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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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fallend gesehen, und indem er sich unten aus der
dunklen harten Erde mühselig forthalf, blickte er
fortwährend nach dem Himmel und beobachtete
neugierig das Ziehen und Begegnen der gefieder¬
ten Völkerschaften, denen mit Sonnenaufgang
das wärmere Land und die neue lustige Heimath
gewiß war.

Dann gerieth er in einen großen Forst und
die Dunkelheit wurde vollkommen. Still huschte
der Kauz an seinem Gesichte vorüber, die Wald¬
schnepfe bog hier und dort blitzschnell um die
Büsche, wovon er aber nur ein leises Wehen
hörte, aus der Tiefe schrie der Uhu. Diesen
hatte Heinrich nie gehört und er kannte sein Ge¬
schrei nicht, daher machte es die Verwirrung und
Fremdheit des Abenteuers vollständig. Doch
stieß er nun an einer Lichtung auf einem rauchen¬
den Kohlenmeiler, dessen Hüter in der Erdhütte
steckte und schlief Heinrich setzte sich auf einen
Baumstrunk an den heißen Meiler und wärmte
sich, und er wäre ganz glücklich gewesen, wenn
er jetzt nur etwas zu essen und zu trinken gehabt
hätte. Er ging zwar einigemal unter die Bäume

fallend geſehen, und indem er ſich unten aus der
dunklen harten Erde muͤhſelig forthalf, blickte er
fortwaͤhrend nach dem Himmel und beobachtete
neugierig das Ziehen und Begegnen der gefieder¬
ten Voͤlkerſchaften, denen mit Sonnenaufgang
das waͤrmere Land und die neue luſtige Heimath
gewiß war.

Dann gerieth er in einen großen Forſt und
die Dunkelheit wurde vollkommen. Still huſchte
der Kauz an ſeinem Geſichte voruͤber, die Wald¬
ſchnepfe bog hier und dort blitzſchnell um die
Buͤſche, wovon er aber nur ein leiſes Wehen
hoͤrte, aus der Tiefe ſchrie der Uhu. Dieſen
hatte Heinrich nie gehoͤrt und er kannte ſein Ge¬
ſchrei nicht, daher machte es die Verwirrung und
Fremdheit des Abenteuers vollſtaͤndig. Doch
ſtieß er nun an einer Lichtung auf einem rauchen¬
den Kohlenmeiler, deſſen Huͤter in der Erdhuͤtte
ſteckte und ſchlief Heinrich ſetzte ſich auf einen
Baumſtrunk an den heißen Meiler und waͤrmte
ſich, und er waͤre ganz gluͤcklich geweſen, wenn
er jetzt nur etwas zu eſſen und zu trinken gehabt
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[274/0284] fallend geſehen, und indem er ſich unten aus der dunklen harten Erde muͤhſelig forthalf, blickte er fortwaͤhrend nach dem Himmel und beobachtete neugierig das Ziehen und Begegnen der gefieder¬ ten Voͤlkerſchaften, denen mit Sonnenaufgang das waͤrmere Land und die neue luſtige Heimath gewiß war. Dann gerieth er in einen großen Forſt und die Dunkelheit wurde vollkommen. Still huſchte der Kauz an ſeinem Geſichte voruͤber, die Wald¬ ſchnepfe bog hier und dort blitzſchnell um die Buͤſche, wovon er aber nur ein leiſes Wehen hoͤrte, aus der Tiefe ſchrie der Uhu. Dieſen hatte Heinrich nie gehoͤrt und er kannte ſein Ge¬ ſchrei nicht, daher machte es die Verwirrung und Fremdheit des Abenteuers vollſtaͤndig. Doch ſtieß er nun an einer Lichtung auf einem rauchen¬ den Kohlenmeiler, deſſen Huͤter in der Erdhuͤtte ſteckte und ſchlief Heinrich ſetzte ſich auf einen Baumſtrunk an den heißen Meiler und waͤrmte ſich, und er waͤre ganz gluͤcklich geweſen, wenn er jetzt nur etwas zu eſſen und zu trinken gehabt haͤtte. Er ging zwar einigemal unter die Baͤume

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/284>, abgerufen am 29.03.2024.