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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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Geheimen durch die Abwesenheit der störenden
Schönheit ihrer Tochter noch einen stillen und
erbaulichen Nachsommer ihrer eigenen Person zu
genießen, wenn auch nur vor sich selbst und An¬
gesichts ihres Bildes. Aber bald mußte sie zu
ihrem Schrecken erfahren, daß ihr Licht nicht mehr
genugsam leuchtete, und daß sie, ohne es zu
wissen, schon bislang im Widerschein von ihres
Kindes Schönheit geathmet hatte. Sie fühlte
sich einsam, alt und verwelkt, mehr, als sie es
im Grunde war, erhob einen großen Jammer,
bis sie zu dem jungen Paare reisen konnte, und
es war rührend zu sehen, wie sie sich klagend be¬
eilte, nur wieder in den Bereich der Jugend und
Schönheit zu kommen, die Jugend von ihrer Ju¬
gend und Schönheit von ihrer Schönheit war,

Ehe aber das seltsam erregte Paar abgereist,
hatte es auf den besonderen Wunsch Agnesens
den abgeschlossenen Heinrich aufgesucht, um sich
bei ihm zu verabschieden.

Die erste Gefahr in Ferdinand's Zustande war
einstweilen vorüber und der Verwundete ging
einer leidlichen Herstellung entgegen. Heinrich

Geheimen durch die Abweſenheit der ſtoͤrenden
Schoͤnheit ihrer Tochter noch einen ſtillen und
erbaulichen Nachſommer ihrer eigenen Perſon zu
genießen, wenn auch nur vor ſich ſelbſt und An¬
geſichts ihres Bildes. Aber bald mußte ſie zu
ihrem Schrecken erfahren, daß ihr Licht nicht mehr
genugſam leuchtete, und daß ſie, ohne es zu
wiſſen, ſchon bislang im Widerſchein von ihres
Kindes Schoͤnheit geathmet hatte. Sie fuͤhlte
ſich einſam, alt und verwelkt, mehr, als ſie es
im Grunde war, erhob einen großen Jammer,
bis ſie zu dem jungen Paare reiſen konnte, und
es war ruͤhrend zu ſehen, wie ſie ſich klagend be¬
eilte, nur wieder in den Bereich der Jugend und
Schoͤnheit zu kommen, die Jugend von ihrer Ju¬
gend und Schoͤnheit von ihrer Schoͤnheit war,

Ehe aber das ſeltſam erregte Paar abgereiſt,
hatte es auf den beſonderen Wunſch Agneſens
den abgeſchloſſenen Heinrich aufgeſucht, um ſich
bei ihm zu verabſchieden.

Die erſte Gefahr in Ferdinand's Zuſtande war
einſtweilen voruͤber und der Verwundete ging
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[18/0028] Geheimen durch die Abweſenheit der ſtoͤrenden Schoͤnheit ihrer Tochter noch einen ſtillen und erbaulichen Nachſommer ihrer eigenen Perſon zu genießen, wenn auch nur vor ſich ſelbſt und An¬ geſichts ihres Bildes. Aber bald mußte ſie zu ihrem Schrecken erfahren, daß ihr Licht nicht mehr genugſam leuchtete, und daß ſie, ohne es zu wiſſen, ſchon bislang im Widerſchein von ihres Kindes Schoͤnheit geathmet hatte. Sie fuͤhlte ſich einſam, alt und verwelkt, mehr, als ſie es im Grunde war, erhob einen großen Jammer, bis ſie zu dem jungen Paare reiſen konnte, und es war ruͤhrend zu ſehen, wie ſie ſich klagend be¬ eilte, nur wieder in den Bereich der Jugend und Schoͤnheit zu kommen, die Jugend von ihrer Ju¬ gend und Schoͤnheit von ihrer Schoͤnheit war, Ehe aber das ſeltſam erregte Paar abgereiſt, hatte es auf den beſonderen Wunſch Agneſens den abgeſchloſſenen Heinrich aufgeſucht, um ſich bei ihm zu verabſchieden. Die erſte Gefahr in Ferdinand's Zuſtande war einſtweilen voruͤber und der Verwundete ging einer leidlichen Herſtellung entgegen. Heinrich

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/28>, abgerufen am 16.04.2024.