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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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fer lag und dem man es ansah, daß es ebenfalls
um und um gekehrt worden, und entfernte sich
mit diesem Päcklein aus dem Hause, indeß die
Leute höhnisch hinter ihm nachschalten.

Ohne einen Pfennig in der Tasche, ohne
etwas zu sich zu nehmen, ging er mit einbrechen¬
der Nacht aus dem Thore und schlug die Straße
nach der Heimath ein. Er dachte nichts Anderes,
als unaufhaltsam und auf jede Weise zu gehen
und zu gehen, wie er ging und stand, bis er dort
angekommen. Denn nun dünkte ihn, daß sein
Geschick die zur Rückkehr nothwendige klare und
fertige Form angenommen habe, und da er nicht
mit erfüllten Hoffnungen wiederkehren konnte,
kehrte er doch in dem ernsten heiligen Bettler¬
leide eines gänzlich Obdachlosen und Hülfesuchen¬
den, und zeigte so wenigstens eine bestimmte
Gestalt und Gewandung dem mitlebenden Ge¬
schlechte und nahm einen erkennbaren Rang in
demselben ein. Dies war nichts weniger als
etwa Trotz und Hohn, sondern er hielt es auf¬
richtig für ein kostbares und erlösendes Gut, und
das Wie war ihm gleichgültig, wenn nur das

fer lag und dem man es anſah, daß es ebenfalls
um und um gekehrt worden, und entfernte ſich
mit dieſem Paͤcklein aus dem Hauſe, indeß die
Leute hoͤhniſch hinter ihm nachſchalten.

Ohne einen Pfennig in der Taſche, ohne
etwas zu ſich zu nehmen, ging er mit einbrechen¬
der Nacht aus dem Thore und ſchlug die Straße
nach der Heimath ein. Er dachte nichts Anderes,
als unaufhaltſam und auf jede Weiſe zu gehen
und zu gehen, wie er ging und ſtand, bis er dort
angekommen. Denn nun duͤnkte ihn, daß ſein
Geſchick die zur Ruͤckkehr nothwendige klare und
fertige Form angenommen habe, und da er nicht
mit erfuͤllten Hoffnungen wiederkehren konnte,
kehrte er doch in dem ernſten heiligen Bettler¬
leide eines gaͤnzlich Obdachloſen und Huͤlfeſuchen¬
den, und zeigte ſo wenigſtens eine beſtimmte
Geſtalt und Gewandung dem mitlebenden Ge¬
ſchlechte und nahm einen erkennbaren Rang in
demſelben ein. Dies war nichts weniger als
etwa Trotz und Hohn, ſondern er hielt es auf¬
richtig fuͤr ein koſtbares und erloͤſendes Gut, und
das Wie war ihm gleichguͤltig, wenn nur das

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[269/0279] fer lag und dem man es anſah, daß es ebenfalls um und um gekehrt worden, und entfernte ſich mit dieſem Paͤcklein aus dem Hauſe, indeß die Leute hoͤhniſch hinter ihm nachſchalten. Ohne einen Pfennig in der Taſche, ohne etwas zu ſich zu nehmen, ging er mit einbrechen¬ der Nacht aus dem Thore und ſchlug die Straße nach der Heimath ein. Er dachte nichts Anderes, als unaufhaltſam und auf jede Weiſe zu gehen und zu gehen, wie er ging und ſtand, bis er dort angekommen. Denn nun duͤnkte ihn, daß ſein Geſchick die zur Ruͤckkehr nothwendige klare und fertige Form angenommen habe, und da er nicht mit erfuͤllten Hoffnungen wiederkehren konnte, kehrte er doch in dem ernſten heiligen Bettler¬ leide eines gaͤnzlich Obdachloſen und Huͤlfeſuchen¬ den, und zeigte ſo wenigſtens eine beſtimmte Geſtalt und Gewandung dem mitlebenden Ge¬ ſchlechte und nahm einen erkennbaren Rang in demſelben ein. Dies war nichts weniger als etwa Trotz und Hohn, ſondern er hielt es auf¬ richtig fuͤr ein koſtbares und erloͤſendes Gut, und das Wie war ihm gleichguͤltig, wenn nur das

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/279>, abgerufen am 28.03.2024.