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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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Tischchen herbeigeholt und vor ihn hingestellt,
auf welchem einiges Essen stand. "Hier steht zum
Glück," rief sie, "noch fast mein ganzes Essen;
ich ließ es mir hieher bringen, da ich heute allein
war, und essen Sie wenigstens sogleich etwas,
bis mein Papa zu Hause kommt und für Sie
sorgt. Geht sogleich nach dem Hause, Küster,
und holt eine Flasche Wein, sogleich, hört Ihr?
Die Brigitte wird sie Euch geben! Trinken Sie
lieber weißen Wein oder Rothwein, Herr Lee?"

"Rothen" sagte er.

"So sagt der Brigitte, sie solle Euch von
Papas Wein geben!" rief sie dem Küster noch
nach. Dann zog sie tüchtig an einer Klingel¬
schnur, worauf ein ländlich gekleidetes feines
Mädchen herbeigelaufen kam, welches des Gärt¬
ners Tochter war und den essenden Heinrich neu¬
gierig betrachtete; denn dieser hatte sich sehr an¬
dächtig über ein Stück kalten Rehbratens herge¬
macht, wunderte sich jedoch bald, daß er gar nicht
so viel zu essen vermochte, als er zuerst gedacht,
und er legte bald die zierlichen Eßwerkzeuge hin
und vermochte jetzt erst recht nicht mehr zu essen,

Tiſchchen herbeigeholt und vor ihn hingeſtellt,
auf welchem einiges Eſſen ſtand. »Hier ſteht zum
Gluͤck,« rief ſie, »noch faſt mein ganzes Eſſen;
ich ließ es mir hieher bringen, da ich heute allein
war, und eſſen Sie wenigſtens ſogleich etwas,
bis mein Papa zu Hauſe kommt und fuͤr Sie
ſorgt. Geht ſogleich nach dem Hauſe, Kuͤſter,
und holt eine Flaſche Wein, ſogleich, hoͤrt Ihr?
Die Brigitte wird ſie Euch geben! Trinken Sie
lieber weißen Wein oder Rothwein, Herr Lee?«

»Rothen« ſagte er.

»So ſagt der Brigitte, ſie ſolle Euch von
Papas Wein geben!« rief ſie dem Kuͤſter noch
nach. Dann zog ſie tuͤchtig an einer Klingel¬
ſchnur, worauf ein laͤndlich gekleidetes feines
Maͤdchen herbeigelaufen kam, welches des Gaͤrt¬
ners Tochter war und den eſſenden Heinrich neu¬
gierig betrachtete; denn dieſer hatte ſich ſehr an¬
daͤchtig uͤber ein Stuͤck kalten Rehbratens herge¬
macht, wunderte ſich jedoch bald, daß er gar nicht
ſo viel zu eſſen vermochte, als er zuerſt gedacht,
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[308/0318] Tiſchchen herbeigeholt und vor ihn hingeſtellt, auf welchem einiges Eſſen ſtand. »Hier ſteht zum Gluͤck,« rief ſie, »noch faſt mein ganzes Eſſen; ich ließ es mir hieher bringen, da ich heute allein war, und eſſen Sie wenigſtens ſogleich etwas, bis mein Papa zu Hauſe kommt und fuͤr Sie ſorgt. Geht ſogleich nach dem Hauſe, Kuͤſter, und holt eine Flaſche Wein, ſogleich, hoͤrt Ihr? Die Brigitte wird ſie Euch geben! Trinken Sie lieber weißen Wein oder Rothwein, Herr Lee?« »Rothen« ſagte er. »So ſagt der Brigitte, ſie ſolle Euch von Papas Wein geben!« rief ſie dem Kuͤſter noch nach. Dann zog ſie tuͤchtig an einer Klingel¬ ſchnur, worauf ein laͤndlich gekleidetes feines Maͤdchen herbeigelaufen kam, welches des Gaͤrt¬ ners Tochter war und den eſſenden Heinrich neu¬ gierig betrachtete; denn dieſer hatte ſich ſehr an¬ daͤchtig uͤber ein Stuͤck kalten Rehbratens herge¬ macht, wunderte ſich jedoch bald, daß er gar nicht ſo viel zu eſſen vermochte, als er zuerſt gedacht, und er legte bald die zierlichen Eßwerkzeuge hin und vermochte jetzt erſt recht nicht mehr zu eſſen,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/318>, abgerufen am 29.03.2024.