaal aufpflanzen als eine
Trophäe unserer Zeit unter den alten Eisenhüten!"

Heinrich entriß ihr die Trophäe und steckte
sie in den Ofen, in dem eben ein helles Feuer
brannte, und ging mit ihr, die ihn darüber aus¬
schalt, in's Freie. "Wenn er einmal verbrannt
sein mußte," sagte sie, "so hätten wir ihn doch
auf feierliche Weise verbrennen sollen! Sie haben
in Ihrem Schreibebuch selbst so artig besungen,
wie Sie Ihre Dornenkrone lustig auf einem
Zimmetfeuerchen verbrennen wollten, nun hätten
wir den schlimmen Hut dafür nehmen und
ihn dergestalt mit guten Ceremonien verbrennen
können, zum Zeichen, daß Sie entschlossen sind,

entſchluͤpfte ihm und den Truͤbſeligen pathetiſch
vor ſich hinhaltend ſagte ſie: »Laſſen Sie! Ich
moͤchte gar zu gern ein ſolch' ſchlechtes Ding
und Krone der Armuth einmal ganz in der
Naͤhe beſehen! Ja, es iſt wahr! kummervoll ſieht
er aus, der Hut! Aber wiſſen Sie, ich moͤchte
doch einmal ein Burſche ſein und mit ſolchem
verwegenen Ungluͤckshut ſo ganz allein in der
Welt herumwandern! Aber durchaus muͤſſen wir
ihn in unſerem Ritterſaal aufpflanzen als eine
Trophaͤe unſerer Zeit unter den alten Eiſenhuͤten!«

Heinrich entriß ihr die Trophaͤe und ſteckte
ſie in den Ofen, in dem eben ein helles Feuer
brannte, und ging mit ihr, die ihn daruͤber aus¬
ſchalt, in's Freie. »Wenn er einmal verbrannt
ſein mußte,« ſagte ſie, »ſo haͤtten wir ihn doch
auf feierliche Weiſe verbrennen ſollen! Sie haben
in Ihrem Schreibebuch ſelbſt ſo artig beſungen,
wie Sie Ihre Dornenkrone luſtig auf einem
Zimmetfeuerchen verbrennen wollten, nun haͤtten
wir den ſchlimmen Hut dafuͤr nehmen und
ihn dergeſtalt mit guten Ceremonien verbrennen
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[360/0370] entſchluͤpfte ihm und den Truͤbſeligen pathetiſch vor ſich hinhaltend ſagte ſie: »Laſſen Sie! Ich moͤchte gar zu gern ein ſolch' ſchlechtes Ding und Krone der Armuth einmal ganz in der Naͤhe beſehen! Ja, es iſt wahr! kummervoll ſieht er aus, der Hut! Aber wiſſen Sie, ich moͤchte doch einmal ein Burſche ſein und mit ſolchem verwegenen Ungluͤckshut ſo ganz allein in der Welt herumwandern! Aber durchaus muͤſſen wir ihn in unſerem Ritterſaal aufpflanzen als eine Trophaͤe unſerer Zeit unter den alten Eiſenhuͤten!« Heinrich entriß ihr die Trophaͤe und ſteckte ſie in den Ofen, in dem eben ein helles Feuer brannte, und ging mit ihr, die ihn daruͤber aus¬ ſchalt, in's Freie. »Wenn er einmal verbrannt ſein mußte,« ſagte ſie, »ſo haͤtten wir ihn doch auf feierliche Weiſe verbrennen ſollen! Sie haben in Ihrem Schreibebuch ſelbſt ſo artig beſungen, wie Sie Ihre Dornenkrone luſtig auf einem Zimmetfeuerchen verbrennen wollten, nun haͤtten wir den ſchlimmen Hut dafuͤr nehmen und ihn dergeſtalt mit guten Ceremonien verbrennen koͤnnen, zum Zeichen, daß Sie entſchloſſen ſind,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/370>, abgerufen am 29.03.2024.